Süddeutsche Zeitung

Haft oder Therapie:Neuer Prozess gegen pädophilen Kinderarzt

Der 43-Jährige hatte mindestens 20 Buben missbraucht und ein Opfer sogar betäubt und entführt. Jetzt geht es um seine Schuldfähigkeit.

Aus dem Gericht von Christian Rost, Augsburg

Der Prozess gegen einen pädophilen Kinderarzt aus Augsburg wird seit Montag neu aufgerollt. Der 43-Jährige hatte über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg mindestens 20 Buben missbraucht und an seiner letzten Arbeitsstelle im niedersächsischen Garbsen einen Fünfjährigen betäubt, entführt, sich an ihm vergangen und ihn benommen ausgesetzt. Das Landgericht Augsburg hatte den Mediziner im Jahr 2016 zu dreizehneinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt und ein Berufsverbot verhängt. Er legte Revision ein und hatte damit Erfolg: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf, weil nach seiner Ansicht nicht gründlich genug geprüft wurde, ob der Mann aufgrund einer psychischen Störung vermindert schuldfähig war.

Der Fall wird nun von einer anderen Strafkammer am Landgericht Augsburg neu verhandelt. Zum Auftakt am Montag wurden die bisherigen Gerichtsentscheidungen verlesen. Unstrittig ist, dass der Arzt die Taten begangen hat. Dies hatte er im ersten Verfahren ohne Umschweife eingeräumt. Demnach suchte er sich in seiner Freizeit Kinder als Opfer, darunter auch die von Bekannten, lockte sie etwa in Kellerabgänge und missbrauchte sie. Zunächst begrapschte er die Buben - sein jüngstes Opfer war vier Jahre alt -, dann wurden seine Übergriffe immer aggressiver. Der Augsburger, der zeitweise beim Roten Kreuz in seiner Heimatstadt Dienste übernahm, missbrauchte auch gezielt Buben aus sozial benachteiligten Familien, wofür er Ausflüge organisierte. Im Oktober 2014 wurde er festgenommen.

In dem neuerlichen Prozess soll geprüft werden, ob der Angeklagte statt im Gefängnis zunächst zur Therapie in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden muss. Eine Nebenklageanwältin sagte, es sei "aus Opfersicht eine Katastrophe", dass sie erneut vor Gericht erscheinen und aussagen müssten. Für das Verfahren sind noch 18 Verhandlungstage angesetzt, das Urteil soll Ende Januar gesprochen werden.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2018 / chro/huy
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