Luftangriff:Als 500 Bomber der Alliierten die Augsburger Innenstadt zerstörten

Augsburg Zweiter Weltkrieg Bomben

Nach der Bombennacht vor 75 Jahren lag die Augsburger Innenstadt in Trümmern. Von den Häusern in der Jakoberstraße, wo auch Werner Gindorfer damals lebte, blieb nicht viel übrig.

(Foto: Stadtarchiv Augsburg)

Am 25. und 26. Februar 1944 kamen in Augsburg 730 Menschen ums Leben. Werner Gindorfer erlebte die Angriffe als 15-Jähriger - und bewahrt seitdem ein seltsames Erinnerungsstück auf.

Von Thomas Balbierer, Augsburg

Ein Schweinsbraten ist Werner Gindorfers einziges Erinnerungsstück an die Zeit, bevor alliierte Fliegerbomben sein Zuhause und die restliche Augsburger Innenstadt in Schutt und Asche legten - ein Stück Fleisch in einem Einmachglas. Den Braten, den seine Mutter kurz vor den schweren Luftangriffen am 25. und 26. Februar 1944 zubereitet hatte, fand der damals 15-Jährige Tage später in den Trümmern seines früheren Zuhauses. Von dem mehrstöckigen Haus in der Jakoberstraße war fast nichts übrig geblieben. Doch das Schweinsbratenglas gibt es heute noch. Es steht in einer kleinen Ausstellung des Augsburger Stadtarchivs zum 75. Jahrestag des Bombardements.

Werner Gindorfer, Jahrgang 1928, ist einer der wenigen verbliebenen Zeitzeugen, die die schweren Luftangriffe auf die Stadt während des Zweiten Weltkriegs noch selbst erlebt haben. Damals attackierten erst amerikanische und später britische Flieger die Stadt. Es war der erste und einzige Luftschlag dieser Dimension gegen Augsburg. Mindestens 730 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter auch viele Zwangsarbeiter, etwa 80 000 Menschen verließen die Stadt. Die Nacht vom 25. auf den 26. Februar ging als Bombennacht in die Stadtgeschichte ein.

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Auch die Karolinenstraße war schwer getroffen.

(Foto: Stadtarchiv Augsburg)

"Wir dachten, wir wären sicher", sagt Gindorfer, 90, heute. Weil Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß 1941 von Augsburg aus nach England geflogen war, um den Briten Friedensgespräche anzubieten, rechnete der junge Werner Gindorfer damit, dass die Alliierten Augsburg verschonen würden. Es sollte anders kommen. Die ersten Bomben fielen am Freitag zwischen 13.54 und 14.23 Uhr. Ihr Ziel: die Messerschmitt-Werke in Haunstetten. "Die Bomber hatten 370 Tonnen Sprengbomben und 134 Tonnen Brandbomben über dem Ziel abgeladen", schreibt der Historiker Markus Pöhlmann von der Uni Potsdam in seinem Buch "Es war gerade, als würde alles bersten - Augsburg im Bombenkrieg".

Die Stadt galt als wichtiger Rüstungsstandort der Nazis. Neben dem Flugzeug-Hersteller Messerschmitt sei auch MAN ein "Top-Ziel" für Amerikaner und Briten gewesen, so Pöhlmann. Tatsächlich sei Augsburg aber während des Luftkrieges lange außer Reichweite der alliierten Flieger gewesen, sagt Pöhlmann. Erst um 1944 konnten sie dank moderner Waffentechnik und neuen Stützpunkten in Italien auch so südlich gelegene Städte wie Augsburg treffen.

Der Angriff am frühen Freitagnachmittag versetzte die Bevölkerung zwar in Alarmbereitschaft. Trotzdem ging das Leben in der Stadt zunächst weiter. Das Kreischen des Fliegeralarms gehörte in deutschen Städten 1944 zum Kriegsalltag. Werner Gindorfer erinnert sich, dass er während der Attacke auf die Messerschmitt-Werke zuhause zu Mittag aß und dann an seinen Arbeitsplatz in einer Stoffdruckerei zurückkehrte. Erst als der Vater die Familie abends in den Bunker im Hinterhof des Hauses schicke, kriegte es der 15-Jährige mit der Angst zu tun. In der Nacht auf Samstag flogen nämlich die Briten zwei schwere Angriffe auf die Innenstadt. "Wir hatten mehr als Angst", sagt Gindorfer über die Nacht im Bunker. "Manche haben gebetet, manche haben geweint." Wenn die Bomben fielen, sei es ganz still gewesen, sagt der 90-Jährige. Dann habe man nur das Pfeifen der abgeworfenen Sprengkörper gehört. An Schlaf nicht zu denken.

