Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Erste deutsche Schule geht an die Börse

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Die International School Augsburg gibt von diesem Dienstag an Aktien aus. Damit soll ein neuer Campus finanziert werden, und der Schulleiter sieht darin sogar einen pädagogischen Mehrwert.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Die Adresse in Gersthofen vor den Toren Augsburgs lautet Wernher-von-Braun-Straße 1a. Das ist zumindest ein klingenderer Name als "Ziegeleistraße", wo die International School Augsburg (ISA) auch angrenzt. Die 2005 gegründete Schule ist in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude einer Ziegelei untergekommen, mitten im Industriegebiet, gleich in Nachbarschaft des Automobilzulieferers Faurecia. Es ist nicht unbedingt der Standort, den sich eine Schulfamilie wünscht, deshalb will sich die ISA umorientieren und weiter nördlich Richtung Bahnhof einen neuen Campus entstehen lassen. Kosten: etwa 32 Millionen Euro. Um das Vorhaben zu realisieren, geht die ISA an die Börse - als erste Bildungseinrichtung Deutschlands.

Von diesem Dienstag an können Investoren Aktien für 12,50 Euro pro Stück zeichnen, von Mitte März an sollen sie an der Münchner Börse gehandelt werden. Die ISA erhöht mit dem Börsengang das Grundkapital von 3,26 Millionen Euro durch die Ausgabe von bis zu 639 580 neuen Aktien auf bis zu 9,7 Millionen Euro. Die Schule will mit dem Börsengang etwa acht Millionen Euro erzielen. Dabei sind "Aktie" und "Grundkapital" Begriffe, die für Schulleiter Marcus Wagner in Verbindung mit einer Bildungseinrichtung nicht ungewöhnlich klingen sollten. Die ISA, sagt er, verfolge mit dem Börsengang nicht nur das Ziel, einen schönen Campus zu bauen. Wagner ist der Meinung, dass Bildungseinrichtungen künftig verstärkt neue Wege zur Finanzierung von Schulbetrieb und Projekten gehen sollten. "Und den Schülern können wir so das Thema Börse anschaulich näher bringen."

325 Schülerinnen und Schüler aus 40 Nationen unterrichtet die Schule momentan, knapp 50 Prozent von ihnen stammen aus dem Ausland. In Augsburg sitzen große Firmen wie Kuka, die Kinder internationaler Mitarbeiter, die zum Teil nur auf Zeit in Deutschland sind, sollen in der Schule englischsprachig unterrichtet werden und so keinen Bruch in der Bildung erleiden. Als Standorthilfe für die Region Augsburg wurde die ISA 2005 mit Unterstützung der IHK Schwaben gegründet, der Einzugsbereich reicht bis nach München. Modern aufgestellt ist die Schule ohnehin: "Wir haben die IT der ISA schon vor mehr als drei Jahren in die Cloud verlegt. Beim ersten Lockdown haben wir einen Tag für Schulungen gebraucht, dann lief der Unterricht völlig problemlos weiter", sagt Schulleiter Wagner.

Einen neuen Campus zu entwerfen, das macht einem wie ihm Spaß: Braucht es dort überhaupt Wlan oder reicht eine 5G-Abdeckung? Wie könnte ein Kindertagesstätte am Standort aussehen und wie - langfristig gesehen - ein Internat? Fertig geplant ist das Projekt noch nicht, Wagner ist aber klar, dass er ein solches Schulareal auf normalem Finanzierungsweg nie realisieren könnte. 50 bis 60 Prozent der Baukosten kämen aus Fördermitteln vom Staat. "Aber wo soll ich die restlichen 15 bis 16 Millionen Euro herbekommen?", fragt der Schulleiter. Die Bank schaue auf die Sicherheiten, ein Kredit wäre kaum zu bekommen. Spenden seien in dieser Höhe nicht einzutreiben.

Also die Idee mit der Börse, wobei es eine Stimmrechtsbeschränkung gibt. Bei künftigen Hauptversammlungen dürfen Aktionäre ganz normal Anträge stellen, aber die Regierung von Schwaben hat Bedingungen auferlegt: Niemand wird die Schule übernehmen und so den Kurs im Unterricht bestimmen können. Es soll aber auch kein Investor auf kurzfristigen Gewinn hoffen. Die ISA ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft: Dividenden darf die Schule nicht ausschütten. Wagner hält das für einen Vorteil: "Wir sind befreit von Gewerbe- und Körperschaftssteuer, haben schlanke Verwaltungsstrukturen und die Dividende, die wir nicht zahlen müssen, sind investive Mittel für die Entwicklung des Unternehmenswerts der Bildungseinrichtung." Der Schulleiter verweist auf den Berliner Zoo oder den Münchner Tierpark, die als gemeinnützige Aktiengesellschaften an der Börse sind und laut Berechnung der Schule damit in den vergangenen zehn Jahren besser gefahren sind als große Firmen wie Siemens oder Münchner Rück, was die Wertentwicklung anbelangt. "Unsere Renditepotenzial kommt aus der Unternehmenswertsteigerung", sagt Wagner.

Betrachte man den deutschlandweiten Investitionsstau im Bildungssystem, sind laut Wagner Initiativen wie der Börsengang unumgänglich. "Wenn ich keine Steuererhöhungen will, muss das Geld aus privater Investition kommen." Als die ISA sich in eine Aktiengesellschaft umwandelte, beschenkte sie auch alle Absolventen mit je einer Aktie - um die Verbindung mit der Schule aufrecht zu erhalten. Aktuell gibt es deshalb bereits 322 Aktionäre, davon mehr als 220 Alumni. Das Thema Aktien und Börse ist für viele von ihnen greifbarer als für Schüler, die ihr Abitur nicht in einer Aktiengesellschaft gemacht haben.

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SZ vom 23.02.2021
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