Süddeutsche Zeitung

Aufbegehren gegen Bischof Schraml:Priester rebellieren gegen Amtskirche

Lesezeit: 3 min

Im Bistum Passau wächst unter Priestern der Widerstand gegen die Politik der katholischen Amtskirche. Egal ob Mann oder Frau, verheiratet oder geschieden - eine Gruppe von Priestern fordert eine rigorose Überholung der vatikanischen Werte. Bischof und Papstverehrer Schraml ist die Revolte der Priester ein Dorn im Auge.

Wolfgang Wittl

Die Feier muss warten, und sie wird auch nur im kleinen Kreis stattfinden: An diesem Donnerstag, auf den Tag genau vor zehn Jahren, hat Wilhelm Schraml den Bischofsstuhl im Bistum Passau bestiegen. Gewürdigt wird das Jubiläum aber erst im März, wenn Domkapitel, Ordinariatsrat und Dekane zu einer Konferenz zusammenkommen. Überraschungen, wie sie bei großen Anlässen üblich sind, scheinen damit ausgeschlossen.

Schraml, 76, dürfte darüber kaum traurig sein, denn Überraschungen in seinem Bistum bedeuteten für ihn zuletzt selten Gutes, im Gegenteil: Die Unruhe unter Laien und Priestern wächst trotz einer passablen Reform in den Pfarrgemeinden, die der Bischof zum 1. März in Kraft setzen will.

Etwa zwei Dutzend Pfarrer haben sich vor zwei Jahren zur Gruppe "Passauer Priester im Dialog" zusammengeschlossen. Diesen Dialog pflegten die Priester am vorvergangenen Montag im Vilshofener Pfarramt nun erstmalig mit dem Abgesandten einer Initiative aus Österreich. Diese wird von konservativen Kirchenkreisen wegen ihrer revolutionären Ideen argwöhnisch beäugt.

Der Name der Initiative - "Aufruf zum Ungehorsam" - ist Programm: "Die römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen zu folgen und selbständig zu werden", heißt es im Leitsatz der Priesterbewegung, die in Österreich 400 Anhänger hat.

In sieben Punkten kratzt die Initiative an Eckpfeilern vatikanischer Überzeugungen: Unter anderem lässt sie Geschieden-Wiederverheiratete und Mitglieder anderer christlicher Kirchen an der Eucharistie teilhaben; ihre Priester wollen an Sonn- und Feiertagen nicht mehrfach zelebrieren ("besser ein selbstgestalteter Wortgottesdienst als liturgische Gastspielreisen"); ein Wortgottesdienst mit Kommunionspendung soll künftig als priesterlose Eucharistiefeier anzuerkennen sein; und jede Pfarrei soll einen eigenen Vorsteher haben, "aber nicht durch Pfarrzusammenlegungen, sondern durch ein neues Priesterbild - egal, ob Mann oder Frau, verheiratet oder unverheiratet".

Der Referent sei nach seinem Vortrag mit lautem Applaus bedacht worden, berichtet der Ruhstorfer Pfarrer Andreas Artinger, einer der Sprecher der "Passauer Priester im Dialog", die den Kontakt zu ihren österreichischen Kollegen nun intensivieren werden.

Auch die Passauer Priestergruppe tritt für die Abschaffung des Zölibats ein, vor allem aber für ergebnisoffene Diskussionen. Nur dann könne Kirche lebendig sein, sagt Artinger. Diesen Eindruck hat er im Moment nicht, obwohl doch jeder wisse, dass theologisch keinerlei Notwendigkeit bestehe, Frauen oder Verheiratete von der Leitung von Pfarreien auszuschließen.

Und doch geschieht es - trotz des bedrohlichen Priestermangels. Im Bistum Augsburg kursieren momentan Pläne, die mehr als 1000 Seelsorgeeinheiten bis zum Jahr 2025 auf 200 zu reduzieren. Damit mache man "alles kaputt", sagt Artinger. Seine Erfahrung: "Die Menschen identifizieren sich mit ihren Gemeinden. Die Lösung kann nicht sein, die Einheiten größer zu machen."

Genau das geschieht auch in dem Passauer Statut, das Bischof Schraml zum 1. März erlassen wird. Dann werden die derzeit 117 zu künftig 86 Pfarrverbänden gestrafft. Allerdings zeigte sich das Bistum bei der Umsetzung durchaus gesprächsbereit. So hat der Bischof keine einzige Pfarrei aufgelöst, jede bleibt rechtlich eigenständig, um das Gemeindeleben zu erhalten.

Und auch die Pfarrgemeinderäte bestehen fort: Ein Modellversuch, wonach diese künftig in Pfarrverbandsräten aufgehen sollten, wurde nach kritischer Auswertung wieder fallengelassen. "Sehr einvernehmlich" sei die Strukturreform vorangetrieben worden, sagt der Diözesanratsvorsitzende Wolfgang Beier, "eine gute Lösung". Das Bistum sieht die Seelsorge für seine 490.000 Gläubigen "für das nächste Jahrzehnt flächendeckend sichergestellt".

Über seine reformfreudigen Priester äußert sich das Bistum hingegen nicht, doch Schramls Haltung dazu erklärt sich aus seinen grundsätzlichen Positionen. In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse sagte der Papst-Verehrer vor zwei Monaten, er glaube nicht, dass sich in der kirchlichen Aufgabenverteilung von Mann und Frau etwas ändern werde.

Priesterlose Eucharistie bezeichnete er in dem Gespräch als "Abfall vom Glauben". Den Begriff Erneuerung definierte der Bischof wenig zukunftsweisend mit den Worten: "Wir als Kirche müssen immer wieder zurückgehen zum Ursprung."

Andreas Artinger und seine Priesterkollegen haben Schraml vor zehn Monaten mit ihren Überzeugungen konfrontiert, ohne dass es in dem zweistündigen Gespräch zu einer Annäherung gekommen wäre. Von Sanktionen blieben die "Priester im Dialog" verschont, doch rüttelten sie damals auch nicht derart offenkundig an der Hierarchie.

Nun sagt Artinger, er fühle sich zuerst dem Gehorsam Gott gegenüber verpflichtet, als nächstes seinem Gewissen und dann erst der Kirche: "Wenn wir nicht einfach die Meinung des Bischofs nach außen tragen, dann müssen wir das in Kauf nehmen." Durch ihren öffentlichen Ungehorsam will die Gruppe nicht nur der wachsenden Zahl frustrierter Gläubigen Hoffnung schenken.

Auch Pfarrer in anderen Bistümern sollen kontaktiert werden, denn die Zeit, glaubt Artinger, spricht nicht für die Reformer. Mit 52 zählt der Pfarrer aus Ruhstorf zu den jüngeren Mitgliedern der Gruppe, viele frisch geweihte Priester und Kapläne sieht er "im traditionellen Kirchendenken verhaftet". Wenn der Trend also zum Reaktionären geht, stellt sich für Artinger eine Frage: "Was wird nach uns?" Die Antwort könnte die bisherige Gelassenheit von Bischof Wilhelm Schraml erklären.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1291043
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.02.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.