Augsburg:"Entweder gibt es keine Sache, oder es gibt keine Chefin"

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Die Stadt sagt die erste Sitzung des Kulturausschusses ab - aus Mangel an Themen. Die Kulturschaffenden sprechen von Respektlosigkeit und kritisieren die neue Oberbürgermeisterin.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Der Augustanasaal im Annahof ist durchaus zentral gelegen in Augsburg, im noch zentraleren Rathaus jedoch liegt er nicht. Dort hätte am Montag um 14.30 Uhr die erste Sitzung des neuen Kulturausschusses stattfinden sollen, die jedoch mangels Themen abgesagt wurde. Und so war plötzlich der Augustanasaal Zentrum des Kampfes der Augsburger Kulturschaffenden, Beachtung zu finden in der Stadt: Sie organisierten kurzerhand einen "alternativen Kulturausschuss", um mit ihren Themen Gehör zu finden. Von der neuen Stadtregierung fühlen sie sich - bereits seit Wochen - nicht richtig ernst genommen. Von Wut, Ignoranz und Respektlosigkeit war deshalb nun die Rede, was vor allem für die neue Oberbürgermeisterin Eva Weber zum Problem wird: Im Wahlkampf hatte sie viel von Partizipation und Teilhabe gesprochen. Die Kultur hatte sie jüngst zur Chefsache erklärt. Nun sagte Knut Schaflinger, Mitinitiator der Aktion, am Montag: "Entweder gibt es keine Sache, oder es gibt keine Chefin".

Den Augsburger Kulturschaffenden stößt vor allem "der Subtext" der jüngsten Entscheidung auf, den Kulturausschuss mangels Themen einfach abzusetzen, wie es Autor Schaflinger ausdrückt. Durch den alternativen Ausschuss wollte er einen Debattenanstoß geben, wieder mehr über Kultur zu reden in der Stadt. Es gehe dabei nicht nur um die freie Szene, sondern auch um die großen Häuser: Wie geht es mit dem Umbau des Staatstheaters weiter, wie mit dem Museumsplan? "Was mit der Absage zu kritisieren ist, ist der freiwillige Verzicht auf ein Instrument, mit dem weiteres politisches Handeln wenigstens hätte vorbereitet werden können", sagt Schaflinger. Der Literaturvermittler Lutz Kliche sagt: "Es ist befremdlich, dass der Stadtregierung nicht mehr einfällt als gar nichts."

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Dabei hatte die neue Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) den aufkeimenden Ärger der Kulturschaffenden kurz nach ihrer Wahl gut eingefangen: Das neue Bündnis aus CSU und Grünen will "aus rein organisatorischen Gründen", wie es betont, die in der jüngsten Periode getrennten Referate für Sport und Kultur zusammenlegen. Gerade Kulturschaffende fürchten, deshalb künftig um Zuschüsse verstärkt mit Sportvereinen konkurrieren zu müssen. Der Kulturreferent wurde geschasst, das Auswahlverfahren zur Nachbesetzung läuft gerade. Dass viele in der Branche seit Kurzem um ihre Existenz kämpfen, verbesserte die Situation nicht. Eva Weber also kündigte an, die Kultur zur Chefsache zu machen, bis ein neuer Referent gefunden ist: Sie lud Vertreter der Szene zum Austausch ein, stieß eine Verbesserung der Bedingungen für Kulturzuschüsse an, richtete eine Hotline für Kulturschaffende ein, setzte Spendenaktionen um und kündigt Sommerbühnen an. "Das war ein gutes Signal", sagt der dritte Mitinitiator des Kulturprotests, Buchhändler Kurt Idrizovic.

Das Signal ist mit der symbolhaften Absage des Ausschusses nun dahin. "Ich gebe zu, kommunikativ ist die Absage ungeschickt gewesen", sagte Weber der SZ. Formal verteidige sie die Entscheidung aber, weshalb sie die Aufregung offenbar etwas übertrieben findet. Gerade weil die Stadt viele Entscheidungen für die Kulturschaffenden in den Mai vorgezogen habe, ständen nun keine Punkte mehr für den Ausschuss an, die nicht auch im Juli behandelt werden könnten. Dann erst finde übrigens auch die erste Sitzung desjenigen Ausschusses statt, der für die unter Corona ebenso leidenden Unternehmen zuständig sei, sagt Weber. Um Zuschüsse schließlich müsse sich ohnehin niemand Sorgen machen: Die Budgets für Kultur und Sport blieben im neuen Referat strikt getrennt. In der öffentlichen Wirkung, so sieht es also auch Weber, war die Absage eher unklug. Unterstützung für die Kultur und eine Chefin aber, das macht sie aus ihrer Sicht klar, die gibt es.

© SZ vom 16.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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