Römische Stadtgeschichte:Eine App lässt die Römer in Augsburg auferstehen

Lesezeit: 3 Min.

Die App Augusta Vindelicum lässt auch eine Lebensmittelhändlerin im antiken Augsburg sprechen. (Foto: 2av GmbH / Stadt Augsburg)

„Augusta Vindelicum“ heißt die Anwendung, die den römischen Alltag virtuell anhand echter Ausgrabungsstücke darstellt – und den Nutzer mitnimmt auf eine lohnenswerte Zeitreise.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Er hat Weißwein und Rotwein im Angebot. Die „edlen Tropfen“, wie er sagt, stehen vorn in der Auslage: der Süßwein aus Kreta zum Beispiel, der „ganz ausgezeichnet zum Nachtisch“ passt, den aber bis auf eine Flasche gerade ein wohlhabender Kunde aus dem Umland gekauft hat. Pompeianus Silvinus war Augsburger Römer, der sein Geld wahrscheinlich als Weinhändler verdient hat, wie es einem Relief auf seinem Grabmal zu entnehmen ist. Das Grabmal gibt es tatsächlich, es ist einer der zahlreichen Schätze der Augsburger Stadtarchäologie. Pompeianus Silvinus ist schon lange gestorben, nun aber wieder auferstanden – in der App „Augusta Vindelicum“, in der Augsburg seinen Besuchern die römische Historie der Stadt näher bringen will.

„Ein Viertel der Stadtgeschichte ist römische Geschichte“, sagt Kulturreferent Jürgen Enninger. „Das römische Erbe verdient eine angemessene und wertschätzende Sichtbarkeit.“ Gerade mit der angemessenen Präsentation aber hat die einst größte römische Siedlung im heutigen Bayern Probleme, seit 2012 das römische Museum wegen Statikproblemen schließen musste. Die aufwendig gestaltete App soll nun ein weiterer Schritt hin zu einem neuen römischen Museum sein, das Stadt und Freistaat gemeinsam stemmen wollen – und das Besucher durch Rätsel, Augmented Reality und lebensnah an Ausgrabungsfunden entlang erzählten Geschichten eintauchen lässt in das römische Leben, wie es einst Alltag war in Augsburg.

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Elf Stationen römischer Vergangenheit haben die Entwickler eingebunden in die virtuelle Führung, von der Markthalle, in der auch der Weinhändler fiktiv zu sprechen ist, über die Therme, die alte Stadtmauer und einen reichen Gutshof oder eine Töpfersiedlung im Umkreis des heutigen Augsburg. Man kann die App und damit die römische Geschichte Augsburgs zu Hause auf dem Sofa erkunden, Nutzer können sie aber auch wie einen Stadtführer handhaben, was einen entscheidenden Vorteil hat: Wer etwa an der Kohlergasse unweit des Hofgartens steht, dem blendet die App die Stadtmauer und ihren einstigen Verlauf in die heutige Umgebung ein. So erhält der Nutzer, sagt Stadtarchäologe Sebastian Gairhos, eine eindrückliche Vorstellung davon, wie hoch die Mauer und ihre einstigen Stadttore waren – auch im Vergleich zu den späteren, etwa genauso hohen mittelalterlichen Pendants.

„Die App bietet uns die Möglichkeit, die Topografie der Stadt und ihres Umkreises mit unseren Funden zu verknüpfen“, sagt Gairhos. Zum Beispiel auch beim Grabmal des Marcus Aurelius Carus, der es noch zu Lebzeiten hatte errichten lassen und das Archäologen 1998 bei Bauarbeiten in neun Teilen vollständig bargen. Nutzer der App können das Grabmal nach ihren Vorstellungen einfärben und sich von allen Seiten ansehen. Diese interaktiven Elemente sind eine Stärke der App, etwa wenn Nutzer durch die Küche einer reichen Gutshofbewohnerin stöbern können auf der Suche nach etwas Süßem. Oder wenn die App erklärt, wie eine römische Therme funktioniert oder – wieder zurück in der Markthalle – was die Römer gegessen und getrunken haben.

Die App Augusta Vindelicum lässt Nutzer eintauchen in die Lebenswelt der Römer im antiken Augsburg – wie hier in eine Töpfersiedlung. (Foto: 2av GmbH / Stadt Augsburg)

Die Markthalle gab es wirklich, ein monumentaler Bau, der zunächst aus Holzfachwerk bestand, bevor er um 100 nach Christus als Steingebäude errichtet wurde. In der App ist die Markthalle als 360-Grad-Ansicht gezeichnet, Nutzer dürfen den Weinladen, den Keramikladen und den Lebensmittelladen betreten, wo sie anhand einer tatsächlich gefundenen Amphore lernen, dass die Römer gerne Fischsauce zum Würzen verwendeten. Selbst Austern transportierten sie lebend auf den gut ausgebauten Straßen oder den Lech hinab in großer Menge, sodass sie frisch in Augsburg ankamen. Austernschalen, heißt es in der Information dazu, finden die Augsburger Stadtarchäologen immer wieder. Olivenöl dagegen, das verrät ein Quiz, wurde nicht nur zum Kochen verwendet, sondern auch als Sonnenöl und zur Beleuchtung in Öllampen.

Die integrierten Spiele – wer zu jedem der elf Stationen Fragen beantwortet, kann in der App Goldmünzen sammeln – sollen die Nutzer bei der Stange halten, sagt Cosima Götz von der Stabsstelle Stadtgeschichte. Dabei ist das gar nicht nötig: Die auf Englisch und Deutsch nutzbare App geht in ihren Funktionen weit hinaus über gewöhnliche Stadtführer. Sie ist zwar immer noch kein Museum, das die wohl bedeutendste Römerstadt im heutigen Bayern so dringend benötigen würde – aber sie lohnt sich nicht nur für Touristen, sondern auch für Einheimische.

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