Knapp 500 Kampfflugzeuge erreichten Augsburg

Die britischen Luftschläge zielten anders als die der Amerikaner nicht nur auf die Rüstungsindustrie, sondern auch auf Wohngebiete. "Die Städte wurden bombardiert, um die Zivilbevölkerung zu demoralisieren und die NS-Herrschaft zu unterminieren", sagt Markus Pöhlmann. Allerdings hatte das eine Vorgeschichte: Deutsche Bomber hatten bereits 1940 im Zuge der Luftschlacht um England britische Städte attackiert - so etwa Coventry. Das Bombardement der Briten auf Augsburg in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar bestand aus zwei Wellen, in denen insgesamt knapp 500 Kampfflugzeuge Augsburg erreichten.

Sie ließen zunächst sogenannte Christbäume auf die Stadt sinken, Leuchtkörper, die langsam herabglitten und die Stadt erhellten. "In der Nacht müssen die Piloten ihre Ziele erst einmal finden", sagt Pöhlmann. Dann folgte ein Mix aus Brand- und Sprengbomben, um die massiven Gebäude der Augsburger Innenstadt zu brechen. Dort brachen zahlreiche Brände aus, Zeitzeugen berichteten später von einem "Feuermeer". Aber zu einem Feuersturm wie zum Beispiel in Hamburg, bei dem sich mehrere Brände zu einem Großbrand entwickelten und eine eigene Dynamik entfalteten, kam es in Augsburg nicht, betont der Historiker. "Es war eine sehr kalte Nacht mit minus 18 Grad Celsius."

Dennoch lag die Stadt am nächsten Tag unter einer riesigen Wolke aus Asche und Ruß. "Es wurde erst gegen 11 Uhr hell", erinnert sich Werner Gindorfer. "Es war unmöglich, durch die Jakoberstraße zu gehen. Alles hat gebrannt." Die Familie verließ den Bunker und rettete sich an einen Ort außerhalb Augsburgs, wo sie bei einem Bauern Zuflucht fand.

Die Stadt war verwüstet

Die Stadt war schwer getroffen, von den 185 000 Einwohnern verließen etwa 80 000 die Stadt. Eine Ausstellung des Augsburger Stadtarchivs zeigt historische Fotos und Dokumente und veranschaulicht die Verwüstung: Hausfassaden waren nur noch leere Kulissen, bedeutende Bauten wie das Rathaus, das Theater oder das Weberhaus lagen in Trümmern. Wer nun einen Rundgang durch die Ausstellung im Rathaus macht, muss auf den Bildern genau hinsehen, um Menschen zu entdecken, der Schutt überlagert alles. Trotzdem sei das Ausmaß der Zerstörung in Augsburg eher durchschnittlich, sagt der Architektur-Historiker Gregor Nagler, der die Ausstellung konzipiert hat. "In Augsburg wurden zwischen 25 und 30 Prozent der Wohnungen zerstört. In Würzburg dagegen 90 Prozent", sagt er.

Ihr Ziel, die Stadtbevölkerung zu demoralisieren, hätten die Alliierten nicht erreicht. Zu diesem Schluss kommt Kerstin Lengger, die stellvertretende Leiterin des Augsburger Stadtarchivs. Sie und ihr Team haben Dokumente aus der Zeit ausgewertet und mit Zeitzeugen gesprochen. Lengger sagt, dass der Kriegsalltag auch nach dem Luftangriff einfach weitergegangen sei. "Die Menschen haben das System nicht hinterfragt, sie haben einfach funktioniert."

Auch Werner Gindorfer hatte als 15-Jähriger keine Gelegenheit, die Erlebnisse zu verarbeiten. Kurz nach der Bombennacht wurde er zur militärischen Ausbildung nach Harburg geschickt. "Man wurde nicht gefragt. Wir waren eingebettet in den ganzen Verein", sagt Gindorfer über die NS-Diktatur. Er landete bei der Luftabwehr und wurde an der Grenze zu Frankreich stationiert. Den Krieg überlebte er körperlich unbeschadet. Den Braten der Mutter behielt er als Erinnerung an eine "grausame Zeit", wie er sagt. "Eigentlich war es Wahnsinn, ihn aus den Trümmern zu bergen", sagt Gindorfer 75 Jahre später und lacht kurz. "Aber sonst hatte ich ja nichts mehr."

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