Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:"Wir wollen keine Sozialleistungen, wir wollen arbeiten"

  • Weil Senegal und Ghana als sichere Herkunftsländer gelten, haben nur wenige Flüchtlinge aus diesen Staaten Chancen auf Asyl.
  • Beide Staaten weigern sich aber oft die Flüchtlinge zurückzunehmen.
  • Den Staat kostet die Verpflegung der Flüchtlinge viel Geld. Arbeiten dürfen die wenigsten von ihnen.

Von Dietrich Mittler

Käme Keita Balde nicht aus der westafrikanischen Republik Senegal, er wäre auch aus Sicht der Staatsregierung so etwas wie ein Vorzeige-Flüchtling. "Ich bin immer morgens um sieben Uhr aufgestanden, um zu arbeiten", sagt er. Verbittert schiebt er hinterher: "Andere in meiner Unterkunft sind um zehn Uhr aufgestanden, haben sich schöne Kleidung gekauft, eine deutsche Frau gesucht und ihr ein Kind gemacht. Die haben jetzt Aufenthaltsrecht!" Balde hat inzwischen nicht einmal mehr eine Arbeitserlaubnis. Daran hat auch nichts geändert, dass er eine Ausbildung als Pflegefachhelfer absolviert hat und gut Deutsch spricht.

Keita Balde könnte eigentlich sofort in einer Branche durchstarten, die händeringend Arbeitskräfte sucht. Mit Hilfe einer Arbeitserlaubnis hätte er in Bayern gar 2448 Euro im Monat brutto verdienen können. Er hätte Steuern bezahlt und wie andere Arbeitnehmer in die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung eingezahlt. Stattdessen lebt Balde nun wider Willen auf Kosten des Staates, der ihn in ein Vierbett-Zimmer der Gemeinschaftsunterkunft Vilshofen einquartiert hat und ihm monatlich 340 Euro für Lebensmittel, Körperpflege und Kleidung bereitstellt.

"Wir wollen keine Sozialleistungen, wir wollen arbeiten."

Balde ist kein Einzelfall. Von den gut 3050 in Bayern lebenden Senegalesen hatten nur 172 am Stichtag 31. August 2016 eine Niederlassungserlaubnis, 1796 steckten noch im Asylverfahren. 409 Senegalesen befanden sich im Status der Duldung, sprich ihre Abschiebung wurde ausgesetzt. Tatsache ist aber, dass sich Senegal generell gegen ein Rückführungsabkommen mit Deutschland sperrt. "Das Innenministerium versucht mit allen Mitteln, Flüchtlinge ohne gute Bleibeperspektive auszugrenzen, selbst wenn eine Abschiebung oder Ausreise in absehbarer Zeit nicht realisierbar ist", sagt Stephan Dünnwald, ein Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. Keita Balde versteht nicht, warum der Staat das tut: Das sei doch wirklich nicht klug. "Wir wollen keine Sozialleistungen, wir wollen arbeiten."

Die Landtags-Grünen stellten sich offenbar dieselben Fragen, die auch Keita Balde beschäftigen: Wie viel Geld lässt es sich Bayern kosten, hier afrikanische Flüchtlinge aus dem Arbeitsleben herauszureißen. Christine Kamm, die asylpolitische Sprecherin der Grünen, reichte eine Anfrage ein - bekam aber auf alle diesbezüglichen Fragen immer wieder die Antwort: "Hierzu liegen keine statistischen Angaben vor, sie könnten nur mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand ermittelt werden." Stetig taucht dieser Satz auf - sowohl bei der Frage, wie viele der in Bayern lebenden Senegalesen und Ghanaer sich in Arbeit oder Ausbildung befinden als auch bei jener, wie vielen nach dem 31. März 2015 die Arbeitserlaubnis entzogen wurde.

"Die Staatsregierung ist nicht willens, unsere Fragen zu beantworten."

Folglich gibt es auch keine Antwort darauf, um welche Summen der Staatshaushalt entlastet werden könnte, wenn "die gestatteten und geduldeten Asylsuchenden arbeiten dürften". Dass Menschen wie Balde nicht arbeiten dürfen, erklärt sich aus Behördensicht in erster Linie daraus, dass die Staaten Senegal und Ghana als sichere Herkunftsländer deklariert wurden. Nach Rechtsauffassung des Innenministeriums unterliegen Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern einem Beschäftigungsverbot. Dem will der Münchner Anwalt Hubert Heinhold gar nicht widersprechen. Das sei "zutreffend". Der Jurist, der die Interessen von Asylbewerbern vertritt, hält aber mit einem Gutachten dagegen: Das Verweigern einer Arbeitserlaubnis gelte laut Gesetz nicht für diejenigen, die ihren Asylantrag vor dem 31. August 2015 gestellt haben. Zu jenen gehört Keita Balde. Er hatte seinen Antrag 2013 gestellt.

Die Grünen-Abgeordnete Kamm glaubt mittlerweile: "Die Staatsregierung ist nicht willens, unsere Fragen zu beantworten." Diese Erfahrung hat auch Peter Bauer von den Freien Wählern machen müssen. Er hatte in dieser Sache ebenfalls eine Anfrage gestellt. Die Antwort fiel eher knapp aus. Statistiken "zu Asylbewerbern erteilten oder versagten Beschäftigungserlaubnissen" würden nicht geführt, hieß es.

Christine Kamm hat nun selbst Berechnungen angestellt, welche Ausgaben die Staatsregierung hinzunehmen bereit ist, indem sie Senegalesen sowie Flüchtlingen aus Ghana die Arbeitserlaubnis entziehen lässt, beziehungsweise verweigert. "Wenn nur die Hälfte von ihnen eine Arbeit findet, bedeutet das, dass auf alle Fälle mehr als 32 Millionen Euro an Asylbewerberleistungen hätten gespart werden können", sagt sie. Damit sei noch nicht angesprochen, was den Betroffenen menschlich angetan werde. "Sie leiden unter dem Nichtstun, der Stagnation", bringt es Stephan Dünnwald auf den Punkt. Die Flüchtlinge würden regelrecht auf ein Abstellgleis geschoben.

Keita Balde kann dem nicht widersprechen. "Es tut weh", sagt er.

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SZ vom 29.12.2016/eca
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