Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Zwischen Frust und Kampfgeist

Flüchtlingshelfer erlebten die vergangenen Jahre zwiespältig

Von Dietrich Mittler

Fünf Jahre nach Gründung haben die Flüchtlingshelfer von "Asyl im Oberland" Bilanz gezogen. Ihr auf mehreren Fragebogenaktionen basierender Bericht liegt nun vor, erarbeitet von Jost Herrmann, der sich auch als Mitorganisator der oberbayerischen Asylgipfel einen Namen gemacht hat. Als damals eine Flüchtlingsbewegung bislang ungeahnten Ausmaßes einsetzte, seien viele Oberländer bereit gewesen, sich der Herausforderung zu stellen und der Zivilgesellschaft zu helfen, hebt Herrmann hervor: "Zeitweise engagierten sich hier mehr als 900 Flüchtlingshelfer und -helferinnen auf diesem Gebiet." Sie, und dabei handelte es sich zu zwei Dritteln um Frauen, "waren ein wichtiges Bindeglied zu Behörden wie Ausländeramt, Gemeindeverwaltung, Polizei, Jobcenter sowie auch zu Arbeitgebern, Schulen, Ärzten, Vereinen und Vermietern".

Die ehrenamtliche Unterstützung der Geflüchteten mündete, wie Herrmann in seiner Studie aufweist, im Jahr 2016 in einer Phase der Erschöpfung. Die Gründe für diesen Tiefpunkt waren vielschichtig. Nicht allein, dass der Umgang mit verunsicherten und oft auch traumatisierten Flüchtlingen die Helfer vor Aufgaben stellte, die weit über ihren bisherigen Erfahrungshorizont hinausgingen - etwa, dass sie sich nun plötzlich in der Rolle als ehrenamtliche Deutschlehrer, Jobvermittler oder Trauma-Begleiter wiederfanden. Hinzu kam die zunehmende Frustration im Umgang mit den Behörden, die oft die vorangegangenen Bemühungen der Helfer zunichte machten, meist durch den Entzug der Arbeitserlaubnis bei bestimmten Flüchtlingsgruppen wie etwa bei Senegalesen und später auch bei Afghanen.

Herrmanns Analyse beschreibt dieses Dilemma: Die Helfer hätten "den sozialen Frieden und die einzelnen Menschen" im Blick gehabt. "Der Staat", so heißt es in der Studie, "handelte nach anderen Prinzipien. Die Politik und die Verwaltung teilte die Menschen in Kategorien ein. Menschen mit guter Bleibeperspektive, aus sicheren Herkunftsländern und so weiter". Die Folge: Etliche Helfer gaben frustriert auf. "Jetzt erst recht!", lautete aber 2017 die Devise in den Helferkreisen, die - zwischendurch erneut von Resignation erfasst - dann noch entschlossener für ihre Sache eintraten. Ernüchterter als zur Anfangszeit, aber auch professioneller.

"Die Helferkreise leisten weiterhin unverzichtbare Arbeit, damit neu zugewanderte Menschen in Deutschland Fuß fassen können", schreibt Herrmann. Dazu sei aber vonnöten, dass sich die von den Helferkreisen angestrebte Kommunikation mit der Politik und den Behörden verbessere. Unterstützung und Verständnis erhalten Helferkreise derzeit aber oft nur von Oppositionspolitikern. Die SPD-Abgeordnete Angelika Weikert etwa betont: "Um das ehrenamtliche Engagement für Flüchtlinge auch in Zukunft zu gewährleisten, muss sich vor allem die bayerische Asylpolitik ändern."

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Quelle:
SZ vom 27.03.2018
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