Asylpolitik:Syrerin will vollen Flüchtlingsschutz

Gericht muss entscheiden, ob bei ihrer Rückkehr die Verfolgung droht

Von Olaf Przybilla, Ansbach

Die Syrerin Alaa A. könnte in Bayerns Rechtsgeschichte eingehen, obwohl ihr Fall kein außergewöhnlicher ist. Die 29-Jährige stammt aus der Nähe von Damaskus, 2012 floh sie vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat nach Jordanien; im vergangenen März stellte sie einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gestand ihr sogenannten subsidiären Schutz zu, also keinen vollen Flüchtlingsschutz. So dürfen "Subsidiäre" ihre Familien erst nach zwei Jahren nach Deutschland holen und müssen ihren Schutztitel schon nach einem Jahr, nicht erst nach drei Jahren verlängern lassen. Gegen diesen verminderten Schutz klagte Alaa A. vor dem Verwaltungsgericht Regensburg - und zwar erfolgreich. Das Gericht war der Ansicht, dass A. ganz konkret bedroht wäre in Syrien, würde sie zurückkehren in ihre Heimat. Deshalb gestand das Gericht der Sunnitin das zu, was Juristen "Aufstockung" nennen: den vollen Flüchtlingsschutz also.

Dagegen ging die Bundesrepublik in Berufung, über die nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Ansbach zu entscheiden hat. Auf das Gericht kommen mindestens 540 ähnlich gelagerte Fälle zu, derzeit steige die Anzahl um etwa zehn Fälle pro Tag, sagt ein Gerichtssprecher. Im Kern müssen die Richter darüber entscheiden, ob Syrern bei ihrer Rückkehr eine Verfolgung schon deshalb drohen würde, weil sie das Land als Flüchtling verlassen haben. Der Vertreter des Bamf sagte bei der mündlichen Verhandlung am Dienstag, er sähe bei einer Rückkehr keine erhöhte "Verfolgungsgefahr", zumal Alaa A. über gültige Ausweispapiere verfüge und Syrien legal verlassen habe. Der Anwalt von A. wies dies in den "Bereich der Vermutungen" zurück. Es gebe gar nicht genug empirische Daten, um ausschließen zu können, dass Flüchtlinge in Syrien verfolgt würden, eben weil sie einst aus dem Land geflohen sind. Zumal internationale Quellen Festnahmen und Folter bei Syrien-Heimkehrern klar dokumentierten.

Das Gericht will in den nächsten Tagen entscheiden. Aus einem anderen Bundesland liegt seit wenigen Wochen eine womöglich richtungsweisende Entscheidung in einem vergleichbaren Fall vor. Das Verwaltungsgericht Schleswig hatte einer Syrerin zunächst in erster Instanz vollen Flüchtlingsschutz zuerkannt, wie die meisten deutschen Verwaltungsgerichte in vergleichbaren Fällen. In zweiter Instanz schloss sich das Oberverwaltungsgericht Schleswig aber der gegenteiligen Sicht des Bamf an. Syrer, die keine individuelle Verfolgung vor ihrer Ausreise erlitten haben, könnten "die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung beanspruchen", urteilte das Gericht. Die Ansbacher Richter sind daran freilich nicht gebunden.

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