Der Juli werde in Augsburg ein Kulturmonat, hat Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) vor Wochen gesagt. Sie meinte damit nicht den wegen Corona sehr eingeschränkten Kulturterminkalender in der Stadt, sie meinte die Diskussion über die Finanzierung der Staatstheater-Sanierung - und sie sollte recht behalten. Bis zu 321 Millionen Euro soll die Sanierung mit Neubauten nun kosten, ursprünglich hatte der Stadtrat im Jahr 2016 mit 186 Millionen Euro gerechnet. Seit Ende Juni, seit die Baupreissteigerungen bekannt sind, streiten die Augsburger Fraktionen, nicht nur mit netten Worten. Am Donnerstag hat das schwarz-grüne Regierungsbündnis die Sanierung trotz der immensen Mehrkosten gegen starken Widerstand fast aller übrigen Fraktionen beschlossen.
Baustopp, Moratorium, Ratsbegehren - die Gegner der Sanierungspläne brachten am Donnerstag vergeblich vielfältige Vorschläge ein, wie die Stadt mit der Kostensteigerung umgehen sollte. Es ist eine Debatte, wie es sie in vielen deutschen und auch bayerischen Städten gibt: Wie viel Geld darf eine Stadt in die Kultur investieren, wenn gleichzeitig die Schulen marode sind und der öffentliche Nahverkehr zu teuer? Wie weit vor allem dürfen Preissteigerungen in Zeiten von Corona gehen, wenn die Haushaltslage ohnehin angespannter sein wird? Was ist die Strahlkraft solcher Bauwerke für den Standortfaktor einer Stadt wert? Es ist aber auch ein Thema, in das der Freistaat involviert ist: Die Staatsregierung hat zugesagt, 75 Prozent der förderfähigen Kosten der Sanierung zu übernehmen. Oberbürgermeisterin Eva Weber berichtete, dass der Freistaat auch die Kostensteigerungen mit der selben Fördersumme mittragen wird.
6,5 statt 3,8 Millionen Euro wird die Stadt nach neuer Kalkulation jährlich ausgeben müssen, hat die Oberbürgermeisterin ausgerechnet. "Ein überschaubarer Betrag", sagte sie, wenn auch keine Peanuts. Ob 2,8 Millionen Euro auch ein überschaubarer Betrag seien, wenn es künftig um Bildung und andere Themen gehe, fragte Florian Freund von der SPD. "Es wird Projekte geben, die wir uns dann eben nicht mehr leisten können", betonte etwa Bruno Marcon der Gruppierung "Augsburg in Bürgerhand", der schon angekündigt hat, ein Bürgerbegehren gegen die Sanierung initiieren zu wollen.
Die Kritiker stören sich vor allem daran, dass die Stadtregierung nicht bereits im Jahr 2016 Baupreissteigerungen konkret in die Kalkulation einberechnet hat. Ausschreibungen werden Jahr für Jahr teurer, das ist auf allen Baustellen so, und so erklären Verwaltung und Architekten nun hauptsächlich die Kostensteigerungen. Wobei, auch das brachte die SPD an: 30 Millionen Euro Teuerung seien so nicht zu erklären.
Die Debatte über das Staatstheater führen die Augsburger schon viele Jahre. In den 1950er-Jahren wurde das Haus nach dem Krieg wieder aufgebaut und seitdem nie richtig saniert. In der Kritik steht nun vor allem der sogenannte Bauteil II, mit dessen Bau noch nicht einmal begonnen wurde. Neben dem Großen Haus, der Hauptspielstätte, sollen Büros, Werkstätten und eine zweite Spielstätte entstehen. Während das Große Haus, an dem die Arbeiten schon begonnen haben, bislang mit 113 Millionen Euro noch innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens bleibt, soll das Bauteil II nun 115 Millionen Euro kosten - jährliche Baupreissteigerungen noch nicht einberechnet.
Dabei ist die Version schon abgespeckt, Verwaltung und Architekten haben ein Jahr lang an Einsparungen getüftelt und nun unter anderem das vierte Untergeschoss weggelassen und einen Orchesterprobenraum in das Betriebsgebäude integriert. Weitere Einsparungen etwa an der Technik, stellte Baureferent Gerd Merkle klar, würden zu Lasten der Zukunftsfähigkeit des Theaters gehen.
Die SPD betonte, nicht gegen das Staatstheater zu sein. "Augen zu und durch" könne aber nicht die Lösung sein. Die SPD will Zahlen auf dem Tisch haben, was es die Stadt kosten würde, die zweite Spielstätte und Werkstätten an einem anderen Standort in der Stadt zu unterhalten. Das wäre nach 15 Jahren teurer als ein Neubau, sagte die Oberbürgermeisterin. Es würde auch nicht funktionieren, verwahrte sich Intendant André Bücker: Das große Haus werde sinnlos ohne den Bauteil II gleich nebenan. Die Frage dürfe nicht lauten, ob sich die Stadt die Sanierung leisten könne. Sie müsse richtig lauten: "Kann es sich die Stadt leisten, solch einen Bau nicht zu haben."
Es ist das Argumentationsmuster, das auch CSU und Grüne verfolgen. "Augsburg darf sich nicht verzwergen", sagte etwa der Augsburger CSU-Kulturpolitiker Andreas Jäckel, der auch im Landtag sitzt. Das Staatstheater in der vorliegenden Planung zu sanieren, sei Aufgabe einer Stadt mit Anspruch. "Ein Theater bringt auch Geld in die Stadt", sagte Kerstin Kipp von den Grünen. Es gehe darum, da ist sich das Regierungsbündnis einig, das Theater für die nächsten 50 Jahre gut aufzustellen. Wenn die Stadt nun zu viel spare, würden die Bürger bei der Eröffnung enttäuscht sein. Nur ein zentraler Theaterstandort schaffe Platz für die freie Szene, um andere Spielorte zu nutzen. Im Jahr 2028 soll die Sanierung des denkmalgeschützten Theaters mit dem Neubau nebenan beendet sein.