Jahresrückblick 2024:Gefängnisskandal in Gablingen

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Angestellten der JVA Augsburg-Gablingen wird die Misshandlung von Häftlingen vorgeworfen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Wochenlang sind Häftlinge in der JVA Gablingen in spezielle Hafträume gesperrt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Justizminister räumt Versäumnisse ein. Sogar von Folter ist die Rede.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 17 Angestellte der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gablingen, im Fokus steht die stellvertretende Gefängnisleiterin: Häftlinge sollen in dem Gefängnis bei Augsburg teils zur Strafe in sogenannten besonders gesicherten Hafträumen (bgH) untergebracht worden sein, manchmal wochenlang, manchmal nackt, mit kaum etwas zu Essen. Von „Folter“ ist die Rede, von Körperverletzung im Amt, einige JVA-Bedienstete sollen Akten geschreddert haben, um möglicherweise Taten zu verwischen. Die Vize-Leiterin ist suspendiert, genau wie die langjährige Leiterin – es ist einer der größten Justizskandale der vergangenen Jahrzehnte in Bayern.

Begonnen hat alles mit einer Beschwerde einer Anstaltsärztin, die die Methoden der Vize-Leiterin anprangerte, aber lange nicht gehört wurde. Von ihrer ersten Beschwerdemail an die Aufsichtsbehörden bis zu umfassenden Ermittlungen verging etwa ein Jahr. Die Opposition im Landtag wirft Justizminister Georg Eisenreich (CSU) vor, viel zu spät eingegriffen zu haben. Tatsächlich hat Eisenreich Versäumnisse eingeräumt und eine Expertenrunde eingesetzt, die die Vorwürfe im Ministerium aufarbeiten und bessere Sicherheitsmechanismen für Unterbringungen von Häftlingen in besonders gesicherten Hafträumen aufstellen soll.

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Eine Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Landtag zeigt, dass die Zahl der bgH-Unterbringungen in Gablingen mit dem Amtsantritt der stellvertretenden Leiterin Anfang 2023 sprunghaft angestiegen ist: von 59 im Jahr 2022 auf 126 im darauffolgenden Jahr. Laut Ministerium gab es mindestens zwei Fälle, in denen Gefangene 24 Tage in den Spezialzellen ausharren mussten. Ab drei Tagen müssen solche Unterbringungen dem Ministerium gemeldet werden.

Besonders gesicherte Hafträume sollen laut Justizministerium das letzte Mittel sein im Umgang mit Häftlingen, wenn sie sich selbst oder andere zu verletzen drohen. Der Aufenthalt dort soll eine Schutzmaßnahme, keine Sanktion sein. Insofern sind diese speziellen Räume, von denen es in Gablingen fünf gibt, minimal ausgestattet, um Gefährdungen auszuschließen. So sind etwa Toiletten ebenerdig in den Boden eingelassen. Gefangene sollen aber eine reißfeste Matratze und Decke bekommen und im Normalfall auch einen Sitzwürfel. In der JVA Gablingen, so der Vorwurf, haben JVA-Beamte dies Häftlingen vorenthalten – und sie auch sonst misshandelt.

Bei der Staatsanwaltschaft in Augsburg arbeitet eine Gruppe aus fünf Ermittlern an dem Fall, das Justizministerium wird sich weiterhin Kritik stellen müssen. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, sagt: „Wofür hat man Meldepflichten und Beschwerdestellen, wenn man bei derartigen Entwicklungen nicht umgehend eingreift? Diese Missachtung der Aufsichtspflicht ist ein Versagen.“

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