"Was für ein Theater", das haben sich die Augsburger schon öfter gedacht, wenn es um die Sanierung ihres Staatstheaters geht. 340 Millionen Euro maximal sind dafür inzwischen veranschlagt, es war schon einmal deutlich weniger. Die Preissteigerungen sind seit Jahren das beherrschende Thema, wenn es um die Großbaustelle im Herzen der Stadt geht, aber darauf will der zentrale Satz der neuen Werbekampagne der Stadt gar nicht hinaus. "Was für ein Theater" ist eher wörtlich gemeint: Neben der Sanierung, die bis 2029 beendet sein soll, steigt Augsburg nun in ein sogenanntes Quartiersmanagement ein. Wie sollen die Freiflächen rund ums Theater genutzt werden, mit Rooftop-Bar, Kinderspielplatz und Kulturkaufhaus? Und wie soll sich das Viertel entwickeln rund ums neue Theater, hin zu einem Kulturkiez? Dazu beginnt die Stadt jetzt mit den Planungen und organisiert am Dienstag und Mittwoch eine Bürgerwerkstatt. Kulturreferent Jürgen Enninger sagt: "Wir wollen raus aus irgendwas mit Kultur für wenige hin zu einem Nutzen für alle."
Ein bisschen darf diese Offensive auch als Befreiungsschlag gewertet werden, weg von der Diskussion über die viel zitierte Kostenexplosion, hin zu konkreten Projekten für die Stadtentwicklung und zur Öffnung des Staatstheaters in die Mitte der Stadtgesellschaft. Wobei "Kostenexplosion" ohnehin der falsche Begriff ist, wenn es nach dem Kulturreferenten von den Grünen geht. Die Generalsanierung des Landestheaters in Coburg sei teuer, sagt er. Die anvisierte Milliarde für die Opernsanierung in Stuttgart viel Geld. Natürlich seien 340 Millionen Euro in Augsburg eine Belastung. "Aber ich sehe keine Baukostensprengung", sagt Enninger.
Zur Ruhigstellung von Kritikern tragen solche Sätze nicht unbedingt bei, aus Sicht von Enninger ist es aber so: Augsburg versteht sich als europäische Kulturmetropole mit überregionaler Strahlkraft. Nun soll es darum gehen: "Wie können wir das darstellen?" Und wie bringt man den Augsburgern den Mehrwert näher, den das Staatstheater künftig nicht nur einer kleinen Kulturelite bereiten soll? "Das Theaterquartier soll der Kristallisationspunkt für Kultur in der Stadt werden", hatte CSU-Fraktionsvorsitzender Leo Dietz im Sommer gesagt, als der Stadtrat den Weg für den Planungs- und Beteiligungsprozess für das Quartiersmanagement im anvisierten Theaterviertel ebnete.
Staatsbibliothek, Stadtbücherei, Leopold-Mozart-College - rund um das zu sanierende Staatstheater gibt es einige Kultureinrichtungen. Dies alles will Augsburg nun gemeinsam bedenken und Synergien nutzen, bis hin zu einer möglichen Verkehrsberuhigung der als "Stadtautobahn" bezeichneten Straße Grottenau, die das Theater vom unmittelbaren Zentrum der Stadt doch recht brutal abschneidet. "So ein Theaterbau verändert ein Viertel", sagt Enninger, weshalb die Bürger in den geplanten Veranstaltungen am Dienstag und Mittwoch mitsprechen sollen.
Das Theater wird sich öffnen für die freie Szene, die Stadt hält einen Spielplatz für denkbar und ein Kulturkaufhaus in den Räumen des Theaters. Damit nicht nur Menschen mit Eintrittskarten kommen, soll es auf dem Dach des Großen Hauses einen Stadtbalkon geben und außerdem ein öffentliches Restaurant. In der zweiten Spielstätte neben dem Großen Haus ist eine Dachbar geplant. Und wieso nicht auch vielleicht ein Open-Air-Lichtspieltheater? Gedankenspiele sind ausdrücklich erlaubt. Einige dieser angedachten Maßnahmen sind in den 340 Millionen Euro einkalkuliert, andere kämen als städtebauliche Maßnahmen obendrauf. Ein Problem? "Spielplätze", sagt Enninger, "braucht es doch sowieso."
Enninger und dem Kulturreferat schwebt "Instagramability" vor. Bis zu einem Fotomotiv, an dem kein Tourist vorbeikommt, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Aktuell sind die Abbrucharbeiten der maroden alten Bauten so gut wie beendet, im Großen Haus ist der Bühnenturm fertig und der Bühnentisch drin. Die Baugrube für die zweite Spielstätte ist ausgehoben, ein zwölf Meter tiefes Loch klafft dort momentan, Arbeiter gießen eine Fundamentplatte. 2028 soll das Große Haus fertiggestellt sein, 2029 dann auch das Kleine Haus. Die Entwicklung des Theaterquartiers ist also ein eher langfristiges Projekt, wenngleich eine Idee bereits im nächsten Jahr umgesetzt werden soll: Ein Theaterviertelfest soll dabei helfen, die größte Infrastrukturmaßnahme der Stadt ins Bewusstsein der Augsburger zu heben.