Misshandlungsskandal in der JVA Gablingen:Haben Gefängnis-Mitarbeiter Unterlagen geschreddert? 

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In der Justizvollzugsanstalt Gablingen sollen Insassen in sogenannten besonders gesicherten Hafträumen menschenunwürdig eingesperrt worden sein. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Massive Vorwürfe gegen JVA-Mitarbeiter beschäftigen die Staatsanwaltschaft – die Zahl der Beschuldigten wächst. Auch das Justizministerium steht in der Kritik, Minister Eisenreich muss am heutigen Donnerstag im Landtag Rede und Antwort stehen.

Von Florian Fuchs, Johann Osel, Augsburg/München

Es geht um Körperverletzung im Amt, es stehen tätliche Übergriffe auf einzelne Häftlinge im Raum. Und zwar in sogenannten besonders gesicherten Hafträumen (bgH), speziellen Zellen, in denen Gefängnisse Inhaftierte unterbringen, die zum Beispiel akut suizidgefährdet sind. Darin sollen Gefangene in der JVA Augsburg-Gablingen teils viele Tage, nackt und ohne Licht, ohne Matratze und mit kaum etwas zu essen eingekerkert worden sein. Die Vorwürfe, die zunächst eine frühere Anstaltsärztin sowie die Augsburger Rechtsanwältin Alexandra Gutmeyr publik gemacht haben, betreffen auch das bayerische Justizministerium: Hätte die Aufsichtsbehörde früher eingreifen müssen? An diesem Donnerstag steht Justizminister Georg Eisenreich (CSU) im Landtag zum Misshandlungsskandal Rede und Antwort.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt derzeit gegen insgesamt 16 Beschuldigte, darunter die stellvertretende Leiterin des Gefängnisses. Mehrere frühere Bedienstete, darunter die Ärztin und ein Kollege sowie ein evangelischer Anstaltsseelsorger, machen ihr Vorwürfe und haben diese teils bereits vor einem Jahr auch dem Justizministerium gemeldet. So soll sich der Umgang mit Häftlingen seit ihrem Amtsantritt Anfang 2023 in der JVA Gablingen extrem verschärft haben. Es gibt Berichte, wonach Kontrolleure der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter bei Besuchen im Gefängnis getäuscht worden sein sollen.

Die Zahl der Beschuldigten ist, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte, von zunächst zehn auf jetzt eben 16 gestiegen. Darunter fällt auch ein Verfahren gegen drei Mitarbeiter wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung – sie sollen in den vergangenen Tagen Unterlagen geschreddert haben, die möglicherweise Beweise enthalten. Noch vorhandene Schnipsel wurden von der Kriminalpolizei sichergestellt, derzeit werde geprüft, was man wiederherstellen kann. Zudem wird nun ermittelt, ob es beim Einsatz von einem oder mehreren Bediensteten der JVA Gablingen in einem anderen bayerischen Gefängnis zu strafrechtlich relevanten Übergriffen gekommen ist.

Eisenreich teilte vor einer Woche mit, die Fachabteilungen seines Hauses hätten die Vorwürfe der Anstaltsärztin damals geprüft, Maßnahmen unternommen und auch die Staatsanwaltschaft darauf angesetzt. Er persönlich sei aber seinerzeit nicht darüber informiert worden.

Die Beschuldigten sind vorläufig vom Dienst suspendiert worden, das Justizministerium hat ihnen auch ein Betretungsverbot für die JVA auferlegt. Auch die Leiterin des Gefängnisses, gegen die nicht ermittelt wird, ist vorläufig ihres Amtes enthoben worden – um die Ermittlungen zu erleichtern, wie es hieß. Die JVA wird derzeit kommissarisch geführt. Die Anwälte der stellvertretenden Leiterin betonen, dass „Anschuldigungen, wonach Inhaftierte durch die Umstände der Unterbringung unter menschenunwürdigen Bedingungen behandelt worden seien“, jeglicher Grundlage entbehrten. Sie betonen die Unschuldsvermutung und verweisen darauf, dass etwa Unterbringungen von Häftlingen in besonders gesicherten Hafträumen dem Wissen und der Kontrolle des Justizministeriums unterliegen.

Justizminister Eisenreich räumte auf einer Pressekonferenz Ende vergangener Woche mögliche Fehler seines Ressorts ein: „Möglicherweise hat man in der Vergangenheit auch hier im Haus die Dimension der Vorfälle unterschätzt. Rückblickend muss man sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen noch mehr hätte passieren sollen.“ Eisenreich nannte die Vorwürfe „gravierend“. Wenn in einem Rechtsstaat der Vorwurf von Übergriffen und Misshandlungen im Raum steht, erschüttere dies das Vertrauen der Menschen in die rechtsstaatlichen Institutionen. „Die Menschenwürde ist unantastbar“, das gelte überall, auch für Gefangene. Eisenreich hat eine Taskforce eingerichtet, die die Aufarbeitung im Justizministerium vorantreiben soll. Die Unterbringung in speziellen Hafträumen soll in allen Gefängnissen im Freistaat künftig einem Monitoring unterliegen.

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Von Florian Fuchs

SPD und Grüne wollen schnell Antworten, sie haben Fragen eingereicht, die der Justizminister nun im Rechtsausschuss beantworten soll. „Was nützen Anstaltsbeirat, Transparenz und hehre Sprüche, wenn sich in einer modernen Justizvollzugsanstalt in Bayern solche mutmaßlichen Vorfälle häufen?“, fragt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Horst Arnold. Toni Schuberl, Sprecher für Recht der Landtags-Grünen, kritisiert: „Wenn man sich alles ansieht, was bisher bekannt ist, ist es schon schwer irritierend, dass nicht viel früher eine intensive Kontrolle in der betreffenden JVA stattgefunden hat.“

Im Zentrum der Kritik steht dabei auch Justizminister Eisenreich selbst. Grüne und SPD fragen sich etwa, wie es sein kann, dass bei derart gravierenden Vorwürfen ein Ressortchef nicht informiert wird. Was zugespitzt auf die Frage hinaus läuft, wie gut ein Ministerium geführt wird. Schuberl hat auch „den Eindruck, dass das Justizministerium eine Vertuschung durch die JVA hingenommen hat“. Eine Rücktrittsforderung hat die Opposition bislang nicht erhoben. Vorerst zumindest, wie SPD-Mann Arnold betonte. Er verwies ausdrücklich darauf, man wolle „nicht krakeelen, sondern auf Faktenbasis arbeiten“. Der Auftritt des Ministers jetzt im Landtag dürfte dazu beitragen.

Von der CSU erhielt Eisenreich nach seiner Pressekonferenz zu den Vorwürfen demonstrativ Rückhalt, Absetzungsbewegungen in den Regierungsfraktionen CSU und FW sind bislang nicht vernehmbar. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek teilte mit, der Minister habe „die Abläufe plausibel erklärt. Er geht damit den Weg der transparenten und lückenlosen Aufklärung“. Eisenreich ist seit 2018 Justizminister und genießt eigentlich den Ruf einer untadeligen Amtsführung. Unter seiner Ägide wurden die Ermittlungsstrukturen in Bayern modernisiert, durch Zentralstellen und spezialisierte Staatsanwaltschaften für drängende Probleme wie unter anderem Kinderpornografie, Hass im Netz oder organisierte Kriminalität.

Der 53-Jährige, der auch Münchner CSU-Bezirkschef ist, gehört zu den dienstältesten Kabinettsmitgliedern, war Bildungsstaatssekretär und Staatsminister für Europa, Digitales und Medien.

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