Die Generalstaatsanwaltschaft sieht kein Versäumnis bei der Staatsanwaltschaft Augsburg, im Fall der Foltervorwürfe in der JVA Gablingen nicht frühzeitig Ermittlungen aufgenommen zu haben. Die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft nach dem ersten Eingang einer Beschwerde einer Anstaltsärztin im Herbst 2023 sei nicht zu beanstanden, heißt es in einer Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage von Toni Schuberl. Der Grünen-Landtagsabgeordnete kritisiert die Antworten, die den Verlauf der Ermittlungen detailliert nachzeichnen. Er könne „keinerlei Fehlerkultur“ erkennen, „keinerlei Willen, es in Zukunft besser zu machen“. Schuberl fordert deshalb in einer weiteren Anfrage nun explizit die Staatsregierung zu Antworten auf.
Die Ermittlungen gegen 17 frühere Angestellte des Gefängnisses laufen noch, die Staatsanwaltschaft Augsburg hat eine Ermittlungsgruppe aus fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälten eingerichtet. Die Leiterin der JVA sowie ihre Stellvertreterin, die im Zentrum der Vorwürfe steht, sind suspendiert. Es geht um Vorwürfe über Körperverletzungen im Amt, über Strafvereitelung im Amt sowie über tätliche Übergriffe auf einzelne Gefangene.

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Am 18. Oktober 2023 hatte die Anstaltsärztin dem Justizministerium wegen der ihrer Ansicht nach untragbaren Zustände in den sogenannten besonders gesicherten Hafträumen (BgH) geschrieben, in denen – üblicherweise für wenige Tage – als letztes Mittel etwa suizidgefährdete oder besonders aggressive Häftlinge untergebracht werden können. Die Ärztin schilderte, dass in der JVA Gablingen Häftlinge nackt und ohne Matratze, Kissen oder Decke auf nacktem Betonboden schlafen müssten. Aufgrund mangelnder Möglichkeiten zur Körperhygiene hätten viele betroffene Gefangene Ekzeme, sie erlitten Mangelerscheinungen, weil sie nur Brot mit Belag und Wasser erhielten, keine warmen Mahlzeiten, kein Obst, kein Gemüse.
Welche dieser aus seiner Sicht sehr konkreten Schilderungen einer fachkundigen Augenzeugin seien aus Sicht der Staatsregierung nicht geeignet, einen Anfangsverdacht zu begründen, fragt nun Schuberl? In der Antwort des Justizministeriums heißt es, dass das Schreiben der Anstaltsärztin am 26. Oktober 2023 bei der Staatsanwaltschaft eingegangen sei. Am 31. Oktober sei ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden, am 13. November sei die Kriminalpolizei beauftragt worden, die Anstaltsärztin zu vernehmen, wozu es am 18. Dezember gekommen sei.
Sie habe die Umstände der Unterbringungen in „BgHs“ geschildert, jedoch keine für eine juristische Aufarbeitung unabdingbaren konkreten Fälle benennen können. Auch andere Ärzte, die im Nachgang befragt worden seien, hätten keine Namen von Gefangenen oder konkrete Taten schildern können. Durch die Befragungen sei deutlich geworden, dass Ärzte mit Amtsantritt der inzwischen beschuldigten Vize-Leiterin nicht einmal mehr konsultiert wurden, bevor Häftlinge in die besonderen Hafträume geschlossen wurden.
Verzögerungen, rechtmäßige Zustände?
Schuberl stört sich daran, dass das Justizministerium im vergangenen Jahr eingeräumt habe, die Bedeutung des Schreibens falsch eingeschätzt zu haben, die Generalstaatsanwaltschaft als Aufsichtsbehörde nun aber keinerlei Versäumnisse erkennen will. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hatte damals allerdings davon gesprochen, dass im Ministerium die Dimension der Vorfälle womöglich unterschätzt worden sei und eingeräumt, dass er hätte informiert werden sollen. „Rückblickend muss man sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen noch mehr hätte passieren sollen“, sagte der Minister. Von der juristischen Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte er nicht gesprochen.
Schuberl kritisiert jedoch auch, dass sich die Staatsanwaltschaft keine Liste von Häftlingen habe geben lassen, die im Zeitraum der Tatvorwürfe in den Hafträumen eingeschlossen waren, und auch keine Häftlinge befragt habe. Er moniert, dass laut Antwort des Justizministeriums die Zustände in Gablingen „grundsätzlich auch mit einer rechtmäßigen Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen hätten einhergehen können“. Und er verweist auf die seiner Ansicht nach „ewig langen Verzögerungen“ bei den Ermittlungen, wieso also etwa die Leiterin der JVA erst sieben Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe zu einer Stellungnahme aufgefordert worden sei.
Der Landtagsabgeordnete will nun von der Staatsregierung wissen, wie es etwa zu den Verzögerungen gekommen sei bei Vorwürfen über Straftaten, bei denen die Gefahr bestehe, dass sie weiterhin begangen würden. Er fragt außerdem, wie die Staatsregierung die Aussage bewerte, dass die Schilderungen der Anstaltsärztin über nackte Häftlinge, die ohne ordentliche Nahrung und ohne Matratze auf dem Betonboden schlafen müssten, grundsätzlich auch eine rechtmäßige Unterbringung hätten beschreiben können.