Aufregung um Porträt in Rennertshofen:Hitlers Kopf in Stein gehauen

Ein Hobbykünstler hat vor Jahrzehnten das Porträt Adolf Hitlers in eine Felswand nahe dem oberbayerischen Rennertshofen gemeißelt, doch erst jetzt macht das Kunstwerk Schlagzeilen. Bürgermeister Ernst Gebert über den plötzlichen Hype um den Hitlerkopf, seine Begegnung mit dem Urheber - und die Gefahr der Entstehung einer Nazi-Pilgerstätte.

Tobias Dorfer

Idyllisch liegt die Marktgemeinde Rennertshofen im Urdonautal westlich von Ingolstadt. Wie aus dem Bilderbuch sehen die kleinen Häuschen im Ortskern aus - doch nur wenige Kilometer entfernt befindet sich - gut versteckt - ein Zeugnis dunkelster deutscher Geschichte. In einer schwer zugänglichen Spalte des sogenannten Rabenfelsens wurde der Kopf von Adolf Hitler in den Stein gemeißelt. Offenbar befindet sich dieses Porträt schon seit etwa 80 Jahren an dieser Stelle. Nachdem vor einigen Wochen ein Jugendlicher in die Felsspalte rutschte und von Rettungskräften geborgen werden musste, ist der Hitlerkopf von Rennertshofen in aller Munde. Bürgermeister Ernst Gebert weiß schon seit vielen Jahren von dem Kunstwerk im Felsen. Die Menschen im Ort habe das nicht groß interessiert, sagt er - doch plötzlich steht das Telefon nicht mehr still.

Adolf Hitler, Rennertshofen, Oberbayern, Fels

Hitlerkopf in einer Spalte des Rabenfelsens bei Rennertshofen: "Das Porträt ist für uns nicht existent", sagt Bürgermeister Ernst Gebert.

(Foto: dapd)

Ernst Gebert: Um was geht es denn? Sicher wieder um den Hitlerfelsen. Eigentlich heißt der ja Rabenfelsen, manche nennen ihn jedoch Hitlerfelsen.

sueddeutsche.de: Genau, über den wollen wir reden. Sind Sie überrascht, dass die Sache mit dem Porträt so hohe Wellen schlägt?

Gebert: Überrascht? Nein. Das war zu erwarten, als die Medien anfingen hierüber zu berichten. Von dem Porträt weiß ich bereits seit meiner Amtsübernahme am 1. Mai 1978. Mir wurde damals erzählt, dass sich in der Nähe unseres Ortsteiles Hütting das Konterfei Hitlers in einem Felsen gemeißelt befindet. Ich habe das zur Kenntnis genommen und das war's.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich das Porträt nicht angeschaut?

Gebert: Bisher nicht. Es hat ja auch keinen interessiert. Bei keiner Bürger- oder Vereinsversammlung war der Hitlerkopf ein Thema. Erst nach der Medienberichterstattung habe ich mir vorgenommen, dass ich da mal hochklettere.

sueddeutsche.de: Und dann sind Sie selbst auch endlich hochgeklettert?

Gebert: Ja, vor einigen Wochen. Der Aufstieg war schon gefährlich. Etliche Meter mussten wir hochklettern und dann noch einmal mit einer Leiter in der Felsspalte zum Porträt hinauf. Dafür hatte ich dann einen phantastischen Blick auf das Urdonautal ...

sueddeutsche.de: ... und einen weniger phantastischen Blick auf Hitler.

Gebert: Stimmt. Aber ich kann Ihnen sagen: Es ist sehr schwierig, dorthin zu gelangen. Wer Ortskenntnis hat, findet das Konterfei vielleicht. Aber die Spalte mit dem Hitlerkopf ist so schwer zugänglich, da sollte man schon Bergsteiger oder erfahrener Kletterer sein.

sueddeutsche.de: Wie hat dann der Urheber die Stelle erreicht?

Gebert: Das frage ich mich auch. Das Porträt stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1933. Ich glaube, damals gab es noch einen Zugang von oben, der etwas einfacher zu erreichen war. Es war schon eine Kunst, in dieser engen Spalte überhaupt etwas zu meißeln. Handwerkliches Können hatte der Mann.

sueddeutsche.de: Ist Adolf Hitler gut getroffen?

Gebert: Na ja, man kann unzweifelhaft erkennen, dass es sein Konterfei ist. Die Nase ist schon etwas "abgewittert", aber sonst sind die Konturen noch deutlich zu erkennen.

"Der Rabenfels ist bislang nicht zum Wallfahrtsort geworden"

sueddeutsche.de: Wissen Sie, wer der Künstler war?

Ernst Gebert, Rennertshofen

Ernst Gebert ist seit 1978 Bürgermeister von Rennertshofen, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.

(Foto: oh)

Gebert: Ja. Der Mann ist vor wenigen Jahren hochbetagt gestorben. Ich bin ihm noch vor einigen Jahren bei seinem 100. Geburtstag begegnet.

sueddeutsche.de: Haben Sie ihn auf sein Kunstwerk angesprochen?

Gebert: Da habe ich nicht dran gedacht. Bei seiner Geburtstagsfeier wäre das auch nicht passend gewesen. Im Übrigen wurde über dieses Porträt nie gesprochen. Bis vor einigen Wochen. Nur wenige Mitbürger im Ort kennen es.

sueddeutsche.de: Hegte der Künstler Sympathien für die Nazis?

Gebert: Das glaube ich nicht. Soweit ich von Erzählungen weiß, wollte er Steinmetz werden und hat in diesem Felsspalt ausprobiert, ob er handwerkliches Talent hat. Von Beruf wurde er übrigens Bäcker.

sueddeutsche.de: Aber immerhin hat er noch "Dein Kampf, unsere Ehre" unter den Kopf geschrieben.

Gebert: Ich nehme an, er hatte eine Vorlage, zum Beispiel ein Bild, das er abgemeißelt hat. Genau weiß man das aber nicht. Und fragen können wir ihn auch nicht mehr.

sueddeutsche.de: Befürchten Sie nicht, dass Rennertshofen wie das oberfränkische Wunsiedel zur Pilgerstätte von Nazis werden könnte?

Gebert: Nein. Der Rabenfels ist bisher nicht zum Wallfahrtsort geworden. Weil der Aufstieg so schwierig ist, kommen derzeit nur einige Schaulustige. Sie halten an der Staatsstraße an und schauen zum Felsen hoch. Manche klettern auch ein wenig herum. Danach fahren sie weiter. Wir werden aber wachsam sein.

sueddeutsche.de: Haben Sie schon einmal daran gedacht, das Porträt zerstören zu lassen?

Gebert: Nein. Der Hitlerkopf ist eine Art Zeitdokument. In unserer Marktgemeinde Rennertshofen ist das Konterfei kein Thema. Die Causa Hitler gehört Gott sei Dank der Vergangenheit an. Das Porträt ist für uns nicht existent.

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