Atom-Streit:"Wie kann man sich so von den Menschen entfernen?"

Kernkraftwerke sollen länger laufen, sagt die CSU-Spitze. Blödsinn, kontert die Basis in Landshut - wo das Kraftwerk Isar I steht. Die Landshuter CSU-Fraktionschefin ist enttäuscht von der Parteiführung.

Tobias Dorfer

Ihre Partei macht es der CSU-Fraktionsvorsitzenden im Landshuter Stadtrat, Anna-Maria Moratscheck, gerade nicht leicht. Anfang September haben die Christsozialen zusammen mit CDU und FDP längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ausgehandelt - ein Deal, der in Landshut Entsetzen hervorgerufen hat. Denn die niederbayerische Stadt ist direkt betroffen. Nur wenige Kilometer entfernt steht der in die Jahre gekommene Reaktor Isar I, den viele Menschen hier für unsicher halten - und der nun erst im Jahr 2019 abgeschaltet werden könnte. Neben SPD und Grünen stemmt sich auch die CSU im Stadtrat gegen die Berliner Atom-Pläne.

Dr Anna Maria Moratscheck

Anna-Maria Moratscheck führt die CSU-Fraktion im Landshuter Stadtrat zusammen mit Gabriele Goderbauer-Marchner. Das Duo spricht sich gegen eine Laufzeitverlängerung des Reaktors Isar I nahe Landshut aus.

(Foto: von Privat)

Und dann ist da noch ein Problem für CSU-Frau Moratscheck: Am 10. Oktober wählt Landshut einen neuen Oberbürgermeister - hier könnte ein grüner Kandidat dem christsozialen Amtsinhaber Hans Rampf das Leben schwer machen.

sueddeutsche.de: Frau Moratscheck, wurden Sie eigentlich schon einmal als CSU-Rebellin bezeichnet?

Anna-Maria Moratscheck (lacht): Nein. Wieso auch?

sueddeutsche.de: Weil Sie sich gegen die Parteispitze stellen und den von der CSU-Führung mit ausgehandelten Atomkompromiss kritisieren.

Moratscheck: Wir Landshuter waren schon immer der Meinung, dass man mit dem Thema Atomkraft vorsichtig umgehen sollte und haben auch immer entsprechend Stellung bezogen. Diese Haltung hat sich nicht geändert. Das kann auch die CSU-Führung so nachlesen.

sueddeutsche.de: Die Parteioberen scheinen auf diesem Auge blind zu sein. Sind Sie sauer auf Horst Seehofer?

Moratscheck: Ich hätte mir zumindest ein anderes Vorgehen gewünscht.

sueddeutsche.de: Zumal Sie neben dem Atomkraftwerk noch ein zweites Problem haben: Am 10. Oktober wird in Landshut der Oberbürgermeister gewählt - und der grüne Kandidat Thomas Keyßner könnte den Amtsinhaber Hans Rampf von der CSU in die Stichwahl zwingen. Zittern Sie bereits?

Moratscheck: Überhaupt nicht. Hans Rampf hat sich ganz eindeutig positioniert. Er hat gegen Isar I gestimmt, die Resolutionen nach Berlin und München verschickt und zuletzt auch den Brief an Bundesregierung, Ministerpräsident, Umweltminister und Landesgruppe unterschrieben. Darin haben wir noch einmal gebeten, von dieser Laufzeitverlängerung Abstand zu nehmen.

"Wie bei einem alten Auto"

sueddeutsche.de: Sehen die CSU-Oberen in München und Berlin denn nicht, was die Basis vor Ort beschäftigt?

Naechtlicher Greenpeace-Protest an allen AKW-Standorten

Greenpeace-Protest gegen den Atom-Kompromiss: Wie sicher ist Isar I?

(Foto: dapd)

Moratscheck: Das kann ich nicht sagen. Ich verstehe nur nicht, wie man sich so weit von dem entfernen kann, was die Menschen bewegt.

sueddeutsche.de: Was können Sie eigentlich noch tun, um die Laufzeitverlängerung zu verhindern?

Moratscheck: Ich weiß nicht, was wir noch machen sollen. Wir haben den Antrag eingebracht, eine Resolution zu verabschieden. Das ist geschehen. Dann haben wir am 15. September noch einmal die erwähnten Briefe verschickt. Nun können wir der Presse entnehmen, dass die Laufzeitverlängerung kommen wird. Das ist die Situation.

sueddeutsche.de: Und damit finden Sie sich ab?

Moratscheck: Das müssen wir jetzt sehen. Wir warten jetzt auf die Antwort auf unseren zweiten Brief.

sueddeutsche.de: Was stört sie eigentlich konkret an dem Kraftwerk?

Moratscheck: Ich bin nicht generell gegen die Atomkraft. Aber Isar I ist ein alter Reaktor, dessen Schwächen bekannt sind. Wir zweifeln daran, dass dieser Reaktor noch sicher ist. Sicher, in den vergangenen Jahren wurde viel in das Kraftwerk investiert. Aber es bleibt eben ein alter Reaktor. Und da ist es wie bei einem alten Auto: Irgendwann muss man es einfach verschrotten.

sueddeutsche.de: Drei Tage vor der Wahl kommt mit CSU-Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg ein Vertreter der Parteispitze zur Kundgebung nach Landshut. Ist das hilfreich?

Moratscheck: Herr Guttenberg ist immer hilfreich. Es ist ja unbestritten, dass er ein sehr erfolgreicher Politiker ist und für unsere Stadt ist es eine Aufwertung, dass er zu uns kommt. Egal, welche Einstellung er zum Atomkraftwerk hat.

sueddeutsche.de: Nutzen Sie zuhause eigentlich Ökostrom?

Moratscheck: Ich bekomme meinen Strom von den Stadtwerken und die haben in den letzten Jahren stark darauf geschaut, dass ein Energiemix zustande kommt. Da ist Wasserkraft enthalten, Sonnenstrom - es kann aber durchaus auch die Komponente Atomstrom enthalten sein.

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