Augsburger Blumensprayer verurteilt:Geknickt vor Gericht

Mit gesprayten Blumen wollte Bernhard T. Augsburg schöner machen. In der Stadt hat der 25-Jährige eine große Fangemeinde, die Verwaltung erwägte sogar, das Motiv für Werbezwecke zu nutzen. Doch jetzt wurde der populäre Sprayer wegen Sachbeschädigung in 470 Fällen verurteilt.

Andreas Ross

Am Ende seiner Urteilsbegründung bemühte Richter Michael Nißl ein passendes Sprachbild: "Wenn Sie noch eine einzige Blume auf fremdes Eigentum malen, dann ist ihre Zukunft weder rosig noch blumig", sagte Nißl und blickte dabei dem schmächtigen Angeklagten fest ins Gesicht.

Augsburger Blumensprayer verurteilt: Die Augsburger Blume des verurteilten Sprayers.

Die Augsburger Blume des verurteilten Sprayers.

(Foto: Augsburgblumen/Facebook)

Bernhard T., 25 Jahre alt und als Schöpfer der "Augsburger Blume" zu großer öffentlicher Aufmerksamkeit gelangt, rutschte bei diesen Worten auf seinem Stuhl ein bisschen tiefer - fast so, als wollte er in diesem Moment am liebsten unter der Anklagebank verschwinden.

Die Ermahnung des Richters war schließlich nur der Schlusspunkt. Schon zuvor hatte Bernhard T. mit zusammengekniffenen Lippen und leicht geröteten Wangen das Urteil in seinem Strafverfahren wegen Sachbeschädigung in 470 Fällen hinnehmen müssen: Zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine Geldstrafe von 400 Tagessätzen zu je 30 Euro - also 12.000 Euro.

Die Bewährungszeit beläuft sich auf fünf Jahre, in dieser Zeit muss Bernhard T. noch 300 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, jeden Wohnortwechsel der Polizei melden und sich wegen früheren Drogenkonsums regelmäßigen Urinkontrollen unterziehen. Strafe und Bewährungsauflagen sind eine harte Probe für den schon mehrfach vorbestraften Graffiti-Sprayer.

Aber Richter Nißl machte auch klar, warum: "Beides soll bewusst bis an die Grenze des Möglichen weh tun. Schließlich ist das Beschmieren von fremdem Eigentum eine Straftat - nicht mehr und nicht weniger."

Es war seit Sommer 2010 nicht nur den Polizeibeamten der "Arbeitsgruppe Graffiti" aufgefallen, dass im Stadtgebiet, aber auch in den Nachbarorten Gersthofen und Neusäß auf Verkehrsschildern, Trafohäuschen, Mülltonnen, Hausmauern und Postkästen ein immer gleiches Blumenmotiv gesprayt oder aufgemalt war. Mal klein, mal groß, ein leicht gebogener Stiel, fünf Blätter - hübsch anzusehen und doch verwerflich, weil Beschädigung fremden Eigentums.

Lange Zeit blieb der "Künstler", der in der Augsburger Szene offenbar eine Fan-Gemeinde hatte, in der Öffentlichkeit unbekannt. Von ihm stammten auch Aufkleber mit Sätzen wie "Du bist wunderbar" und "Brüste sind Spitze". Sogar T-Shirts mit dem Blumenmotiv und den Sprüchen wurden angefertigt.

Die Ermittler von der "Arbeitsgruppe Graffiti" kamen ihm bald auf die Spur, veranlassten eine Durchsuchung im Elternhaus, fanden dabei auch allerlei belastendes Material, doch auf frischer Tat mit seinem Markerstift konnten sie den verdächtigen jungen Mann nicht erwischen. Dabei hatte der sich selbst nach dem Polizeibesuch nicht davon abhalten lassen, sein "künstlerisches Werk" noch eine Weile fortzusetzen, ehe Anklage beim Amtsgericht Augsburg erhoben wurde.

Die Welt ein bisschen schöner machen

Das Ganze trieb skurrile Blüten, sodass die Stadt Augsburg vorübergehend mit der Idee liebäugelte, mit dem hübschen Blumenmotiv Stadtwerbung zu betreiben. Als jedoch deutlich wurde, dass die Polizei den entstandenen Schaden auf 70.000 Euro bezifferte, ruderte man bei der Stadt schnell zurück: Eine tatsächliche Nutzung der Blume sei "nie in Erwägung gezogen worden", hieß es.

Vor dem Amtsgericht Augsburg gab sich Bernhard T. am Mittwoch reumütig. "Ja, die Vorwürfe des Staatsanwaltes treffen zu. Ich sehe ein, dass ich großen Mist gebaut habe, es tut mir leid, es kommt nicht mehr vor", sagte der 25-Jährige, der in Zukunft gerne auf eine Kunstakademie gehen möchte.

Nur dieses Geständnis hat den jungen Mann, der wegen fahrlässiger Trunkenheit und des Besitzes von Rauschmitteln schon mehrmals vorbestraft war, vor dem Gefängnis bewahrt. Strafmildernd habe sich auch ausgewirkt, so Richter Nißl, dass manche Strom- oder Postkästen schon beschmiert waren, ehe das Blumenmotiv aufgetragen wurde.

Und nicht zuletzt habe sich zugunsten des Angeklagten die bis dahin eher wohlwollende Presseberichterstattung und das Werbeansinnen der Stadt Augsburg ausgewirkt. "Denn dadurch musste sich der Angeklagte geradezu motiviert fühlen, sein illegales Treiben fortzusetzen", betonte der Richter.

Bernhard T. begründete vor Gericht sein Handeln damit, dass er mit seiner Blume "die Welt ein bisschen schöner machen" wollte. Es sollte eine "nette Geste" sein, um die Leute von ihrem täglichen Stress abzulenken. Sein Verteidiger nannte Bernhard T. einen "Idealisten".

Richter Nißl sah das etwas anders: Der Angeklagte habe sich als "unreif, selbstherrlich und arrogant" gezeigt. Das sei umso tragischer, als man ihm durchaus Talent bescheinigen müsse. Bernhard T. nahm noch im Gerichtssaal das Urteil an.

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