Süddeutsche Zeitung

Ostern in Bayern:Mega-Stau bei der Drive-through-Weihe

Der Pfarrer von Attenkirchen lud dazu ein, die traditionelle Osterkorbweihe im Auto durchzuführen. Seine Gemeinde folgte ihm bedingungslos - und rückte mit 1200 Fahrzeugen an.

Kolumne von Hans Kratzer

So deprimierend die Corona-Krise auch verlaufen mag - mancherorts leuchten trotzdem Zeichen der Hoffnung auf. Blicken wir kurz auf die katholische Kirche, die sich ja gerade an Ostern in einer hoffnungslosen Lage zu befinden schien. Sogar am höchsten Feiertag mussten die Pfarrer die Ostermessen vor leeren Kirchenbänken zelebrieren. Aber dann geschah doch noch Unerwartetes.

In der Gemeinde Attenkirchen (Landkreis Freising) hält Pfarrer Stephan Rauscher trotz Corona Kontakt zu seinen Gläubigen. Er feiert Online-Gottesdienste und spendet Trost und Hoffnung in den sozialen Medien. Am Ostersonntag aber schoss er, sprichwörtlich gesagt, den Vogel ab, indem er nämlich eine Art kirchliches Get-together in Zeiten der Kontaktsperre organisierte. Rauscher lud zu einer sogenannten Drive-through-Osterkorbweihe ein, sogar an die Liebhaber von Anglizismen hatte er also bei dieser Aktion fürsorglich gedacht.

Das Ganze lief ab wie bei einer Fahrzeugsegnung: Die österlich inspirierten Autolenker fuhren an ihm vorbei, streckten ihm die Speisenkörbe entgegen, und er weihte sie. Weil Abstand gehalten wurde, hatte das Gesundheitsamt nichts einzuwenden. Wie viele Menschen sich angesprochen fühlen würden, den alten Brauch auf diese Weise zu beleben, habe er nicht abschätzen können, sagte der Pfarrer. Die Gemeinde folgte bedingungslos. Gäbe es im "Guinness Buch der Rekorde" einen Eintrag für die längste Schlange von Autofahrern mit Osterkörben, ein Eintrag wäre den Attenkirchenern sicher.

Als der Stau frühmorgens immer länger wurde, übernahm die Polizei die Absicherung. Sie zählte gut 1200 Fahrzeuge, eine Zahl, die den einen oder anderen an die biblische Geschichte von der wundersamen Brotvermehrung Jesu am See Genezareth erinnert, bei der ebenfalls Tausende hoffnungsfroh zugegen waren. Eine Drive-in-Speisensegnung wird auch aus Bad Bayersoien (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) gemeldet, nur dass dort nicht ganz so viele Segensheischende mit ihren Autos den Pfarrer Rudolf Scherer passierten. Wie es heißt, ließen sie gebackene Osterlämmer und gefärbte Ostereier weihen. Manche hatten sogar ein Bier mitgebracht, was an diesem bemerkenswerten Tag gewiss auch theologisch zu rechtfertigen war.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2020/kafe
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