Grünen-Parteitag in Augsburg:Die neue Nummer neun

Die bayerischen Grünen stellen ihre Kandidaten für die Bundestagswahl auf und gestehen Margarete Bause erst den allerletzten Listenplatz zu, auf dem diese sich noch echte Hoffnungen auf Berlin machen darf. Claudia Roth und Anton Hofreiter stehen unangefochten an der Spitze

Von Lisa Schnell, Augsburg

Freitagnacht, der Saal, in dem die Grünen ihren Parteitag abhalten, ist fast leer. Nur zwei sind noch in heller Aufregung. Margarete Bause steht alleine zwischen den Reihen, die eine Hand in die Hüften gestemmt, die andere am Telefon. Ein paar Reihen weiter tigert ihr Kollege Ludwig Hartmann an den Stuhlreihen entlang, auch er das Handy am Ohr.

Es ist die nächtliche Krisensitzung der grünen Landtagsfraktion. Mit ihren engsten politischen Vertrauten besprechen die beiden Fraktionschefs Bause und Hartmann, wie es weitergehen soll - mit Bause und der Fraktion. Bause wollte nach 30 Jahren in der bayerischen Landespolitik als Abgeordnete nach Berlin. Die grüne Basis aber verwehrte ihr am Freitag zweimal einen aussichtsreichen Platz auf der Bundestagsliste. Soll Bause die Schmach runterschlucken und am nächsten Tag noch einmal antreten? Tut sie es nicht, könnte ihre Fraktion in ein Chaos stürzen. Eine Rückkehr in den Landtag, als wäre nichts gewesen, sei für Bause nicht möglich, heißt es. Statt einer ruhigen Weihnachtspause würde den Grünen wohl eine aufgeregte Nachfolgedebatte drohen. Auch deshalb wird am Freitag der Wunsch laut, Bause müsse es noch mal probieren.

Landesparteitag Grüne Bayern

Wie zu Gründerzeiten: Beim Landesparteitag der Grünen strickt eine Delegierte. Vor ihr liegt die Stimmkarte für die Listenaufstellung zur Bundestagswahl 2017.

(Foto: dpa)

So einen Parteitag haben viele noch nicht erlebt. Nur die ersten drei Plätze wählten die Delegierten wie erwartet: Claudia Roth wurde mit fast 92 Prozent der Stimmen Spitzenkandidatin, ihr folgen Anton Hofreiter (89 Prozent) und Ekin Deligöz. Dass es Bause so schwer haben würde, haben viele nicht erwartet. Am Freitag will sie erst einmal drüber schlafen, ob sie das Risiko am nächsten Tag wieder eingeht. Was wiegt mehr? Der eigene Stolz? Oder der Wille nach Berlin zu gehen und das Wohl der eigenen Fraktion? Um 7.59 Uhr in der Frühe bekommt der Fraktionsvorsitzende Hartmann die erleichternde SMS: "Ich kandidiere auf neun", schreibt Bause. Sie sei eben ein Politprofi, der seine Gefühle im Griff hat, sagt die Landtagsabgeordnete Ulrike Gote.

Landesparteitag Grüne Bayern

Margarete Bause, eine Grünenabgeordnete der ersten Stunde, kandidiert 2017 für den Bundestag.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Bauses lange politische Erfahrung reicht den Grünen aber zunächst nicht als Argument. Dass sie nach ihrer erfolgreichen Karriere in Bayern jetzt auch noch nach Berlin will, wird ihr von einigen sogar als "Karrierismus" angelastet. Andere wollen sie für Bayern nicht verlieren. Ihre erste Niederlage gegen Beate Walter-Rosenheimer war aber auch eine Frage von "Ratio und Emotion", sagt einer. Walter-Rosenheimer sei "klug und warmherzig", Bause aber "klug und kühl". Bause unterliegt knapp mit 47 Prozent der Stimmen, Walter-Rosenheimer holt fast 50 Prozent. Als Bause zum zweiten Mal durchfällt, spielt auch der Regionalproporz eine Rolle. Zwei Oberbayern sind schon gewählt, jetzt muss eine Frau aus Franken her, Manuela Rottmann.

Grünen-Parteitag in Augsburg: Beate Walter-Rosenheimer darf ihr Mandat auf Platz fünf verteidigen.

Beate Walter-Rosenheimer darf ihr Mandat auf Platz fünf verteidigen.

(Foto: Toni Heigl)

Eine Minute hat Bause am Samstag, um die Basis doch noch von sich zu überzeugen. Sie ist angeschlagen, hat fast keine Stimme. In Berlin wolle sie für Menschenrechte kämpfen, der CSU und dem Rechtspopulismus in Bayern eine deutliche Niederlage beibringen. Sie schreit die letzten Sätze, fast kippt ihre Stimme. Mit Leidenschaft und wohl ebenso viel Verzweiflung bittet sie die Basis: "Helft mir dabei." Die Basis hilft, Bause gewinnt gegen Lisa Badum Listenplatz neun, den letzten aussichtsreichen.

Bause ist nicht die einzige Münchnerin, die von der Basis einen Dämpfer erhält. Auch Dieter Janecek muss eine Klatsche verkraften. Im Kampf um Platz vier erzielt er nur halb so viel Stimmen wie sein Herausforderer Uwe Kekeritz aus Mittelfranken. Er schafft es schließlich auf Platz sechs, aber mit einem verheerenden Ergebnis. Ohne Gegenkandidat stimmen nur knapp zwei Drittel für Janecek. Janecek sei sicher ein "Vordenker", sicher auch ein "Querkopf und manchmal auch ein Ego-Shooter", sagte der Landesvorsitzende Eike Hallitzky. Damit ist Janecek vielleicht "nicht jedermanns Liebling und selten Stimmenkönig", aber sicher "wichtig für die gesamte Partei". Janecek steigere mit seinen Vorstößen zwar seine Medienpräsenz, aber nicht seine Beliebtheit bei der Basis, heißt es.

Er sei eben "unangenehm", sagt er selbst und kündigt an: "Ich werde mich auch nicht ändern." Doris Wagner aus München-Nord wird ihr Bundestagsmandat wohl verlieren. Sie ist weit vorn auf der Liste gegen die beliebte Deligöz eingestiegen. Am Ende reichte es für den kaum aussichtsreichen Platz 13. Besser als die Münchner schnitten die Regionen ab. Die Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg (Oberfranken) und Thomas Gambke (Niederbayern) hören auf. Dafür schaffte es der Niederbayer Erhard Grundl auf Platz acht. Stefan Schmidt aus der Oberpfalz verhalf das Glück zu Platz zehn. Weil er und sein Konkurrent Karl Bär die gleiche Stimmenzahl hatten, entschied eine Münze. Sie rollte und rollte und fiel dann zu Schmidts Gunsten. Einige murrten, dass Nachwuchstalente nur auf die hinteren Plätze kamen. "Selber schuld", sie hätten gegen den angeschlagenen Janecek antreten sollen, sagen andere. Zumindest bei der Landtagsfraktion wird es wohl bald zu einer Verjüngung kommen. Am Dienstag wird die Fraktion über die Nachfolge von Bause reden. Im Februar oder März soll gewählt werden. Die 31-jährige Katharina Schulze hat gute Chancen.

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