Atomausstieg 2022:Ja, aber

Fordernde Unterstützer: Energieversorger, Wirtschaft und Kommunen stellen sich in Sachen Atomausstieg 2022 hinter die bayerische Staatsregierung. Allerdings knüpfen sie ihre Mitarbeit an konkrete Forderungen und an Kritik wird auch nicht gespart.

Frank Müller, Christian Sebald und Mike Szymanski

Wenige Tage vor dem Energiegipfel der Staatsregierung zeichnet sich eine breite Unterstützung für die Atomausstiegs-Pläne von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ab. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wollen Energieversorger, Wirtschaft und Kommunen die Energiewende bis 2022 mittragen. Sie verbinden ihre Zusage aber mit teilweise deutlicher Kritik am Vorgehen der Politik und stellen konkrete Forderungen. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) verlangt etwa einen verbindlichen Aktionsplan für Investitionen in neue Gaskraftwerke und Stromnetze.

Eon - Kernkraftwerke Isar

Wie kann der Atomausstieg in Bayern gelingen? Energieversorger, Wirtschaft und Kommunen wollen die Staatsregierung bei der Energiewende unterstützen, allerdings gibt es konkrete Forderungen. (Im Bild: Kernkraftwerke Isar 1 und 2 bei Landshut).

(Foto: dpa)

Für den kommenden Montag und Dienstag hat Regierungschef Seehofer Vertreter der Kommunen, der Wirtschaft und der Energieversorger sowie Netzbetreiber nacheinander zu Spitzengesprächen in die Staatskanzlei eingeladen. Vor allem in der Wirtschaft muss Seehofer noch Überzeugungsarbeit leisten.

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, sagte der SZ: "Jetzt, da der ambitionierte Zeitpunkt für den Ausstieg steht, geht es um den zweiten, sehr viel schwierigeren Schritt, der aber im gleichen Eiltempo gemacht werden muss: die Realisierung des Ausbaus der Ersatzanlagen, Speicher und Leitungen." Brossardt sagte, Bayern müsse jetzt "Nägel mit Köpfen" machen. "Erforderlich sind eindeutige und verpflichtende Festlegungen, wo wir welche Investitionen wann brauchen, wer sie wann durchführt und von wem sie finanziert werden."

Der Verband der bayerischen Energiewirtschaft übt offen Kritik an den Ausstiegsplänen der Bundesregierung. In einem Papier zieht der Verband ein undiplomatisches Fazit, sie seien "überhastet". Die Ziele der Staatsregierung, vor allem die Stromgewinnung aus Sonne und Wind deutlich zu fördern, nennen die Energieversorger "überzogen".

Verbandschef Norbert Breidenbach bekräftigte, der Umbau der Energieversorgung müsse "mit Bedacht erfolgen". Breidenbach verwies auf die Sonderstellung des Freistaats mit derzeit noch knapp 60Prozent Atomstrom. "Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist dies ein besonderer Umstand, der auch bei der Zeitplanung des Kernenergieausstiegs hätte stärker berücksichtigt werden sollen."

Vorsorglich verweisen die Energieversorger darauf, dass sie auch künftig die Nummer eins bei der Stromversorgung im Freistaat sein wollen. Verweigern werde man sich der Energiewende jedoch nicht. "Wir stehen bereit, jetzt den Weg gemeinsam mit allen Beteiligten zu gehen", sagte Breidenbach.

Der Energieversorger Eon, Betreiber unter anderem des bereits stillgelegten Atomkraftwerks Isar1 und einer der Kläger gegen die Brennelementesteuer, wollte sich vor dem Gipfel nicht äußern. Das Handwerk sieht Seehofers Ausstiegskurs trotz zu erwartender Aufträge durch geplante Energie-Investitionen mit Skepsis und warnt vor einem übereilten Ausstiegswettbewerb. Für die Handwerksbetriebe seien nach wie vor die Stabilität und die Kosten der eigenen Energieversorgung wichtig, sagte ein Sprecher.

Die Kommunen zeigen sich offen für Seehofers Pläne. Bayerns Städtetagschef, Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU), sagte: "Die Städte sehen in der Energiewende Chancen für einen nachhaltigen Klimaschutz sowie für ein modernes Energiesystem mit dezentraler Versorgung." Die kommunalen Stadtwerke sieht er in einer Sonderrolle. "Ohne sie ist die Energiewende nicht zu meistern, ohne die Vielfalt dezentraler kommunaler Kraftwerke wird es nicht funktionieren."

Auch der Gemeindetag appelliert an Seehofer, die Kommunen auf dem Land stark in die Planungen einzubeziehen. Die Energiewende werde maßgeblich auf dem Land vollzogen. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) legt Wert darauf, dass die Wertschöpfung vor Ort erfolgt und die Gemeinden die Geschäfte machen. "Auf der Basis unserer Beratungen können wir Ihnen versichern, dass Bayerns Gemeinden den Kurs mittragen", schreibt Brandl an Seehofer.

Der Gipfel beginnt am Montagnachmittag und findet hinter verschlossenen Türen in der Staatskanzlei statt. "Interne Fachgespräche", heißt er nur. Es soll keine Pressekonferenzen geben, keine O-Töne. Dramaturgisch steuern die Atomgespräche auf ihren Höhepunkt im Landtag zu. Dort gibt Seehofer am Dienstagnachmittag eine Regierungserklärung ab und will Ergebnisse der Gespräche verkünden.

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