Süddeutsche Zeitung

Zeitungs-Beilage:Homophobes Pamphlet mit staatlicher Hilfe

  • Eine Zeitungsbeilage agitiert offensiv gegen die Homo-Ehe - das sorgt für Ärger.
  • Die 16-seitige Druckschrift lag am Wochenende der Augsburger Allgemeinen und der Allgäuer Zeitung bei und wurde vom bayerischen Sozialministerium gefördert.
  • Vertreter von SPD, Grünen und den Freien Wählern üben heftige Kritik. Die Beilage grenze an Volksverhetzung.

Von Stefan Mayr

Auf den ersten Blick wirkt das Druckwerk wie ein harmloses Heftchen für Kinder. Auf dem Titelbild leuchtet eine grellbunte Zeichnung eines Mädchens, die Überschrift lautet "Familienbunt". Doch der Inhalt der 16 Seiten hat großen Ärger ausgelöst, er beschäftigte am Mittwoch das Sozialministerium und den Landtag. Denn in der Zeitschrift, die am Wochenende der Augsburger Allgemeinen und der Allgäuer Zeitung beilag, wird offensiv gegen die Homo-Ehe agitiert. Was die Publikation besonders brisant macht: Sie wurde nach eigenen Angaben vom bayerischen Sozialministerium gefördert.

"Dieses Pamphlet ist ganz, ganz fürchterlich", sagte der Augsburger SPD-Abgeordnete Linus Förster im Landtag. Es grenze an Volksverhetzung, und für ihn sei es ein "Schock" gewesen, als er las, dass dieses "homophobe Papier" von einem Staatsministerium gefördert wird. "Es kann und darf nicht sein, dass die CSU diese menschenfeindlichen Tiraden auch noch mit Steuergeld unterstützt und unters Volk bringt", kritisierte Förster.

Seine Fraktion hat per Dringlichkeitsantrag eine Stellungnahme des Ministeriums eingefordert. Die Antwort verlas Sozial-Staatssekretär Johannes Hintersberger (CSU), sie stellte weder die SPD noch die Grünen zufrieden. Hintersberger distanzierte sich zwar von dem Inhalt der Zeitschrift, verteidigte aber die Förderung durch das Ministerium.

Vor allem ein Artikel wurde von Vertretern der SPD, der Grünen und der Freien Wähler kritisiert. Unter der Überschrift "Diktatur durch Verwirrung" stellt der französische Philosoph und Theologe Bertrand Vergely "zehn Thesen gegen die Home-Ehe" auf. Dabei behauptet er: "Die Homo-Ehe würde (. . .) zwangsläufig diktatorische Effekte zeitigen." Eine Legalisierung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare würde dazu führen, dass ein Vater fordern könnte, seine Tochter oder gar seinen Sohn heiraten zu dürfen. Vergely schlussfolgert: "Das Inzestverbot wird ausgehöhlt und aufgehoben."

Herausgeber des Blattes ist der Familienbund der Katholiken im Bistum Augsburg. Bei der Lektüre mag sich mancher an Zeiten zurückerinnern, in denen das Bistum unter dem ehemaligen Bischof Walter Mixa regelmäßig mit umstrittenen Äußerungen in den Schlagzeilen stand. Eva Gottstein (Freie Wähler) fühlte sich noch weiter zurückversetzt: "Das erinnert an das Mittelalter oder an dunkle Zeiten der deutschen Geschichte."

Staatsregierung will nicht eingreifen

Staatssekretär Hintersberger stellte die Veröffentlichung hingegen als Akt der Demokratie dar: "Familienverbände haben das Recht auf freie Meinungsäußerung." Eine vorhergehende Abstimmung mit der Staatsregierung gebe es nicht, weil dies einer Zensur gleichkäme. Laut Hintersberger bekomme der Familienbund pro Jahr 19 000 Euro staatlichen Zuschuss, dieses Geld werde vom Landesverband weiterverteilt. Eine direkte Unterstützung der Zeitschrift habe es nicht gegeben.

Im Impressum des Blattes wird dies anders dargestellt. Dort steht: "Diese Ausgabe wurde gefördert von: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration". Mit dieser Formulierung entstehe der Eindruck, dass die Staatsregierung hinter den Inhalten stehe, betonte SPD-Mann Harald Güller. Er fragte Hintersberger: "Gibt es einen Einlauf für diese Leute?" Der Staatssekretär kündigte daraufhin an, es werde ein Gespräch mit dem Familienbund geben. Welches Ziel dieses Gespräch haben wird, sagte er nicht.

Das Bistum Augsburg betont, "Familienbunt" sei keine offizielle Veröffentlichung des Bistums - deshalb wolle es die Inhalte auch nicht kommentieren. Der Familienbund selbst bezeichnet den umstrittenen Artikel als "Debattenbeitrag" und "Meinungsäußerung". Es sei "in keinster Weise" beabsichtigt gewesen, "andere damit zu verletzten oder herabzusetzen".

Claudia Stamm von den Grünen bezeichnet den Vorgang als "unglaubliche Ungeheuerlichkeit" und "Armutszeugnis" für die Staatsregierung. "Für ein reaktionäres Blatt gibt es öffentliche Gelder", aber gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen gebe die CSU nach wie vor "keinen Cent" aus.

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SZ vom 23.07.2015/infu
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