Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Ein Quartier für die Kreativen

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Die Stadt baut das alte Gaswerk in Oberhausen zum Zentrum für Theater, Musik und Malerei um

Von Christian Rost, Augsburg

Es gab Touristen, die verirrten sich in den Augsburger Stadtteil Oberhausen, weil sie eine Ausstellung im ehemaligen Gasometer besuchten wollten. Dieses Industriedenkmal befindet sich allerdings in der Stadt Oberhausen im Ruhrpott. Im Augsburger Oberhausen steht ein anderes Industriedenkmal: das seit 15 Jahren stillgelegte Gaswerk. Demnächst könnte sich auch eine Reise hierher lohnen, weil die Stadt das Gebäudeensemble jetzt mit Kultur bespielen will. Die mehr als 1500 Künstler, Musiker und Kreativen, die bislang auf einem ehemaligen Kasernenareal im Westen der Stadt eine Heimat haben, sollen ins Gaswerk umziehen. Eine Gesamtfläche von 4500 Quadratmetern wird für Theater, Musik, Malerei zur Verfügung gestellt. Nach intensiven Verhandlungen haben sich die Stadt und die Künstler auf den Umzug verständigt.

Seit zehn Jahren nutzen die Künstler im Kulturpark West in der ehemaligen Reese-Kaserne Räume für ihre Projekte. Bands proben hier, Tonstudios und Ateliers wurden eingerichtet, der FC Augsburg betreibt ein Fan-Café, Musikschulen unterrichten, und der Disco- und Live-Club "Kantine" lockt das Tanzvolk. Damit ist spätestens im Sommer 2019 Schluss, weil die Stadt das Areal mit Wohnhäusern bebauen will. "Der Wohndruck in Augsburg ist enorm hoch", sagt Stadtsprecher Richard Goerlich. Weil die Kultur aber "ein wichtiger Standortfaktor ist", wie Kulturreferent Thomas Weitzel betont, sollen die Künstler nicht bloß aus ihrem angestammten Revier vertrieben werden. Die Stadt bietet ihnen das frühere Gaswerk als alternatives Kultur-Areal an, das eigens vom Eigentümer, den Stadtwerken, angemietet und umgebaut wird. Ateliers, Werkstätten und Probenräume werden in dem stillgelegten Industrieensemble entstehen. Quasi als Kulturförderung übernimmt die Stadt einen Teil der Mietkosten. 100 000 Euro jährlich soll der Zuschuss betragen. Für die Kreativen, die ins Gaswerk ziehen, bleibt unterm Strich eine Nettokaltmiete von 4,99 Euro je Quadratmeter.

Die Nachfrage der Kulturschaffenden nach Räumen im Gaswerk ist groß. "Die 4500 Quadratmeter werden relativ schnell voll sein", sagt der Geschäftsführer des Kulturparks West, Peter Bommas. Er ist deshalb froh, dass es gelungen sei, "für den allergrößten Teil der Künstler und Bands Platz zu finden". Für alle, die nicht im Gaswerk unterkommen, will Bommas in der Stadt noch eine weitere alternative Fläche auftun. Das geschieht auch deshalb, weil sich die Kulturpark-Macher nicht allein von der Stadt abhängig machen wollen. Als Mieter des Gaswerks hat das Rathaus das letzte Wort, wenn es etwa um die Frage geht, wer dort einzieht. Bislang hatte sich der Kulturpark in der Reese-Kaserne selbst verwaltet. Stadt-Sprecher Goerlich versichert, auch im Gaswerk werde es eine Mischung aus Hoch-, Pop- und Subkultur geben. Das Konzept solle sich kreativ entwickeln.

Für Max Schmerling von der Künstlergruppe 38/40, die sich im Kulturpark West um die Vernetzung der künstlerischen Aktivitäten kümmert, ist das Gaswerk zweifellos ein "tolles Gelände". Er stellt sich aber die Frage, wie lange sich die günstigen Mieten für Künstler und Bands dort halten lassen. Kulturreferent Weitzel räumt ein, dass die Mieten irgendwann aufgrund der allgemeinen Preissteigerung angepasst werden müssten. Er prognostiziert für diesen Fall aber einen moderaten Anstieg, weil die Stadtwerke zur Refinanzierung des Projekts auch noch andere Mieter in das Areal aufnehmen würden. Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg kann sich als zahlungskräftigere Mieter im Gaswerk beispielsweise Werbeagenturen und Architekturbüros vorstellen. Ein "lebendiger Ort" soll das neue Kulturzentrum werden, das letztlich auch den Stadtteil Oberhausen attraktiver mache, so Fergg.

Ein fester Mieter, zumindest für eine Übergangszeit, steht schon fest: Die Brechtbühne des Theaters Augsburg wird das Gaswerk vorübergehend als Aufführungsort nutzen. Das angestammte Schauspielhaus des Ensembles in der Innenstadt muss im Zuge der Neugestaltung des Theaterviertels weichen.

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SZ vom 08.03.2017
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