Augsburg:Wie Kommunalpolitiker Mandat und Familie besser vereinbaren können

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Nicht nur der Spagat zwischen Kinderbetreuung und Mandat macht ehrenamtlichen Kommunalpolitikern das Leben oft schwer. (Foto: Julian Stratenschulte/picture alliance/dpa)

Kommunalpolitiker geraten oft an ihre Grenzen, weil sie die Politik mit Beruf und Familie vereinbaren müssen. Die Stadt Augsburg will ihnen nun helfen.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Jutta Fiener freut sich, dass sich Augsburg nun auch aufmacht ins 21. Jahrhundert, wie sie es ausdrückt. Fiener ist Stadträtin für die Sozialfraktion, einen Zusammenschluss von SPD und Linke. Sie arbeitet schon lange in Teilzeit, um ihre Kinder betreuen zu können, hat so aber Nachteile, was die Aufwandsentschädigungen betrifft, die Vollzeitbeschäftigte und Selbstständige für ihre Stadtratstätigkeit bekommen. "Das ist eine Ungleichbehandlung", schimpft Fiener. Sie klagt deshalb in Absprache mit dem Ordnungsreferenten gegen die Stadt Augsburg, um die Frage grundsätzlich klären zu lassen. Unabhängig davon ist die Stadträtin hocherfreut, dass in Augsburg nun eine Kommission Vorschläge erarbeiten soll, wie die Stadtratstätigkeit besser mit Beruf und Familie vereinbart werden kann - die Rede ist von Kinderbetreuung während Sitzungen bis hin zu weniger Ausschüssen, um den Aufwand insgesamt geringer zu halten.

"Die Frage der Vereinbarkeit von Mandat und Familie und Beruf hat mich schon im letzten Wahlkampf umgetrieben", sagt Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Da hätten einige potentielle Kandidaten abgesagt, obwohl sie gerne wollten - sie hätten das kommunale Ehrenamt aber nicht stemmen können. Weber will die Situation deshalb rechtzeitig vor den nächsten Kommunalwahlen im Jahr 2026 entschärfen, und sie ist mit diesem Ansinnen nicht allein: Andere Städte wie Nürnberg haben bereits eine Kinderbetreuung während Sitzungen des Stadtrats organisiert. Wobei auch Weber betont, dass es nicht nur um Mütter und die Betreuung von Kindern geht. Manche Stadt- oder Gemeinderäte geraten an ihre Grenzen, weil sie Angehörige pflegen. Wieder andere haben Nachteile im Job, weil sie viel Zeit in ihre Nebentätigkeit als Politiker stecken: Sie müssen ja nicht nur Sitzungen besuchen, sondern sollen auch in der Gemeinde oder im Stadtviertel aktiv sein und haben meist noch Ehrenämter in Vereinen.

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Weber also hat für die neu eingesetzte Kommission in Augsburg schon mal einige Diskussionsansätze: Vertretungsregelungen, Sitzungszeiten, Anzahl der Ausschüsse und Gremien. Elf Mal tagt der Stadtrat im Jahr, mehrstündig. Hinzu kommen etwa 110 Sitzungen der verschiedenen Ausschüsse, meist wöchentliche Fraktionssitzungen sowie zahlreiche weitere Sitzungen von Beiräten, Verbands-, Aufsichts- und Verwaltungsratssitzungen. "Das ist eine Mammutaufgabe", sagt Weber, gerade in größeren Städten. Eltern, Alleinerziehende, Pflegende: Mit den bestehenden Regelungen werde es immer schwieriger, einen diversen Stadtrat zu formieren. Weber kündigte an, künftig den Finanz- und Stiftungsausschuss zusammenzulegen, um Zeitaufwand zu reduzieren. Die Sitzungen des Augsburger Stadtrats beginnen derzeit um 14.30 Uhr, auch das müsse auf den Prüfstand.

Bei hybriden Sitzungen kann es Probleme mit dem Kindergeld geben

Hilfreich für viele Kommunalpolitiker war in der Hochphase von Corona, dass bayernweit Stadt- und Gemeinderäte auch hybrid an Sitzungen teilnehmen durften, also zu Hause vor dem Computer. Die entsprechende Regelung wird nun im Freistaat dauerhaft installiert. Verena von Mutius-Bartholy (Grüne) vom Augsburger Regierungspartner der CSU allerdings hat als junge Mutter gerade schlechte Erfahrungen gemacht. Sie hat die Regelung mehrfach genutzt, dass man bis sechs Monate nach der Geburt eines Kindes digital an Sitzungen teilnehmen kann. Jetzt wird ihr das Elterngeld verwehrt, weil die Aufwandsentschädigungen für ihre Stadtratstätigkeit angerechnet werden. Mutius-Bartholy klagt deshalb gerade gegen den Freistaat.

Johannes Becher kennt solche Fälle ebenfalls. Im Rat seiner Heimatstadt Moosburg in Oberbayern gibt es auch eine Kollegin, die am Tag nach einer Operation vier Stunden in einer Sitzung verbrachte, weil die Mehrheitsverhältnisse knapp waren und eine wichtige Entscheidung anstand. Sie hatte noch monatelang mit den Folgen ihrer Verletzung zu kämpfen. "Für sie wäre es besser gewesen, sie hätte sich ein halbes Jahr Auszeit vom Stadtrat genommen und sich in der Zeit von ihrer Nachrückerin vertreten lassen." Becher sitzt im Stadtrat von Moosburg, ist aber vor allem Landtagsabgeordneter der Grünen. Als Sprecher für kommunale Fragen setzt er sich schon länger dafür ein, ehrenamtlichen kommunalen Politikern ihre Tätigkeit zu erleichtern.

Becher schlägt vor, dass sich Gemeinde- oder Stadträte temporär von ihren Nachrückern vertreten lassen können, sollten sie ihr Mandat für ein paar Monate nicht ausführen können. So wäre nicht nur Eltern geholfen oder Leuten, die eine Auszeit für die Pflege Angehöriger benötigen. Gerade junge Politiker hätten dann die Chance, ein Auslandssemester einzulegen, ohne gleich ihr Mandat aufgeben zu müssen. Die temporäre Vertretung ist keine Idee, die Becher sich ausgedacht hat. "In Österreich gibt es diese Möglichkeit seit Jahrzehnten und es wird reger Gebrauch davon gemacht." Vor zwei Jahren startete Becher eine entsprechende Gesetzesinitiative, die allerdings am Votum aller übrigen Fraktionen im Landtag scheiterte. "Wir bleiben dran", sagt Becher: "Ich habe noch von keinem besseren Modell gehört."

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