Die Geschichte klingt wie ein Märchen: Es war einmal ein Perserteppich mit ein paar schnöden Blatt- und Blumenmustern, gerade einmal 3,39 Mal 1,53 Meter groß. Ein Auktionator aus Augsburg schätzte ihn auf 900 Euro. Ein paar Monate später blätterte ein unbekannter Liebhaber bei einer Versteigerung in London plötzlich 7,2 Millionen Euro dafür hin - und aus dem unscheinbaren Perserteppich wurde der wohl teuerste Teppich der Welt.
Der Rekorderlös hat auch nun die einstige Besitzerin auf den Plan gerufen: Die Frau aus dem Raum Stuttgart klagt gegen den Inhaber des Augsburger Auktionshauses, weil dieser den eigentlichen Wert nicht erkannt habe. Von Mittwoch an muss das Landgericht Augsburg klären, ob der Mann für seine Fehleinschätzung und wenigstens einen Teil des entgangenen Gewinns haftbar gemacht werden kann.
20.000 Euro bei der ersten Versteigerung
Dabei hatte sich die Frau aus Baden-Württemberg zunächst noch gefreut: Bei der Versteigerung in Augsburg im Oktober 2009 erzielte das Erbstück fast 20.000 Euro - und damit das 20-fache des taxierten Wertes. Dann folgte die böse Überraschung: Auf Umwegen landet der Teppich aus dem 17. Jahrhundert, gefertigt in der iranischen Provinz Kerman, bei einem Hamburger Teppichhändler. Gerüchten zufolge hatte der Mann, der im Prozess als Zeuge geladen ist, von einem Kenner einen Tipp bekommen.
Von dem Teppichhändler kommt das edle Stück zum berühmten Auktionshaus Christie's, wo er auf mehrere hunderttausend Pfund geschätzt wird. Sieben Interessenten - aus Europa, Amerika und dem Mittleren Osten - steigern sich in London gegenseitig hoch, am Ende erzielt der Perserteppich 7,2 Millionen Euro. Den Zuschlag erhält ein anonymer Telefonbieter.
Aus Sicht der Klägerseite hätte der Augsburger Auktionator erkennen müssen, um welch wertvolles Stück es sich handelt. Schließlich sei sogar in einem Buch dieser Teppich abgebildet, der sich einst im Besitz der Comtesse de Béhague (1870-1939) befand. Die frühere Besitzerin klagt zunächst auf rund 350.000 Euro. Dabei handelt es sich allerdings um eine "Teilklage", die im Erfolgsfall einen weiteren Prozess nach sich ziehen könnte.
Völlig unklar ist, ob ein Auktionator für seine Fehleinschätzung überhaupt haftbar gemacht werden kann. Die 2. Zivilkammer mit dem Vorsitzenden Richter Andreas Dumberger betritt juristisches Neuland, ein vergleichbarer Rechtsstreit ist jedenfalls der Augsburger Justiz nicht bekannt.
Der Auktionator hat sich indes Rückendeckung geholt - vom Verband der Deutschen Auktionatoren. Er habe sich nichts vorzuwerfen, heißt es dort.