Augsburg:Strafbefehl gegen Milliardärstöchter

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Das Vermögen der Familie von Curt Engelhorn (mit Frau Heidi) wird auf 3,2 Milliarden Euro geschätzt.

(Foto: Michael Buckner/Getty)
  • Die zwei Töchter des Milliardärs Curt Engelhorn sollen gemeinsam mit ihrem Vater 440 Millionen Euro Schenkungssteuer hinterzogen haben.
  • Das ist mehr, als Fußball-Manager Uli Hoeneß hinterzogen hat, der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
  • Trotzdem kommen sie nun mit einer Bewährungsstrafe davon.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Die zwei Töchter des Milliardärs Curt Engelhorn hatten sich in München zu einer Shopping-Tour verabredet. Der Einkaufsbummel endete im Gefängnis, die Polizei nutzte den Ausflug zum Zugriff. Eine Schwester verbrachte die nächsten Tage mit ihren Kindern, wenige Monate und drei Jahre alt, in der Mutter-Kind-Station der Justizvollzugsanstalt Aichach. Die andere Schwester wurde in München-Stadelheim eingesperrt.

Es war eine groß angelegte Aktion damals im Oktober 2013. Die Behörden gingen von 440 Millionen Euro Steuerhinterziehung aus. Die zuständige Staatsanwaltschaft Augsburg ließ ein Gestüt einer Tochter bei Landsberg und ihre Wohnung in Augsburg durchsuchen und etliche weitere Gebäude im Bundesgebiet. In Hamburg wurde auch der renommierte Münchner Steueranwalt Reinhard Pöllath festgenommen.

Der Fall Engelhorn wird in Juristenkreisen als eines der größten Steuerstrafverfahren Deutschlands bezeichnet. Doch trotz des großen Aufwands wird am Ende wohl nicht viel übrig bleiben. Das Verfahren wird nun mit zwei Strafbefehlen vom Amtsgericht erledigt. Diese sehen für jede Schwester, beide sind Anfang 40, eine Bewährungsstrafe und eine Geldauflage in Höhe von zwei Millionen Euro vor.

440 Millionen Euro Schenkungssteuer sollen hinterzogen worden sein

Das klingt geradezu mickrig angesichts des ursprünglichen Vorwurfs: Die Augsburger Staatsanwälte wussten, dass Engelhorn seinen Töchtern eine Villa am Starnberger See und ein Gestüt in Reichling bei Landsberg geschenkt hatte - plus die Hälfte seiner Karibik-Insel "Five Star Island". Dabei sollen er und seine Töchter 440 Millionen Euro Schenkungssteuer hinterzogen haben.

Doch offenbar waren die Beweise der Staatsanwaltschaft nicht stichhaltig, denn nach wenigen Tagen wurden die Schwestern und ihr Anwalt wieder freigelassen. Die beiden Frauen zogen sogleich in die Schweiz um, legten die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nahmen die schweizerische an.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind die Ermittlungen wegen der Schenkungssteuer inzwischen eingestellt. Grund: Strafrechtlich ist die Steuerhinterziehung bereits verjährt. Nur steuerrechtlich hatten die Behörden noch eine Handhabe.

Kein Gefängnis - obwohl sie wohl mehr Steuern hinterzogen haben als Uli Hoeneß

Deshalb haben die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Familie einen eleganten Deal ausgehandelt, der keiner Seite übermäßig wehtut: Die Schwestern erstatten dem Finanzamt eine dreistellige Millionensumme zurück, zudem akzeptieren sie einen Strafbefehl mit einer Bewährungsstrafe und einer Geldauflage in Höhe von zwei Millionen Euro. Die Frauen kommen also mit einem blauen Auge davon: Sie müssen nicht ins Gefängnis, obwohl sie offenbar viel mehr Steuern hinterzogen haben als Fußball-Manager Uli Hoeneß, der 2014 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

Die Millionen zahlen die Engelhorn-Schwestern quasi aus der Portokasse. In der jüngsten Manager-Magazin-Rangliste der reichsten Deutschen liegt die Familie auf Platz 37 - mit einem Vermögen von 3,2 Milliarden Euro. Vater Curt Engelhorn ist Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn und war Eigentümer der Pharma-Firma Boehringer Mannheim, bis er das Unternehmen 1997 für etwa 19 Milliarden Mark verkaufte. Auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt rangiert er auf Platz 230 - hier wird sein Vermögen auf 5,7 Milliarden Euro geschätzt.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg sagt auf Anfrage nichts zum Fall Engelhorn - er beruft sich auf das Steuergeheimnis. Auch die Anwälte der Familie Engelhorn schweigen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib fordert eine "umgehende Aufklärung" des Falls: "Uns stellen sich gerade vor dem Hintergrund des Falls Hoeneß Fragen nach der Sachbehandlung durch die bayerischen Steuerbehörden und die Staatsanwaltschaft."

Die Folgen für Anwalt Reinhard Pöllath sind wohl gewichtiger

Nach SZ-Informationen hat das Amtsgericht Augsburg die Strafbefehle inzwischen zugestellt. Sie werden rechtskräftig, sobald die Geldauflage bezahlt ist - oder wenn innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung kein Einspruch eingelegt wird.

Während die Sache für die Schwestern glimpflich ausgegangen ist, muss sich Reinhard Pöllath wohl länger mit den Folgen des Falles herumschlagen. Der Münchner Steueranwalt, der im Aufsichtsrat der Beiersdorf AG sitzt und etliche andere namhafte Mandanten berät, muss um seinen guten Ruf als Spezialist in der "Nachfolge- und Vermögensberatung" fürchten.

Durch die "Affäre" habe seine Kanzlei "einen Kratzer bekommen", schreibt das Handelsblatt. Und das, obwohl bezüglich der Schenkungssteuer die Ermittlungen gegen ihn wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ebenfalls eingestellt wurden. Er und seine Kanzlei P+P Pöllath+Partners wollten keine Stellungnahme zu den Ermittlungsverfahren abgeben.

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