Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik:Pflegeskandal in Augsburg: Kritik an Staatsregierung

Nach der Schließung eines umstrittenen Heims dringen Gesundheitsexperten im Landtag auf Verbesserungen.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Das Augsburger Pflegeheim Ebnerstraße ist geschlossen, die politische Aufarbeitung des Pflegeskandals dauert an. Am Dienstag beschäftigte sich der Gesundheitsausschuss des Landtags mit dem Fall, vor allem die SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann kritisierte die Staatsregierung hart: Es sei gut, dass sich nun etwas bewege und der Gesundheitsminister einen Fünf-Punkte-Plan zur Verbesserung der Pflege in Bayern vorgelegt habe. Doch die Vorschläge lägen seit Jahren auf dem Tisch, nie sei man das Problem mit Nachdruck angegangen. "Es ist tragisch, dass jetzt erst wieder Bewohner leiden mussten."

Die Stadt Augsburg hatte dem Heim am Wochenende den Betrieb untersagt, nachdem über Monate bei verschiedenen Kontrollen immer wieder Mängel aufgetreten waren, die offenbar nur teilweise abgestellt wurden. Vor allem das Wundmanagement sei ein Problem gewesen, wie es vom zuständigen Sprecher des Ministeriums nun im Ausschuss hieß. Einige Bewohner des Seniorenheims Ebnerstraße sind laut dem Gesundheitsreferenten der Stadt Augsburg, Reiner Erben, sogar direkt in ein Krankenhaus eingeliefert worden, weil es ihnen aufgrund der Pflegemängel schlecht ging. Der Träger des Heims ist dasselbe italienische Unternehmen, das auch die Seniorenresidenz Schliersee betrieb, bevor dieses im vergangenen Jahr geschlossen wurde. Auch damals gab es breite Diskussionen, was sich in der Pflege in Bayern ändern müsse.

Anlaufstelle soll anonyme Beschwerden ermöglichen

"Ich bin erschüttert, dass wir nun schon wieder hier sitzen und das gleiche diskutieren", sagte deshalb die SPD-Landtagsabgeordnete Waldmann, während Vertreter der CSU und des Gesundheitsministeriums das schnelle Durchgreifen der Behörden im Augsburger Fall lobten. Das sah die Opposition anders. "Sie haben kontrolliert, dann kam der mediale Aufschlag, dann wurde reagiert. Das ist ein Punkt, der mir sehr aufstößt", kritisierte Dominik Spitzer von der FDP. Waldmann betonte, dass der Fünf-Punkte-Plan von Minister Klaus Holetschek "aus lauter bisher abgelehnten Vorschlägen" bestehe, die teils schon seit Jahren diskutiert würden.

So soll eine Pflege-SOS-Anlaufstelle niedrigschwellig anonyme Beschwerden über Missstände ermöglichen. Der Ministeriumssprecher betonte im Gesundheitsausschuss auch, dass gesetzliche Veränderungen in Angriff genommen würden, um die Hürden für Betriebsuntersagungen herabzusetzen und den Aufsichtsbehörden schnelleres und effizienteres Eingreifen bei Missständen zu ermöglichen. Schließlich soll die Organisation und Qualitätsentwicklung in den Häusern selbst verbessert werden.

Die anonyme Anlaufstelle für Beschwerden soll aus Sicht des Ministeriums helfen, die Kontrollen zu verbessern. Kontrolleure beobachten während Kontrollen Pfleger bei der Arbeit, die sich dann meist anders verhalten als im Alltag. Man sei deshalb auf Beschwerden angewiesen, um gezielt hinschauen zu können. Kerstin Celina (Grüne) drang darauf, auch die Rolle der Heimaufsicht zu überdenken, die gleichzeitig beraten, kontrollieren und sanktionieren müsse. "Das ist eine quasi unmögliche Aufgabe."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5534474
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/gru
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.