Moderne Medizin:Das Krankenhaus der Zukunft

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Die Uniklinik Augsburg ist in die Jahre gekommen. Deswegen ist ein Neubau geplant. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Augsburgs Stadtrat fasst den Grundsatzbeschluss für ein Milliardenprojekt: Mit der neuen Uniklinik soll eines der modernsten Medizinareale Europas entstehen.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Es soll „baulich neue Maßstäbe setzen“, so formuliert es Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). „Wir entwickeln eines der modernsten Klinikareale in Europa“, das ist die Ansage von Wissenschaftsminister Markus Blume. Am Donnerstag hat der Stadtrat in Augsburg den Grundsatzbeschluss zum Neubau des Universitätsklinikums gefasst, das nach Vorstellungen des Ärztlichen Direktors Klaus Markstaller kein herkömmliches Krankenhaus mehr sein soll. Vielmehr soll ein Medizinpark mit enger Verzahnung von Forschung, Lehre und Versorgung der Patienten entstehen, der auch attraktiver Lebensraum für die Bevölkerung sein soll.

Wenn Minister Blume das neue Krankenhaus gemeinsam mit dem daneben gerade entstehenden Medizin-Campus der Universität Augsburg eine „Blaupause für die Unimedizin der Zukunft“ nennt, so zielt er auf das Medizinstrategiekonzept, das die Uniklinik erarbeitet hat. Es sieht unter anderem eine klare Trennung, auch baulich, zwischen Akut- und Elektivmedizin vor, wie es zum Beispiel in Tel Aviv bereits praktiziert wird. Ende 2025 soll das Baurecht stehen, 2026 ein interdisziplinärer Realisierungswettbewerb folgen. In etwa 15 Jahren ist die Inbetriebnahme des Milliardenprojekts geplant, dessen Kosten der Freistaat trägt.

Das aktuelle Gebäude mit eigener Wärme- und eigener Stromversorgung und etwa 8000 Mitarbeitern am Augsburger Stadtrand wurde 1982 eröffnet. Die Technik verschleißt zunehmend, der Freistaat investiert jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag für laufende Sanierungen, etwa derzeit bei den Schockräumen, Tendenz steigend mit zunehmendem Alter des Gebäudes. Die Anforderungen an moderne Spitzenmedizin, heißt es seitens der Uniklinik, hätten sich grundlegend verändert. Eine Sanierung schloss vor knapp zwei Jahren deshalb auch das Wissenschaftsministerium aus. Die Kosten wären kaum zu beziffern gewesen, die Belastung einer Sanierung im laufenden Betrieb Mitarbeitern wie Patientin kaum zuzumuten.

Die neue Uniklinik, so viel steht bereits fest, soll weiterhin über 1600 Betten und einen Hubschrauberlandeplatz verfügen. Im Juli dieses Jahres legten sich die Verantwortlichen darauf fest, den Neubau auf einer Gesamt-Nutzfläche von 142 620 Quadratmetern westlich des Bestandsgebäudes im heutigen Patientenpark zu planen. Aus Sicht der Uniklinik gibt es dazu keine Alternative: Dort könne man auf freier Fläche am schnellsten anfangen zu bauen, dort eröffnet 2025 das 300 Millionen Euro teure Zentrum für Intensivtherapie, das dann größte intensivmedizinische Zentrum in Süddeutschland. Es wäre kaum zu vermitteln, dieses Zentrum in 15 Jahren bereits wieder zu schließen, weil die neue Klinik zu weit entfernt davon gebaut wird. Am Standort im Westen ist zudem eine direkte Verbindung zur Medizinischen Fakultät möglich, ein zentraler Faktor für den Ärztlichen Direktor, der sich davon eine schnelle Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in der klinischen Praxis erhofft.

Der Neubau, sagt Klaus Markstaller, bedeute nicht, dass die Uniklinik keine Grund- und Regelversorgung mehr betreiben werde. Für die Augsburger Klinik sei es jedoch ein großes Problem, dass momentan viele Patienten im Umkreis von bis zu 100 Kilometern mit vergleichsweise banalen Krankheiten an anderen Krankenhäusern vorbeifahren und so Augsburger Notfallstrukturen belasten. Patienten müssten in der Folge aufgrund von Ressourcenengpässen zu oft warten.

Ein Tumor im Bauch sei objektiv kein Notfall, sagt Markstaller, subjektiv für Betroffene aber schon – solche Patienten leiden besonders unter längeren Wartezeiten. Die Trennung von akuter Versorgung und elektiven, also geplanten Eingriffen, soll auch in Krisensituationen helfen, die Patientenströme zu bewältigen. Das Gebäude für elektive Eingriffe könnten Patienten ohne Termin gar nicht mehr betreten, was die Planungen für Eingriffe deutlich erleichtert. „Wir könnten Patienten viel effektiver behandeln.“ Der Neubau sei „eine historische Weichenstellung für die Gesundheitsversorgung der Menschen in der ganzen Metropolregion Augsburg“ sowie darüber hinaus für weite Teile Schwabens, sagt Klaus Markstaller. Er setzt auf personalisierte Therapien, Interdisziplinarität, Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Eventuell soll auch ein Medizincluster mit Forschungsfeldern wie Medizintechnik oder Biomedizin sowie ein Gründungszentrum entstehen. „Wir arbeiten daran“, sagt der Sprecher des Universitätsklinikums, Richard Goerlich. Oberbürgermeisterin Eva Weber hofft auf einen wirtschaftlichen Schub für ihre Stadt durch junge Akademiker, die auf neue Studienplätze drängen und qualifizierte Arbeitskräfte, die Stellen im Uniklinikum und dem Medizin-Campus übernehmen. Der Augsburger Westen rund um die neue Klinik wird sich wandeln, die Stadt wird in eine bessere Anbindung an den Nahverkehr, in Schulen und in Kitas investieren müssen.

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