Atomausstieg in Bayern:Wie geht's hier raus?

Lesezeit: 4 min

CSU und FDP wetteifern in Bayern um den besten Weg zum Atomausstieg. Grüne und Bund Naturschutz waren schon vor Jahren so weit. Ein Konzeptvergleich.

Mike Szymanski und Christian Sebald

Beim Atomausstieg will keiner der Letzte sein. In der schwarz-gelben Regierungskoalition in Bayern ist zwischen Umweltminister Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) der Wettlauf um das schlüssigste Konzept entbrannt. Die SZ hat sich beide Entwürfe vorgenommen, mit jenen verglichen, die Grüne und Bund Naturschutz teilweise schon vor Jahren vorgelegt haben und erstaunliche Übereinstimmungen festgestellt. Ein Überblick.

Energiewende in Deutschland: Die Pläne der Parteien sind teils ähnlich, teils unterschiedlich. (Foto: dpa)

Ausstiegseifer

Grüne: Sie würden lieber heute als morgen aussteigen, mit dem Ausstiegsszenario der rot-grünen Bundesregierung gaben sie vor zehn Jahren den Zeitplan vor.

CSU: Der Eifer ist erst seit dem Atomunfall von Fukushima erkennbar, jetzt aber umso glühender.

FDP: Die Liberalen sind hin- und hergerissen, die Wirtschaft sitzt ihnen mit ihren Bedenken im Nacken.

BN: Die Naturschützer sind strikte Atomgegner, fordern seit Jahren die sofortige Abschaltung der Kernkraftwerke.

Ausstiegsdatum

Grüne: 2020

CSU : 2020, allerspätestens 2022

FDP: 2025

BN: 2011

Anteil Ökostrom

Grüne: Schon vor vier Jahren hielten die Grünen im Jahr 2020 einen Anteil von mehr als 40 Prozent Ökostrom für möglich und das bei sehr viel ehrgeizigeren Klimaschutzzielen, als sie die Staatsregierung formulierte.

CSU: Neuerdings 50 Prozent bis 2020.

FDP: Hält ebenfalls 50 Prozent für realistisch, allerdings bis zum Jahr 2021.

BN: Sagt schon immer, 50 Prozent sind bis 2020 realistisch.

Windenergie

Grüne: Wussten schon 2007, dass in Bayern viel Wind weht, genug für 1800 neue Windräder, die zwölf Prozent des Strombedarfs decken könnten.

CSU: Wind gibt es erst, seit Umweltminister Markus Söder Wind macht, dann aber genug für 1500 Anlagen.

FDP: Für die FDP tun es auch 1000 neue Windenergieanlagen.

BN: Für die Naturschützer ist Windkraft seit eh und je die effektivste regenerative Energie. Sie wollen bis 2050 ein Viertel des Strombedarfs aus Windkraft decken. Vorerst reichen ihnen 2000 Anlagen.

Wasserkraft

Ob Grüne, CSU, FDP oder BN, hier besteht weitgehend Einigkeit: Das Potential der Wasserkraft ist so gut wie ausgeschöpft. Steigerungen von derzeit 15 auf etwa 17 Prozent sind das höchste der Gefühle. Das bedeutet aber immer noch zusätzlichen Strom für 500000 Haushalte. Bis auf Wirtschaftsminister Martin Zeil ist die Politik nicht mehr bereit, Bayerns Flüsse mit großen Kraftwerken weiter zuzubauen, wie sich einige Energiekonzerne das noch vorstellen. Die vorhandenen Anlagen sollen modernisiert werden.

Sonnenkraft

Grüne: Sind vom Solarboom der vergangenen Jahre überrollt worden und hatten erst 2020 einen Anteil von vier Prozent erwartet. Dabei ist das schon jetzt erreicht.

CSU: Hatte gedacht, vier Prozent aus Sonnenenergie reichen, und strich deswegen mit der Bundesregierung die Förderung für Solarparks auf Äckern. Die will Söder nun zurückhaben und den Sonnenstrom-Anteil bis 2020 vervierfachen.

FDP: Auch die Liberalen sind von der Subventionitis infiziert, sie überholen beim Ausbauziel sogar Söder und wollen auf 16,4 Prozent Solarstrom kommen.

BN: Der steigt vor allem den Bürgern aufs Dach: Aus den Solarmodulen dort oben soll bis 2050 ein Viertel des Stroms stammen. Die Umweltschützer wollen sehr viel mehr Rücksicht auf die Landschaft nehmen als Söder und Co.

