Asylpolitik:Wenn Mitarbeiter abgeschoben werden

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In Promise Ali hat Bäcker Polz aus Ampermoching eine zuverlässige Kraft für seinen Familienbetrieb gefunden. Der 23-Jährige ist nicht sein einziger Angestellter, der Deutschland bald verlassen soll.

Von Viktoria Großmann, Hebertshausen

Bäcker Polz braucht Lehrlinge. Jedes Jahr könnte er ein bis zwei einstellen. Auf seiner Homepage sind dazu drei Vollzeitjobs ausgeschrieben. Es gibt viel zu tun. Der Familienbetrieb aus Ampermoching hat Filialen im ganzen Landkreis Dachau und beliefert Bio-Supermärkte in München.

Da tut es weh, wenn auf einen Schlag drei Arbeitskräfte wegfallen: Zwei Angestellte aus Nigeria und Afghanistan und ein nigerianischer Lehrling sollen auf Anordnung der Behörden Deutschland verlassen.

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Promise Ali heißt der 23-Jährige, der an diesem Freitagvormittag gemeinsam mit Konditorlehrling Lolade Bello die Backstube putzt. Seit drei Uhr morgens hat Promise die Lieferungen für die Filialen zusammen gepackt. Für seine Vollzeitstelle ist er von Haimhausen nach Hebertshausen gezogen, er spielt aber noch für den SV Haimhausen Fußball.

Am Sonntag geht es gegen Odelzhausen. Stolz präsentiert Ali sein gelb-grünes Trikot mit der Nummer 7. "Ich will nicht zurück nach Bulgarien", sagt er. "Niemand will dorthin." Weil er über das EU-Land nach Deutschland gekommen ist, soll er nach dem Dublin-Verfahren abgeschoben werden. Er ist "vollziehbar ausreisepflichtig", wie es im Behördendeutsch heißt. Promise Ali sagt: "Sie können jederzeit kommen."

Erst in dieser Woche hat Thomas Polz durch ein dreiseitiges Schreiben der Bezirksregierung erfahren, dass er Ali nur noch bis nächsten Freitag beschäftigen darf. Am 31. März läuft die Arbeitsgenehmigung aus. "Ich mache mich strafbar, wenn ich ihn dann noch in die Backstube lasse", sagt Polz. An diesem Freitagmorgen hat ihm einer seiner beiden afghanischen Angestellten gesagt, dass sein Antrag auf Asyl abgelehnt wurde.

"Der spricht Deutsch, Englisch und die beiden afghanischen Sprachen." Er habe in Afghanistan als Dolmetscher gearbeitet und traue sich nicht zurück in sein Land, erzählt Polz. Er sorgt sich nun um zwei weitere Angestellte, ebenfalls aus Afghanistan und Nigeria.

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Wenn der 61-Jährige und seine Frau Sabine ihren Betrieb einmal ihrem Sohn und der jüngeren Tochter übergeben, werden diese ihn in der vierten Generation führen. Familie, das ist hier ein weit gefasster Begriff. Der Bäckerin, die an diesem Vormittag selbst hinter der Ladentheke steht, gehen die Abschiebungen sichtlich nahe. "Die kommen hier endlich einmal zur Ruhe, sie verdienen Geld, sie bekommen keinen Cent vom Staat, sie können hier wohnen. - Wem nützt das, jemanden wie Promise nach Bulgarien zu schicken?"

Die Unterbringung und Behandlung von Flüchtlingen in Bulgarien wird von Verbänden wie Pro Asyl und dem Bayerischen Flüchtlingsrat heftig kritisiert. Das Verwaltungsgericht Hannover hat im Februar die Abschiebung eines afghanischen Flüchtlings in das EU-Land ausgesetzt, weil der Mann dort der "Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung" im Sinne der Grundrechtecharta ausgesetzt sei. Alis Klage in München wurde abgelehnt.

Er verbrachte wegen illegalen Grenzübertritts ein Jahr in einem bulgarischen Gefängnis. Ali sei dort geschlagen worden, sagt Peter Barth vom Helferkreis. Danach wurde Ali in ein Flüchtlingscamp gebracht. Von dort entkam er und floh über Serbien und Ungarn nach München. Aus Nigeria floh er vor Terrorismus und Bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Polz weist auf die großen Brandnarben an Alis Armen. Verletzungen, die er sich in Nigeria zugezogen hat.

"Baba" nennt Promise Thomas Polz. Der erzählt, wie er dem jungen Mann beibringen musste, Kürbisbrot von Dinkel-Grünkern-Brot zu unterscheiden. Am Anfang sei sie skeptisch gewesen, sagt Sabine Polz, von den nigerianischen Mitarbeitern "Mama" genannt. "Ein halbes Jahr lang haben wir ihn angelernt, das hat Zeit und Geld gekostet." Polz hat erfahren, wie aufwendig und kompliziert es ist, Menschen mit laufendem Asylverfahren einzustellen.

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"Ohne den Helferkreis", sagt er, "hätten wir das nicht geschafft." Behördengänge, Papiere, Bescheinigungen waren zu beschaffen. "Die haben ja nicht einmal eine Krankenversicherung". Promise Ali brachte eine Arbeitserlaubnis mit, die bis 21. März 2019 gültig ist. Darauf hat sich Polz verlassen, doch der Abschiebebescheid hebt diese Erlaubnis auf.

Polz braucht nicht nur Hilfe im Betrieb, er will auch helfen. Einfach hat er es sich mit der Auswahl seiner Angestellten nie gemacht. Ungarn sind darunter und ein junger Mann, der aufgrund einer Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer eine Stelle finden würde. Das Grundstück in Ampermoching ist derzeit eine Baustelle. Die Backstuben werden zusammengelegt, erklärt Polz.

Im Obergeschoss baut er Wohnungen ein. Zwei ungarische Angestellte und der nigerianische Lehrling Lolade Bello, dessen Antrag auf Asyl ebenfalls abgelehnt wurde, wohnen bereits im Haus. "Die finden ja hier nichts." Eine Erfahrung, die alle Helfer und auch das Landratsamt teilen.

Hoffnung gibt es vielleicht für Lehrling Lolade Bello. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zwar seinen Antrag auf Asyl abgelehnt, doch ob Bello seine Ausbildung beenden darf, muss das Landratsamt entscheiden. Es liegt in seinem Ermessen, ob die sogenannte Drei-plus-zwei-Regelung angewendet wird: drei Jahre Lehrzeit plus zwei Jahre Arbeitszeit. Um ihre Ausbildung beenden zu dürfen, erklärt Alexander Dallmayr vom Ausländeramt, müssen die Betroffenen unter anderem dabei mitwirken, einen Pass zu bekommen.

Ist die Lehrzeit vorbei, sagt Dallmayr, muss erneut im Einzelfall abgewogen werden, ob der Geselle noch zwei Jahre in seinem Beruf arbeiten darf. "In der Vergangenheit haben wir noch nie eine Person abgeschoben, die in Ausbildung ist", sagt Dallmayr. Ein Lichtblick. Zumindest für Lolade. Promise, so sagt Helfer Peter Barth, könnte wohl nur ein Kirchenasyl helfen.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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