Asylpolitik:Seehofer spricht mit Opposition über Flüchtlinge

Plenarsitzung im Bayerischen Landtag

Seehofer im Landtag. Bayerns Ministerpräsident spricht am Freitag mit der Opposition über das Thema Flüchtlinge.

(Foto: dpa)
  • Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer trifft sich mit der Opposition im Landtag zu einem Flüchtlingsgipfel.
  • SPD-Chef Gabriel wirft CDU und CSU vor, mit ihrem Streit verantwortungslos zu handeln.
  • Die Zahl der Flüchtlinge, die im Raum Passau angekommen sind, ist erstmals seit Tagen gesunken.

Flüchtlingsgipfel in München

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) trifft die Spitzen der Landtagsopposition zu einem Gespräch über die Flüchtlingskrise. Seehofer will bei dem Treffen mit den Fraktionschefs von SPD, Freien Wählern und Grünen die Chancen für einen überparteilichen Konsens ausloten. Dabei geht es Seehofer um die Integration der Flüchtlinge, die in Bayern bleiben werden.

Kontrovers ist der zweite Punkt: Seehofer möchte mit der Opposition über eine Begrenzung der Zuwanderung sprechen. Am Samstag folgt dann in Berlin ein Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum selben Thema, am Sonntag ein Dreiergipfel der Koalition.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bezeichneten die Begrenzung der Zuwanderung vor dem Gespräch in der Staatskanzlei als wichtigste Aufgabe. Markus Rinderspacher (SPD) und Margarete Bause (Grüne) betonten dagegen, man müsse vor allem die Dinge anpacken, die Bayern alleine regeln könne, etwa eine bessere Verteilung der Flüchtlinge. Beide kritisierten, dass die Kommunen in Grenznähe überlastet seien, während in München Unterkünfte leer stünden. "Ich hoffe nicht, dass dahinter Kalkül steckt", sagte Bause.

Gabriel macht Union Vorwürfe

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat indes CDU und CSU vorgeworfen, mit ihrem internen Streit über die Ausrichtung der Flüchtlingspolitik die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu bedrohen. "Diese Form der gegenseitigen Erpressung und Beschimpfung ist unwürdig und schlicht verantwortungslos", sagte Gabriel zu Spiegel online. Der Vizekanzler bezog sich damit auf Äußerungen von Seehofer, der mit "Notmaßnahmen" gedroht hat, sollte Merkel seiner Forderung nach einer Begrenzung der Flüchtlingszahl nicht nachkommen. Was genau er damit meint, hat er dabei offengelassen.

Auch innerhalb Bayerns ist ein großer überparteilicher Konsens in Bayern unwahrscheinlich: Die drei Oppositionsfraktionen vertreten unterschiedliche Positionen. So halten die Grünen nichts davon, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen zu erklären. Die Freien Wähler dagegen gehen teilweise noch über die Position der CSU hinaus: Parteichef Hubert Aiwanger hat Seehofer aufgefordert, die große Koalition in Berlin zu verlassen, wenn es keine Begrenzung der Flüchtlingszahlen gibt.

Weniger Flüchtlinge im Raum Passau angekommen

Erstmals seit Tagen ist die Zahl der Flüchtlinge an den Grenzen im Raum Passau etwas zurückgegangen. Am Donnerstag waren am Hauptbahnhof Passau sowie den beiden Übergängen Passau-Achleiten und Wegscheid insgesamt etwa 5540 Menschen angekommen, in den Vortagen waren es jeweils rund 6500, wie ein Sprecher der Bundespolizei am Freitagmorgen berichtete.

In Wegscheid waren gegen drei Uhr die letzten wartenden Flüchtlinge in Unterkünfte gebracht worden. Dieser Grenzort, etwa 35 Kilometer östlich von Passau, entwickelt sich immer mehr zu einem Schwerpunkt der Flüchtlingsankunft. Am Donnerstag waren hier alleine rund 2300 Menschen angekommen.

Anders als zuvor war am Freitagmorgen auch in den Notquartieren im Raum Passau noch Platz für Migranten. In der Dreiländerhalle und den sogenannten Paul-Hallen warteten gegen sechs Uhr noch jeweils etwa 800 Menschen auf ihre Weiterfahrt in die Erstaufnahmeeinrichtungen. "Ob die Lage sich weiter entspannt, können wir derzeit noch nicht sagen. Erst im Laufe des Vormittags werden wir eine Vorhersage der österreichischen Kollegen bekommen, wie viele Busse am Freitag kommen sollen", sagte der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Thomas Schweikl.

Am Freitag sollte zudem die Situation für die Flüchtlinge am Grenzübergang Wegscheid etwas komfortabler werden. Nach Informationen der Bundespolizei wollen die österreichischen Behörden ein 1000 Quadratmeter großes winterfestes Zelt für die wartenden Flüchtlinge aufbauen. Bisher hatten die Menschen auf der Straße oder einer feuchten Wiese ausharren müssen, bis sie mit Bussen in die deutschen Unterkünfte gebracht wurden.

Bundespolizei arbeitet am Limit

Die Lage an der österreichisch-deutschen Grenze geht indes auch an erfahrenen Bundespolizisten nicht spurlos vorbei. "Die Moral und das Engagement von mir und meiner Mannschaft ist sehr gut. Der Einsatz zehrt aber an den Kräften", sagt Hundertschaftsführer Dirk Jungnickel. Der 36-Jährige kommt aus Bad Düben bei Leipzig und ist seit Dienstag fast 16 Stunden täglich an den Grenzübergängen in Niederbayern im Dienst. Die langen Schichten, der wenige Schlaf und die Kälte setzen ihm zu. "Viele haben auch Familie und sind lange vom Lebenspartner und den Kindern getrennt. Denen wird schon viel abverlangt."

Am meisten belasteten den Familienvater die Flüchtlingskinder. "Das nimmt mich emotional mächtig mit. Jede Minute, die ein Kind nachts in der Kälte steht, tut weh." Er wolle gerne mehr helfen - ab und zu könne er mit den österreichischen Kollegen absprechen, dass sie zuerst Familien mit Kindern an die Grenze bringen, damit diese nicht so lange warten müssten. Oft klappe das nicht - und Kleinkinder und Säuglinge müssten stundenlang in der Kälte ausharren.

Sieben Tage am Stück sind Jungnickel und seine Mannschaft im Einsatz. Eigentlich im Zwölf-Stunden-Dienst - von 6.00 bis 18.00 Uhr. "Wenn aber am späten Abend noch mehr als 1000 Menschen an der Grenze stehen, bleiben wir natürlich länger und unterstützen die Spätschicht." Er wisse selbst nicht, wie viele Überstunden er schon gemacht habe.

Nach sieben Tagen haben die Bundespolizisten von Mittwoch bis Montag frei, dann folgt der nächste Einsatz an der Grenze: Flüchtlinge zu den Bussen führen, Menschen in Zügen aus Österreich kontrollieren und auch schon mal einen Tumult in einem Notquartier schlichten. "Es ist aber insgesamt erstaunlich, wie geduldig die Menschen hier stundenlang in der Kälte warten", sagt Jungnickel. Wie oft er noch nach Passau zum Grenzeinsatz kommen muss, ist unklar. Er hoffe zumindest, dass die Situation bald ein Ende habe.

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