Biomasse

Bei Strom aus Biogas sind allmählich die Grenzen erreicht. Zu groß ist inzwischen die Konkurrenz um die Anbauflächen. Nicht nur die Artenvielfalt verschwindet, auch Prinzipien leiden: Sollen Bauern für den Teller oder für den Tank produzieren? Entsprechend moderat fallen parteiübergreifend die Ausbauziele aus - von derzeit etwa acht auf zehn Prozent an der Stromproduktion.

Geothermie

Experten zufolge schlummert in der Geothermie allein in Bayern das Energiepotential eines Atomkraftwerks. Noch wagt sich aber niemand so richtig ran an diesen Schatz. Gerade ein Prozent soll der Anteil der Tiefenwärme an der Stromproduktion im Jahr 2020 laut CSU und FDP betragen. Grüne und Bund Naturschutz tun sich sogar schwer, überhaupt ein konkretes Ziel zu nennen.

Energiesparen

Grüne: Ob Küche oder Maschinenhalle, die Grünen sind fest davon überzeugt, dass sich der Strombedarf bis 2020 um bis zu 21 Prozent senken lässt.

CSU: Söder ist schon froh, wenn die Bayern nicht mehr Strom verbrauchen. Auch er setzt auf Sparprogramme. Das größte Potential sieht Söder bei Industrie und Gewerbe - sie sollen 20 bis 30 Prozent weniger Strom verbrauchen.

FDP: Zeil macht sich auch Gedanken um die Unternehmen. Aber als Wirtschaftsminister will er billigen Strom für sie. Erhebliche Einsparpotentiale sieht er dafür bei den Privathaushalten, denen er mit Energiespartipps auf die Sprünge helfen will, und womöglich noch bei Mittelständlern. Kommunen will er Kredite geben, wenn sie ihre Straßenbeleuchtung auf Sparlampen umrüsten.

BN: Da sind die Umweltschützer radikal: Zwei Drittel des Energieverbrauchs lassen sich nach ihrer Überzeugung einsparen. Aber dazu bräuchte es tatsächlich ein revolutionäres Umdenken bei Bürgern, Politik und Wirtschaft.

Versorgungssicherheit

Grüne: Ist gegeben, wenn sich Bayern damit abfindet, regenerativen Strom aus anderen Bundesländern zu importieren.

CSU: Für Söder bleibt Bayern Strom-Exporteur - solche Potentiale biete die Energiewende. Das setzt voraus, dass kurzfristig gelingt, was sonst Jahre und Jahrzehnte dauert: Neue Stromautobahnen und Speicherkraftwerke sollen nun in Rekordzeit kommen.

FDP: Zeil nennt 2020 für den Atomausstieg "völlig unrealistisch". Bis dahin sei man nicht so weit, um Versorgungssicherheit garantieren zu können.

BN: Macht es sich einfach. Er setzt auf die Sparsamkeit der Verbraucher.

Klimaverträglichkeit

Grüne: Die Grünen setzten sich 2007 die härtesten Bedingungen. Sie wollten den Klimaschutz forcieren und die Atomreaktoren abschalten. Das hat seinen Preis: In einer Übergangszeit wollten sie sogar Importe von Kohlestrom aus anderen Bundesländern in Kauf nehmen.

CSU: Die neuen Gaskraftwerke, die Söder bauen will, blasen pro Jahr acht Millionen Tonnen CO2 zusätzlich in die Luft. Die will er an anderer Stelle, etwa im Verkehr, einsparen. Die genauen Details bleibt er schuldig.

FDP: Auch Wirtschaftsminister Zeil sieht das CO2-Problem, weiß aber keine präzisen Antworten.

BN: Jede eingesparte Kilowattstunde Strom schont das Klima. Daher, so das Mantra der Naturschützer: "Energisch Energie-Sparen!"

Kosten

Grüne: Die Grünen haben bisher lieber über die Chancen der Energiewende gesprochen. Konkrete Zahlen, was sie kostet, haben sie nicht vorgelegt. Der Bau von Windrädern, Solarmodulen und Biogasanlagen ist für sie ein gigantisches Investitionsprogramm.

CSU: Söder weiß, dass die Energiewende teuer wird. Alle sollen zahlen. Deshalb verlangt er eine Art Energiesteuerreform. Zum Beispiel sollen Erben bei der Erbschaftssteuer bevorzugt werden, wenn sie das Häuschen der Oma energetisch auf Vordermann bringen.

FDP: Zeil legt als Einziger Zahlen vor. Allein von 2012 bis 2016 wird die Energiewende den Freistaat 1,2 Milliarden Euro kosten. Verbraucher und Unternehmen werden höhere Strompreise zahlen müssen. Zeil hat schon Angst, dass Firmen abwandern.

BN: Die Naturschützer halten es wie die Grünen: nur Chancen, keine Risiken.

© SZ vom 07.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: