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Atommüll-Zwischenlager Gundremmingen:Die Mauer muss her

210 Meter lang, zehn Meter hoch und 85 Zentimeter dick. Am Atommüll-Zwischenlager in Gundremmingen wird Deutschlands erste Schutzwand gegen Terroranschläge errichtet. Der Bürgermeister fürchtet aber, dass Gundremmingen damit nicht mehr nur Zwischenlager bleibt.

Von Stefan Mayr

Am Atommüll-Zwischenlager des Kernkraftwerks Gundremmingen haben die Bauarbeiten für eine zusätzliche Schutzwand begonnen. Der 210 Meter lange, zehn Meter hohe und 85 Zentimeter dicke Wall ist der erste seiner Art in Deutschland.

Der Mauerbau von Gundremmingen ist bereits seit Anfang 2012 ein Thema, doch erst im Januar hat das Bundesamt für Strahlenschutz die atomrechtliche Genehmigung erteilt. Das Bundesumweltministerium begründet den Mauerbau mit dem "Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter". Hierzu zählten "auch mögliche terroristische Angriffe".

Allerdings fragen sich Gundremmingens Bürgermeister Wolfgang Mayer (Freie Wähler) und viele andere Politiker angesichts dieser Begründung, warum das Dach und die Querseiten der Hallen nicht verstärkt werden. Mayer spricht von einer "Mauer des Schweigens", er habe sich "gewundert, dass wir so lange warten mussten, bis wir informiert wurden".

Bis heute gibt es noch kein Endlager für den hochstrahlenden Atommüll der deutschen Kernkraftwerke

Die Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden kerntechnischer Anlagen in Deutschland (Asketa) äußerte die Vermutung, das derart gesicherte Zwischenlager könnte irgendwann "zum Endlager verkommen". Bürgermeister Mayer warf die Frage auf, ob die Mauer wirklich der Terrorismus-Abwehr diene oder vielleicht doch vorrangig der Endlagerung der Brennstäbe?

Schließlich ist bis heute noch kein Endlager für den hochstrahlenden Atommüll der deutschen Kernkraftwerke gefunden. "Vielleicht ist es beides", sagt Mayer, "aber das ist eine Vermutung, die ich nicht beweisen kann." Angesichts der Ungewissheit flüchtet er sich in vielsagenden Galgenhumor: "Nichts hält so lange wie ein Provisorium."

Das Gundremminger Zwischenlager ist eine oberirdische Halle am Rande des Kraftwerk-Areals. Von außen wirkt sie wie ein ganz gewöhnlicher Gewerbebau. In ihm lagern derzeit 41 sogenannte Castorbehälter mit jeweils 52 verbrauchten Brennelementen. Die Schutzwand soll in zwei Jahren fertiggestellt sein. Die Baukosten müssen die Betreiber tragen. Das Gundremminger Zwischenlager wurde 2006 in Betrieb genommen, seine Laufzeit beträgt maximal 40 Jahre.

Danach muss der Müll in ein Endlager transportiert - oder die Laufzeit verlängert werden. Für alle weiteren deutschen Zwischenlager an den Kraftwerk-Standorten sind nach Angaben des Bundesamt für Strahlensicherheit (BfS) Baugenehmigungen für Schutzwände beantragt. Wann über diese Anträge entscheiden wird, teilte das BfS nicht mit.

Zuletzt hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) habe in einem Brief an Bayerns Umweltministerium die Abschaltung des AKW Gundremmingen gefordert, weil die Notstromversorgung nicht ausreichend gegen Erdbeben geschützt sei.

Ein Sprecher des Ministeriums in Stuttgart dementiert dies jedoch. Es gebe zwar ein Schreiben, das Bayerns Minister Marcel Huber (CSU) in Kopie erhalten habe, darin werde aber nicht die Stilllegung gefordert. Das Münchner Ministerium betont, der Reaktor an der Landesgrenze erfülle "alle Sicherheitsvorgaben".

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SZ vom 25.04.2014/amm
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