Ob sich der Ausbau der A8 zwischen München und Salzburg wirklich lohnt, das könnten selbst leidenschaftliche bis leidgeprüfte Autofahrer immer wieder anders einschätzen – je nach Saison, Tag und Tageszeit und damit je nach aktueller Verkehrslage und drohender Staugefahr. Der Bund braucht da eine deutlich umfassendere Analyse. Damit er seine Autobahn so ausbauen darf, wie es Planer und Politik schon lange vorhaben, muss der erwartete volkswirtschaftlichen Nutzen die geschätzten Kosten übersteigen. Massive Zweifel daran nährt eine nun vorgelegte Studie, die von der scheidenden grünen Bundesumweltministerin Steffi Lemke bestellt worden war. Demnach ist das Milliardenprojekt A8 weit davon entfernt, den nötigen Nutzen zu entfalten.
Die Studie, die das Umweltministerium kürzlich veröffentlicht hat, verfolgt ausdrücklich das Ziel, dem Klima- und dem Umweltschutz in den Nutzen-Kosten-Analysen mehr Gewicht zu geben. Je nachdem, wie schnell der Anteil der Elektromobilität wächst, wie stark sich der CO₂-Preis erhöht und in welchem Ausmaß und Tempo die Baukosten steigen, werden demnach viele bisher fest eingeplante Verkehrsprojekte volkswirtschaftlich unrentabel.
Dazu zählen die Autoren der Studie beispielhaft auch den Ausbau der A8 zwischen München und Salzburg. Dabei geht der Bund bisher davon aus, dass der erwartete Nutzen etwas größer ist als die Kosten. Gemäß der Studie des Umweltministeriums wäre der Nutzen aber nur noch gut halb so groß wie die Kosten. Unter diesen Umständen müsste der Bund das Projekt aufgeben.

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Welche politische Wirkung diese Rechenbeispiele entfallen werden, ist allerdings offen. Der aktuell gültige Bundesverkehrswegeplan priorisiert die großen Projekte bis 2030. Im Kern stammt er aber noch aus dem Jahr 2016, als Angela Merkel mit einer schwarz-roten Koalition regierte. Die im vergangenen Herbst vorzeitig beendete Ampel-Koalition hatte sich eine Neufassung des Plans und eine Reform des ganzen Verfahrens vorgenommen. Dazu war es jedoch nicht mehr gekommen.
Innerhalb der Ampel gingen die Ansichten auch bei Verkehrsthemen wie dem Ausbau der A8 weit auseinander – vor allem zwischen Lemkes Umweltministerium und dem Verkehrsministerium von Volker Wissing, der nach dem Ende der Ampel im Herbst aus der FDP ausgetreten ist, um noch eine Weile Minister bleiben zu können. Obwohl Wissings Verkehrsressort vorrangig für die Autobahnen zuständig ist, war er an dem Projekt des Umweltministeriums nicht prominent beteiligt.
Der nächsten Bundesregierung werden aller Voraussicht nach weder die Grünen noch die FDP angehören. Die Union und die SPD als absehbare Koalitionspartner waren sich beim Ausbau der A8 schon bisher einiger als die Ampel-Parteien. Angesichts des von Bundestag und Bundesrat inzwischen beschlossen 500-Milliarden-Pakets für die Infrastruktur wuchs zuletzt auch bei den Verfechtern des A8-Ausbaus die Hoffnung, dass das lange geplante Vorhaben bald weiter vorangetrieben werden könnte.

Die Autobahngesellschaft des Bundes will die A8 vom Kreuz München-Süd bis zum Inntaldreieck auf vier Fahrspuren pro Richtung plus Standstreifen ausbauen. Weit bis zum Chiemsee soll es jeweils drei Spuren plus Standstreifen geben. Im weiteren Verlauf bis Traunstein wollten sich die Planer angesichts knapper Mittel zuletzt damit bescheiden, den bisher zwei Spuren pro Richtung jeweils einen Standstreifen beizufügen, der bei Bedarf über elektronische Anzeigen als weitere Fahrspur ausgewiesen werden kann. Eine solche Lösung hatte schon vor Jahren der Bundesrechnungshof vorgeschlagen, der einen größeren Ausbau ab dem Chiemsee als absehbar unwirtschaftlich kritisiert hatte.
Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) und eine Bürgerinitiative kritisieren die Ausbaupläne ohnehin als weit überzogen und fordern, es bei jeweils zwei Fahrspuren plus Standstreifen zu belassen. Kein anderes Verkehrsprojekt in Bayern sei so schlecht fürs Klima, heißt es vom BN, der vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Ausbaupläne klagt. Angesichts der Studie aus dem Umweltministerium fordert der grüne Bundestagsabgeordnete Leon Eckert ein Ende der Pläne: „Der Ausbau der A8 zwischen München und Salzburg muss aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen werden“, verlangt Eckert. Die neue Regierungskoalition müsse die „Realitäten anerkennen und das Projekt endlich beenden“.