Städtebauliche Visionen:Augsburg plant neues Viertel für 10000 Bewohner

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Augsburg von oben: Die Stadt ist in den vergangenen zehn Jahren von knapp 270 000 auf 300 000 Einwohner gewachsen, entsprechend sind die Immobilienpreise angestiegen. (Foto: Imago)

Doch mit dem Bau im Stadtteil Haunstetten wird erst in zehn Jahren begonnen. Wie sich die Wohnungsnot jetzt lindern lässt, darüber streitet der Stadtrat.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Im Stadtteil Haunstetten entsteht die Zukunft. Auf 200 Hektar will Augsburg dort ein neues Viertel hochziehen, 10 000 Menschen sollen hier einmal wohnen und 5000 Arbeitsplätze entstehen. Es sind riesige Dimensionen, entsprechend ehrgeizig nimmt die Stadt das Projekt in Angriff: Es geht hier nicht nur darum, ein paar Wohnhäuser und Geschäfte hinzupflanzen.

Aus ganz Europa beteiligen sich Planungsbüros, die Entwürfe zeigen ein Quartier, in dem Radler, Fußgänger und der Nahverkehr Vorrang vor Autos haben, in dem von "Energieernten" die Rede ist und in dem Insekten- und Tierhäuser mitgedacht werden - Gewächshäuser und Obstgärten sowieso. Es läuft eine breite Bürgerbeteiligung, auch Jugendliche sitzen im Preisgericht. Haunstetten Südwest ist so etwas wie das Vorzeigeprojekt der Stadt, wenn es um Wohnbebauung geht, es ist aber auch noch Zukunftsmusik: Mit dem ersten Bauabschnitt soll in knapp zehn Jahren begonnen werden. Genau so lange stehen laut Baureferat noch Flächen im Stadtgebiet zur Verfügung, die Augsburg entwickeln kann.

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Längst ist zwischen dem Rathausbündnis von CSU, SPD und den Grünen ein Streit entstanden, wie das Problem der Wohnungsnot zu meistern ist. Die Stadt ist in den vergangenen zehn Jahren von knapp 270 000 auf 300 000 Einwohner gewachsen, Immobilien- und Mietpreise ziehen entsprechend an. Sie gilt auf Grundlage einer Statistik des Bayerischen Landesamtes als Gebiet, in dem "die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum besonders gefährdet ist".

SPD und Grüne hatten sich immer wieder für eine Quote für geförderten Wohnungsbau stark gemacht. Mit Erfolg: Der Stadtrat beschloss am Donnerstag, künftig nur noch Bebauungspläne für Wohnbebauung auszuweisen, in denen mindestens 30 Prozent geförderte Einheiten festgeschrieben sind. Je nach Einkommensklasse bekommen die Bewohner dort einen staatlichen Zuschuss, um die Mietkosten auf ein für sie erträgliches Maß zu senken. "Der Druck, den wir in den letzten Wochen und Monaten aufgebaut haben, zeigt Wirkung", verkündet der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian Freund und greift damit die CSU an, die sich lange gegen eine solche Regelung mit einer verbindlichen Quote gesträubt hatte. CSU-Fraktionschef Bernd Kränzle stellt die Einigung nun als "vernünftigen Kompromiss" dar, weil der Sozialreferent der Stadt sogar eine 35-Prozent-Quote gefordert hatte.

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Wogegen sich Kränzle jedoch verwahrt, sind "unreflektierte Forderungen nach Satzungen in fast hysterischer Art", ohne sachgerecht zu prüfen. Er spielt damit auf die Diskussion um eine Zweckentfremdungssatzung an, die die Grünen gegen die Stimmen der CSU wiederholt nicht im Stadtrat durchdrücken konnten. Auch die SPD fordert ein solches wohnungspolitisches Instrument, das in Städten wie München und Nürnberg erfolgreich umgesetzt wird. Als zweckentfremdet gilt Wohnraum dann, wenn er dauerhaft als Ferienwohnung vermietet, als Büro genutzt wird oder über einen langen Zeitraum leer steht.

Martina Wild, Fraktionsvorsitzende der Grünen, kritisiert, dass die Stadt damit ein wichtiges Instrument ablehnt, um Spekulanten entgegen zu treten. Gerade weil Augsburg mit seinem Wassermanagementsystem vor kurzem zum Unesco-Welterbe ernannt wurde und so auch hofft, mehr Touristen in die Stadt zu locken, verstehen Grüne und SPD die Ablehnung der CSU nicht. Die Christsozialen verweisen darauf, dass Zweckentfremdung statistisch kaum eine Rolle spiele in der Stadt. Sollte sich das ändern, könne man gegensteuern.

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Einig sind sich die Fraktionen darin, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen brauche, um die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen, eine sinnvolle Nachverdichtung etwa. Kränzle will neue Wohnformen entwickeln.Stefan Quarg, baupolitischer Sprecher der SPD, fordert die Bürger auf, Veränderungen zu akzeptieren, gerade wenn es um Nachverdichtung geht. Die Grünen wollen genossenschaftliches Bauen stärker fördern und schlagen vor, Erhaltungssatzungen zu entwickeln.

Was das künftige Baugebiet Haunstetten Südwest anbelangt, bringen die Grünen das Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) ins Spiel. Droht ein Grundstückseigentümer, den Bau eines neuen Wohnviertels zu blockieren, kann er damit in letzter Konsequenz enteignet werden. Nur 25 Prozent des Ackerlands, auf dem der neue Stadtteil entstehen soll, ist im Eigentum der Stadt. Die Grünen wollen mit der SEM Bodenpreisspekulationen von vorne herein ausschließen. Laut einer Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Jürgen Mistol hat Augsburg die SEM bereits sieben Mal angewandt, zu Enteignungen ist es dabei nie gekommen. CSU und SPD suchen dennoch lieber die Kooperation mit den Grundstückseigentümern. "Prinzipiell kommt man an Flächen mit Geduld und Verhandlungen", sagt Stefan Quarg.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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