Augsburger Polizistenmord:Umstrittener Gutachter zieht sich zurück

Polizistenmord-Prozess Augsburg

Er soll einen neuen Gutachter bekommen: Raimund M., Angeklagter im Augsburger Polizistenmord-Prozess (Archivbild).

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Er hat einen Angeklagten für verhandlungsunfähig erklärt und sogar entlastet: Gutachter Ralph-Michael Schulte will sich nun aber nicht mehr mit dem Augsburger Polizistenmord-Prozess befassen - und könnte für eine neue Wende sorgen.

Von Stefan Mayr

Im Prozess gegen den zweiten mutmaßlichen Polizistenmörder von Augsburg bahnt sich eine weitere überraschende Wende an. Sollte es wie erwartet zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Raimund M. kommen, muss sich das Landgericht Augsburg wohl einen neuen neurologischen Gutachter suchen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der umstrittene Sachverständige Ralph-Michael Schulte in einem Schreiben an die 8. Strafkammer angekündigt, er werde für einen weiteren Prozess nicht mehr zur Verfügung stehen.

Als Begründung gibt er Zeitmangel an. Offenbar plant der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, sich beruflich zu verändern. Mit seiner Absage entgeht Schulte weiteren Konflikten im Polizistenmord-Prozess. Zuletzt wurde er von Staatsanwalt, Nebenklägern und Öffentlichkeit scharf kritisiert, weil er den Angeklagten als verhandlungsunfähig erklärt und sogar entlastet hatte. Schulte hatte ausgesagt, M. habe aufgrund seiner Parkinson-Krankheit in der Mordnacht nicht auf dem Fluchtmotorrad sitzen können.

Der Polizist Mathias Vieth wurde im Oktober 2011 nach einer Verfolgungsjagd durch den Wald erschossen. Am Tatort wurden DNA-Spuren des Angeklagten M. gefunden. Wegen seiner Parkinson-Krankheit wurde sein Prozess vorübergehend ausgesetzt. Sollte er wieder verhandlungsfähig werden, muss das Verfahren komplett neu aufgerollt werden. Das Landgericht und Ralph-Michael Schulte waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Derzeit prüft das Gericht, M. für sechs Wochen in der psychiatrischen Klinik in Haar beobachten zu lassen, um seinen Zustand zu untersuchen. Ein Sachverständiger befürwortet dies, die Verteidiger lehnen es ab. "Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung sind nicht gegeben", sagt Anwalt Werner Ruisinger. Das Gericht entscheidet wohl noch im März darüber.

Raimund Ms. Bruder Rudi R. wurde Ende Februar zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. In der Urteilsbegründung stellte das Gericht Raimund M. als Mittäter dar. Diese Einschätzung birgt Konfliktstoff: M.s Verteidiger könnten vor einem neuen Prozess einen Befangenheitsantrag stellen. Anwalt Ruisinger schweigt sich hierzu auf Anfrage aber aus.

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