Süddeutsche Zeitung

Attacke auf transsexuellen Flüchtling:Prügelnder Iraker muss Unterkunft wechseln

  • Nach einer Attacke auf seine transsexuelle Mitbewohnerin muss ein Asylbewerber aus dem Irak nun die Unterkunft wechseln.
  • Der Mann hatte die transsexuelle Dervisa R. am vergangenen Samstag ein zweites Mal angegriffen.
  • Dass die Gefahr nun gebannt ist, glauben Mitarbeiter vom Regensburger Flüchtlingsforum nicht.

Von Andreas Glas, Regensburg

Fünf Wochen nach der Attacke eines Asylbewerbers auf seine transsexuelle Mitbewohnerin haben die Behörden Konsequenzen angekündigt. Der mutmaßliche Täter, ein Iraker, soll an diesem Donnerstag aus der gemeinsamen Unterkunft in Regensburg ausziehen und in ein anderes Asylbewerberheim in der Oberpfalz gebracht werden. Das hat die zuständige Regierung der Oberpfalz angekündigt, nachdem der Mann die transsexuelle Dervisa R. am vergangenen Samstag ein zweites Mal angegriffen hatte.

"Das ist ein Erfolg", sagt Marion Puhle vom Regensburger Flüchtlingsforum. Dass die Gefahr nun gebannt ist, glaubt Puhle trotzdem nicht. Sie fürchtet, dass der Iraker "wieder nach Regensburg kommt und Dervisa aufsucht".

Darüber hinaus wirft Marion Puhle den Behörden schwere Versäumnisse vor. Der Grund: Nach SZ-Informationen ist der mutmaßliche Täter bereits verurteilt worden, weil er Anfang 2014 in derselben Regensburger Unterkunft einen homosexuellen Mitbewohner mit einer Eisenstange verprügelt hatte.

Warum der Iraker zugeschlagen hat

Wegen Körperverletzung bestraften ihn die Richter Anfang des Jahres mit zwei Wochen Jugendarrest, danach allerdings durfte er in die Unterkunft nach Regensburg zurückkehren. Dort schlug er dann Mitte September die 24-jährige Dervisa R. zusammen, brach ihr unter anderem die Nase. Die Ermittlungen dauern zwar noch an, doch vermutet die Polizei, dass der Täter allein deshalb zugeschlagen habe, weil sein Opfer transsexuell ist.

Auch nach der zweiten Tat durfte der Iraker in der Unterkunft bleiben, unter einem Dach mit seinem Opfer. Erst nachdem sich Marion Puhle beschwert hatte, bot die Regierung der Oberpfalz an, Dervisa R. in einem anderen Asylbewerberheim unterzubringen. Die Transsexuelle lehnte das allerdings ab und wollte stattdessen zu einem Bekannten ziehen, weil sie sich dort sicherer fühle. Dagegen wiederum sperrte sich die Regensburger Ausländerbehörde - mit der Begründung, dass eine private Unterbringung "aus ausländerrechtlichen Gründen nicht möglich" sei.

Auf die Idee, einfach den Täter aus der Unterkunft zu entfernen, kamen die Behörden offenbar erst, als dieser vor ein paar Tagen erneut auf Dervisa R. losgegangen war und das Regensburger Flüchtlingsforum einen entsprechenden Antrag stellte. Flüchtlingsbetreuerin Marion Puhle findet das Verhalten der Behörden "einfach nur bodenlos". Vor allem die Regierung der Oberpfalz habe als Betreiberin der Asylunterkünfte "eine Fürsorgepflicht und muss alles dafür tun, dass die Menschen in den Unterkünften keinen Schaden nehmen"

Wie die Behörden ihr Zögern erklären

Die Stellungnahme der Regierung zum Fall Dervisa R. überrascht: Dass der irakische Asylbewerber bereits wegen einer ähnlichen Tat verurteilt wurde, sei der Behörde nicht bekannt gewesen. "Wir bekommen keine Führungszeugnisse von den Flüchtlingen. Wir haben also keine Übersicht, wer vorher straffällig geworden ist und welche Straftaten er begangen hat", sagt ein Regierungssprecher. Bisher seien außerdem "keine Fälle von Diskriminierung und Gewalt gegen Asylbewerber aufgrund deren sexueller Ausrichtung in den Gemeinschaftsunterkünften in der Oberpfalz" bekannt gewesen.

In den Gerichtsakten finden sich laut Staatsanwaltschaft tatsächlich keine Hinweise darauf, dass der Täter sein erstes Opfer gezielt wegen dessen Homosexualität verprügelt hat. Puhle dagegen ist der Meinung, dass es bei den Taten "ganz klar einen Zusammenhang" gebe und es kein Zufall sei, dass der Iraker erst auf einen Schwulen und dann auf eine Transsexuelle losgegangen ist.

Dass sie den mutmaßlichen Täter nicht schon nach dem ersten Angriff auf Dervisa R. aus der Unterkunft genommen hat, rechtfertigt die Regierung damit, dass das Flüchtlingsforum ja erst nach der zweiten Attacke darum gebeten habe, den Angreifer in eine andere Asylunterkunft zu verlegen. Diesem Wunsch habe man entsprochen, "damit es nicht noch einmal zu so einem Zwischenfall kommt". Eigene Fehler sehe man nicht, sagt der Regierungssprecher, im Gegenteil. Dervisa R. wohne in der Regensburger Unterkunft in einem Einzelzimmer und habe deshalb "sowieso schon eine spezielle Behandlung erfahren". Denn Einzelzimmer "werden normalerweise nur alleinreisenden Frauen zugeteilt".

Weil er vorbestraft ist, droht dem mutmaßlichen Täter nun eine Haftstrafe. Eine Abschiebung ist allerdings unwahrscheinlich, abgeschoben wird in der Regel erst bei einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren. "Das halte ich in diesem Fall für unwahrscheinlich", sagt ein Sprecher der Regensburger Staatsanwaltschaft.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2015/mmo
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