Augsburger Polizistenmord:Verteidigung überrascht mit Argumentation

Lesezeit: 3 min

Der Angeklagte Rudi R., der schon einmal einen Polizeibeamten erschossen hat, wird stets mit Fußfesseln ins Gericht gebracht. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Heftiger Schlagabtausch beim Prozess um den Augsburger Polizistenmord: Die Anwälte der Nebenkläger sprechen von einer "Hinrichtung" des Opfers. Die Verteidigung vergleicht das Vorgehen der Ermittler mit Hexenverbrennung.

Von Stefan Mayr

Die Verteidiger des mutmaßlichen Augsburger Polizistenmörders Rudi R. haben am Mittwoch vor dem Landgericht einen Freispruch des Angeklagten gefordert. Dabei schoben sie die Schuld an allen angeklagten Straftaten auf den Bruder ihres Mandanten. Es war der vorletzte Verhandlungstag des Indizien-Prozesses, dabei tauschten die Verteidigung und die Nebenklage-Vertreter markige Worte aus.

Die Anwälte der Nebenkläger sprachen von einer regelrechten "Hinrichtung"des Opfers und forderten eine lebenslange Haftstrafe plus Sicherungsverwahrung. Rudi Rs. Anwalt Markus Meißner warf der Staatsanwaltschaft eine "mittelalterliche Beweisführung" vor und verglich das Vorgehen der Ermittler mit einer Hexenverbrennung. Walter Rubach, der Anwalt der Witwe des erschossenen Polizisten, attackierte seinerseits den angeklagten 58-Jährigen direkt und übte massive Kritik an den Behörden.

Rudi R. wird vorgeworfen, im Oktober 2011 den Polizisten Mathias Vieth nach einer Verfolgungsjagd erschossen zu haben, zudem soll er zwischen 2002 und 2011 vier Raubüberfälle verübt und gegen diverse Waffengesetze verstoßen haben. Der Prozess läuft seit fast genau einem Jahr, die Staatsanwaltschaft erachtet Rudi R. als überführt und beantragte in der vergangenen Woche eine lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und eine Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Strafe.

"Bestialische Vernichtungstat"

Dieser Forderung schlossen sich am Mittwoch alle Vertreter der Nebenkläger an. Marion Zech, die Anwältin der Polizistin Diana K., die in der Mordnacht im Streifenwagen saß und mit einem Streifschuss davon kam, sprach von einer "bestialischen Vernichtungstat". Der Angeklagte habe sich eine "Hinrichtung gegönnt", indem er mehrmals aus nächster Nähe auf den bereits schwer verletzt am Boden liegenden Polizisten schoss. An der Schuld des Angeklagten gebe es "nicht den Hauch eines begründeten Zweifels".

Anwalt Walter Rubach, der sowohl die Witwe als auch die Schwester des getöteten Beamten vertritt, betonte, seinen Mandantinnen gehe es weder um Rache oder Vergeltung noch um Bestrafung - "sondern alleine um die Sicherheit". Die Frauen wollten "einfach nur die Gewissheit, dass der Angeklagte und sein Bruder nie wieder die Gelegenheit bekommen, in ihr Leben zu treten oder andere Menschen zu gefährden."

Rubach nannte es einen "Skandal", dass Rudi R. in den 1990er Jahren aus der Haft entlassen wurde, nachdem er bereits 1975 als 19-Jähriger einen Polizisten erschossen hatte und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war. "Er hätte niemals auf freien Fuß kommen dürfen. Es hätte vorher viel intensiver überprüft werden müssen, ob dieser Mann wieder auf die Menschheit losgelassen werden kann." Grundlage der Freilassung sei lediglich ein "kriminalprognostisches Gutachten" gewesen, das sich nachträglich als "pseudo-wissenschaftlicher Mist" und "ziemlicher Unsinn" entpuppt habe. Die Staatsanwaltschaft habe damals ein Entlassungs-Gutachten gefordert, doch die Strafvollstreckungskammer habe widersprochen und sich auf die positive Prognose des Gutachters verlassen. Dies habe sich nun als "grausam falsch" erwiesen.

Obendrein hätten die Behörden es versäumt zu überprüfen, wovon Rudi R. nach der Freilassung lebte. "Er ging keiner Arbeit nach, sondern setzte seine kriminelle Karriere fort", betonte Rubach. "Wäre er sorgfältig überwacht worden, würde Herr Vieth heute noch leben."

Die Verteidiger des Angeklagten wiesen diese Worte als "polemisch" zurück. Während diese Replik noch erwartbar war, sorgte die anschließende Argumentation der zwei Anwälte für Verblüffung im vollbesetzten Schwurgerichtssaal. Beide Verteidiger schoben die Schuld am Mord, an den Raubüberfällen auf Geldtransportfirmen und auch am unerlaubten Waffenbesitz Rs. Bruder Raimund M. in die Schuhe.

Das Verfahren gegen M. war im November abgetrennt und ausgesetzt worden, weil ein Sachverständiger den Parkinson-kranken 60-Jährigen als vorläufig verhandlungsunfähig eingestuft hatte. Der Prozess gegen M. muss komplett neu aufgerollt werden, ob und wann dies der Fall sein wird, ist völlig offen. Zudem hat der Sachverständige ausgeschlossen, dass M. in der Mordnacht auf dem Fluchtmotorrad gesessen haben könnte. Diese entlastende Einschätzung zweifeln sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenkläger-Vertreter massiv an - und kurioserweise auch die Verteidiger seines Bruders Rudi R. "Es gibt keinen Zweifel, dass Herr M. am Tatort war", betonte Anwalt Kai Wagler am Mittwoch. In diesem Moment warf auch R. seinem Anwalt einen überraschten Blick zu.

Die Verteidiger stellten das Geschehen in der Mordnacht so dar, dass M. womöglich bei einem Waffendeal mit einem unbekannten dritten Mann von der Polizeistreife überrascht wurde und deshalb flüchtete. Von ihrem Mandanten Rudi R. sei jedenfalls keinerlei DNA-Spur am Tatort gefunden worden. Auch alle Waffen seien im "Lebensbereich" des Bruders aufgefunden worden - und nicht bei Rudi R. Verteidiger Meißner betonte, es gebe keinerlei Beweis für die Schuld seines Mandanten, sondern allenfalls Indizien. Deshalb könne es nur einen Freispruch geben.

Rudi R. selbst las in seinem Schlusswort nur drei Sätze in gebrochenem Deutsch vom Blatt ab: "Ich habe mit den mir vorgeworfenen Straftaten nichts zu tun." Er bat das Gericht "mit Nachdruck", sich von den "Vorverurteilungen" der Anklage und der Presse nicht beeinflussen zu lassen. Das Urteil fällt voraussichtlich am 27. Februar.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: