Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Wie christlich ist die CSU noch?

Bischöfe fordern in der Flüchtlingspolitik mehr Respekt vor der Menschenwürde, CSU-Politiker keilen zurück. Noch nie war die Kluft zwischen der Kirche und den Christsozialen so tief.

Von Katja Auer, Dietrich Mittler und Wolfgang Wittl, München/Bamberg

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick will niemandem das Christsein absprechen, natürlich nicht, das gebietet schon die Bibel. Und so sei das C der CSU immer noch gerechtfertigt - "als Zielvorgabe". Die Partei, die sich immer so nah bei der Kirche sah, möge das C beibehalten "und sich danach richten".

Es sind deutliche Worte, die sich die CSU zurzeit von vielen Kirchenmännern anhören muss. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm: Alle kritisieren die Flüchtlingspolitik der CSU als unchristlich und die Wortwahl oft als unangemessen. Nun wieder Schick. Es sind die Zeichen einer fortschreitenden Entfremdung.

Die CSU müsse achtsamer sein mit der Sprache, fordert der Erzbischof, "ich habe den Eindruck, dass das zurzeit nicht passiert." Dass die Partei "mit unlauteren Mitteln" versuche, die Wähler am rechten Rand einzufangen und so die AfD klein zu halten, halte er für die falsche Strategie. Der Zweck heilige nicht die Mittel, sagt Schick.

Im Gegenteil, "alles, was die Menschenwürde tangiert, dürfen wir nicht so stehen lassen. Das ist unsere Pflicht als Christen". Deswegen werde er immer wieder einschreiten, wenn sich Politiker so äußerten wie zuletzt Generalsekretär Andreas Scheuer. Der sagte: "Das Schlimmste ist ein Fußball spielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben."

Er habe einen Eid auf die Verfassung abgelegt, betont Schick, ganz bewusst. Deshalb achte er darauf, "dass das so eingehalten wird, wie es da steht". Und die Menschenwürde sei nun einmal als oberstes und erstes Prinzip dort festgeschrieben.

Es sind harte Worte, die Ministerpräsident Horst Seehofer zurückweist. Seine Politik stehe "total" auf dem Boden des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung, sagt der CSU-Chef am Mittwoch. Und dass er sich vom christlichen Menschenbild, vom christlichen Sittengesetz und der christlichen Soziallehre leiten lasse. Wenn es unterschiedliche Ansichten gebe zwischen Kirchen und CSU, "dann muss man halt miteinander reden und versuchen, das aufzuklären".

Ob Scheuer sich von seinem Satz nicht nur distanzieren, sondern dafür entschuldigen müsse? Er kenne keinen Politiker, der nicht mal Sätze formuliert habe, "die man vielleicht nicht mehr so wiederholen würde". Scheuer habe klar gemacht, dass er zuspitze. Es gehöre auch zum Miteinander, "dass man irgendwann auch mal die Sache belassen kann", sagt Seehofer.

Aber danach sieht es derzeit nicht aus. Umgekehrt wächst auch in der CSU der Grant auf die Kirchen. Justizminister Winfried Bausback, selbst katholischer Christ, nennt die Kritik der Bischöfe auf Facebook "vielfach überzogen, undifferenziert und meines Erachtens auch unchristlich". Die CSU habe als einzige politische Kraft eine klare und humanitäre Konzeption in einer Flucht- und Migrationslage, die beispiellos sei.

Unter den Folgen dieser Debatte leiden inzwischen auch CSU-Politiker, die sich in besonderem Maße in der Asylpolitik engagieren. Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die am Samstag im Landtag einen Empfang für Flüchtlingshelfer geben wird, fühlt sich als Spielball parteipolitischer Auseinandersetzungen zwischen CSU und Grünen. Deren Fraktionschefin Margarete Bause hatte Stamm vorgeworfen, ihre lobenden Worte für die Helfer hätten einen "ganz faden Beigeschmack", wenn Scheuer "gleichzeitig ehrenamtliche Integrationsarbeit in den Schmutz zieht".

Deshalb kündigten manche Helfer bereits an, den Empfang zu boykottieren. Stamm nennt es am Mittwoch "bedauerlich", dass "von einer Fraktion dieses Hauses" Stimmung gemacht worden sei. "Und das halte ich einfach nicht für gut. Mir braucht man keinen Nachhilfeunterricht zu geben, was es bedeutet, die Wertschätzung von Ehrenamtlichen zu sehen und sie auch zu unterstützen in ihrer großartigen Tätigkeit." Stamm hatte als eine von wenigen CSU-Spitzenpolitikern Scheuer offen kritisiert. Solche Worte seien nicht ihre Welt. "Ein Senegalese kann doch nichts dafür, dass die Verfahren so lange dauern. Da sollten wir froh sein, wenn er sich integriert."

Aus dem Kreis der Asylhelfer kommt dennoch Zuspruch an der Kritik der Kirchen. Sylvia Huber, aktiv im Donauwörther Helferkreis "Aktion Anker", betont: "Ich finde es richtig, dass die Kirchen hier klar Stellung beziehen, muss allerdings auch sagen, diese deutlichen Worte habe ich in den vergangenen zwei Jahren doch etwas vermisst." Mit ihrer gegenwärtigen Asylpolitik verunsichere die CSU die Bevölkerung - und in Teilen die ehrenamtlichen Helfer.

Mit der ständigen Wiederholung "Das ist nicht zu schaffen" werde nur erreicht, dass die Leute Angst bekämen und sagten: "Nein, die Integration der Flüchtlinge ist tatsächlich nicht zu schaffen, und dann brauchen auch wir nichts mehr zu tun, da es letztlich sinnlos ist." Es sei an der Zeit, dass die Staatsregierung würdige, "was bereits alles erreicht wurde".

Sylvia Huber wird deshalb den Empfang im Landtag boykottieren. Ludwig Niederberger, der für die bosnische Familie Makalic eine Landtagspetition initiiert hatte, kann das gut verstehen. "Die CSU will sich jetzt mit den Helferkreisen schmücken, obwohl sie diese mit ihrer Politik stetig behindert, wenn nicht gar bekämpft." Michael Wagner, der sich für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einsetzt, sagt: "Es macht gar keinen Sinn, wenn hier nun ehrenamtliche Asylhelfer im Landtag belobigt werden sollen, ihnen aber dauernd Knüppel zwischen die Beine geworfen werden."

Die Staatsregierung propagiere zwar eine Willkommenskultur, handele im Grunde aber absolut restriktiv. So denkt auch Lars Riewe, Koordinator im Helferkreis Unterdießen: "Wir als Helfer fordern eine klare Anweisung von oben" - so auch an alle Mitarbeiter in den Landratsämtern, Arbeitsagenturen und Jobcentern, "uns bei der Arbeit nicht weiter zu behindern, sondern mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu unterstützen", sagte er. Mit der Stimmungsmache gegen Asylbewerber müsse endlich Schluss sein.

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SZ vom 29.09.2016/amm
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