Geschichte Bayerns:Wie Augsburg und Kempten römische Geschichte erlebbar machen wollen

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Private Therme eines römischen Wohn- und Geschäftshauses – die römischen Steinbauten im heutigen Kempten gehören zu den ältesten in Deutschland. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die beiden ältesten römischen Städte in Bayern wollen bei der Vermittlung ihres antiken Erbes kooperieren – auch mit Blick auf die Landesausstellung 2028, die Augsburg endlich ein römisches Museum bringen soll.

Von Florian Fuchs, Kempten

Augsburg und Kempten sind die beiden ältesten Städte in Bayern, gegründet von den Römern. Cambodunum und Augusta Vindelicum hießen die Zentren, bis heute sind die beiden Städte stolz auf ihre mehr als 2000-jährige Tradition. Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es jedoch grundlegende Unterschiede: Augsburg war der militärische Fixpunkt und deutlich länger von den Römern besiedelt, Kempten gilt als erste befestigte Stadt in Bayern. Während Archäologen in Kempten den Grundriss des damaligen Cambodunum vollständig nachzeichnen können, haben die Augsburger die bedeutenderen Funde – so ist es nicht lange her, dass sie mehr als 5500 Silbermünzen ausgruben, den „größten Silberschatz“, der je in Bayern aus der römischen Zeit gefunden wurde. Augsburgs Stadtarchäologe Sebastian Gairhos sagt: „In Kempten kann man das Leben der Römer nachempfinden, in Augsburg die Reichsgeschichte.“

Sie ergänzen sich bestens, die beiden schwäbischen Römer-Standorte, und diesen Trumpf wollen sie künftig verstärkt ausspielen. Wer sich über Römer in Süddeutschland informieren möchte, soll nach Augsburg und Kempten reisen, so lautet der Plan. Grundlage dieser vertieften Kooperation ist ein „Interpretation Framework“, das beide Städte in Großbritannien in Auftrag gegeben haben. Der Blick von außen sollte Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten und deutlich machen, wie eine Zusammenarbeit aussehen kann – auch mit Blick auf die von der Staatsregierung angekündigte Landesausstellung 2028 zum römischen Erbe Bayerns, die unter anderem in Augsburg und Kempten stattfinden soll. Und die Augsburg helfen soll, endlich wieder ein römisches Museum zu eröffnen.

Augsburg und Kempten, so beschreiben es die Archäologen, stehen in ihrer Bedeutung als antike Stätten auf einer Stufe mit römischen Städten des Nordens wie Köln, Mainz, Trier und Xanten. Kempten ist gut aufgestellt, was die Vermittlung des Erbes anbelangt: Von keiner anderen römischen Stadt nördlich der Alpen gibt es einen solch vollständigen Grundriss. Besucher des Archäologischen Parks können dort spazieren gehen, wo auch die Römer vor 2000 Jahren wandelten. Sie können sich dann vor Ort in einer App sogar ansehen, wie ihre unmittelbare Umgebung damals ausgesehen hat. Von solch einer Vermittlung ist Augsburg weit entfernt: Eine App wird gerade erstellt, dringend benötigt aber wird ein Museum.

Die Studie empfiehlt denn auch Kempten, seinen Erlebnisort auszubauen und noch besser zu vermarkten als einzigen Ort in Bayern, an dem es möglich sei, sich ein vollständiges Bild von Aufbau und Funktionsweise einer römischen Stadt zu machen und ins Alltagsleben mit seinen Gebäuden und Straßen einzutauchen. Die Besucherzahlen sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen.

Augsburg dagegen empfehlen die britischen Forscher ein römisches Museum, das über seine hochwertigen archäologischen Funde mit zahlreichen Inschriften, Skulpturen und monumentaler Architektur die Geschichte und Funktion einer römischen Provinzhauptstadt und ihres Hinterlands angemessen darstellt – mit Multimediastationen im Stadtraum und partizipativen Vermittlungskonzepten.

Sebastian Gairhos, Leiter der Augsburger Stadtarchäologie, hält eine antike Öllampe in der Hand. (Foto: Stefan Puchner/dpa)
Mehr als 5600 Silbermünzen aus Augsburg: Der wenige Jahre alte Fund ist der größte je entdeckte Silberschatz aus der Römerzeit im heutigen Bayern. (Foto: Andreas Brücklmair/Kunstsammlungen & Museen Augsburg)
Auch in Kempten finden Archäologen Münzen und werten sie dann an in München aus. (Foto: Catherina Hess)
Eine Scherbe, gefunden im heutigen Kempten, wird vermessen – am Computer kann so das ursprüngliche Gefäß nachgebildet werden. (Foto: Catherina Hess)

Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU) und Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) wollen, wie sie sagen, den Bürgern die römische Geschichte wieder als ihre eigene Geschichte vermitteln und die römische Vergangenheit ins Bewusstsein rücken. „Ein erster Schritt ist getan, aber weitere müssen folgen. Mit der Landesausstellung 2028 in Kempten und Augsburg ist der erste Meilenstein in Sicht, weshalb nun eine enge Zusammenarbeit nötig ist“, sagt Weber.

Die angekündigte Landesausstellung soll nicht nur temporär wirken, sondern bleibende Bauten hinterlassen: In Kempten soll nach Vorstellungen von Kulturamtsleiter Martin Fink ein Schutzbau über der Ausgrabungsstätte Insula 1 entstehen, wo Archäologen ein repräsentatives römisches Wohnhaus mit privater Therme freigelegt haben. Augsburg hat eine Machbarkeitsstudie für ein römisches Museum in Auftrag gegeben. Bisher scheiterte ein Neubau stets an den Finanzen und auch am politischen Willen. Letzterer ist seit einiger Zeit verstärkt zu erkennen, auch in der Staatsregierung. Was das Geld anbelangt, soll jetzt der Freistaat helfen.

Mehr als 400 Jahre siedelten die Römer in Augsburg, bei Neubauprojekten legen Archäologen stets aufs Neue spektakuläre Funde frei. Teils kann Stadtarchäologe Gairhos sogar die Biografien und Migrationsgeschichte einzelner Bewohner von Augusta Vindelicum nachzeichnen. „Wir kriegen alle paar Jahre einen sensationellen Fund, da braucht man eine Spielfläche, Platz und museale Flexibilität, um die Geschichte dahinter zu vermitteln.“ Weil noch so viel römisches Erbe unversehrt tief im Boden steckt, wäre es in Augsburg ein Leichtes, ein Museum lebendig zu halten und immer wieder umzugestalten. So könnten, sagt Gairhos, Besucher ein zweites Mal angelockt werden, weil die Dauerausstellung über die Jahre hinaus interessant bleibe.

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