Asylpolitik:Protestnote

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Sozialarbeiter sammeln mehr als 2100 Unterschriften. Sie erzürnt ein Brief des Sozialministeriums. Darin wird Asylsozialberatern mit Kürzung der Förderung gedroht, wenn sie Flüchtlinge beim Thema Abschiebung zu intensiv aufklären. Der Brief löst deutschlandweit Empörung aus

Von Dietrich Mittler, München

Sozialwissenschaftler aus ganz Deutschland hatten mit Empörung zur Kenntnis genommen, wie das bayerische Sozialministerium die Asylsozialberatungsstellen unter Druck gesetzt hatte. Am Montag nun übergaben Mitglieder des Arbeitskreises "Kritische Soziale Arbeit" im Ministerium eine Protestnote mit mehr als 2100 Unterschriften - unterzeichnet von Persönlichkeiten aus der Sozialforschung, der praktischen Sozialarbeit sowie auch von Vertretern anderer Berufsgruppen.

Der Unmut richtet sich gegen ein Anfang März verschicktes Schreiben des Ministeriums. In diesem wurde sozialen Organisationen angedroht, dass ihnen die Fördermittel für die Asylsozialberatung gestrichen werden könnten. Und zwar dann, wenn Asylsozialberater die Hilfe suchenden Flüchtlinge weiterhin darüber unterrichten würden, welche Rechtsmittel im Falle einer drohenden Abschiebung eingelegt werden können. Christian Wunner, einer der Sprecher des Arbeitskreises, sagte vor der Übergabe der Unterschriftenlisten: "In Bayern gibt es eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit."

Entzündet hatte sich der Konflikt ursprünglich daran, dass "einzelne Mitarbeiter von Asylsozialberatungsstellen" Hinweise des Bayerischen Flüchtlingsrats an Flüchtlinge weitergeleitet hatten, "wie Betroffene sich bevorstehenden Abschiebungen entziehen können". Konkret handelt es sich nach Kenntnis der Süddeutschen Zeitung um zwei Fälle, in denen das geschah. Dies, so betonte das Ministerium, sei nicht mit den Grundsätzen vereinbar, wie Asylsozialberatung abzulaufen habe. Was diesen Punkt betrifft, kommt seitens der Wohlfahrtsverbände kein Widerspruch. Wohl aber dagegen, dass künftig auch eine Beratung über für die Flüchtlinge nützlichen Rechtsmittel zu unterbleiben habe.

Asylsozialberatung, so geht aus dem umstrittenen ministeriellen Schreiben vom 6. März hervor, sei insbesondere dazu da, die Betroffenen "auch über eine bereits bestehende oder in absehbarer Zeit möglicherweise eintretende Ausreisepflicht beziehungsweise über die Anerkennungsquoten im Asylverfahren aufzuklären und auf entsprechende Hilfsangebote im Freistaat Bayern für eine freiwillige Rückkehr oder Weiterwanderung hinzuweisen".

"Natürlich leisten wir auch in allen weiteren Fragen Beratung und Hilfestellung", sagte der AWO-Landesvorsitzende Thomas Beyer. "Ebenso natürlich ist aber auch, dass wir bei einer bevorstehenden Abschiebung keinerlei konkrete Hilfe zur Vereitelung leisten", betonte Beyer. Genau dies habe er als diesjähriger Sprecher der Wohlfahrtsverbände bei Sozialministerin Emilia Müller (CSU) klargestellt - zunächst schriftlich und dann im Spitzengespräch bei Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Die sei von Sozialministerin Müller letztlich auch so akzeptiert worden. Die Ministerin machte indes noch einmal deutlich, dass fundierte Rechtsberatung nur durch Anwälte möglich sei.

"An der Basis ist die Sache noch nicht gegessen", sagte Daniela Steidl vom Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit. In den Asylsozialberatungsstellen fänden immer noch Gespräche darüber statt, wie dieser Brief aus dem Ministerium zu verstehen sei. Insbesondere die Passage: "Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall bei einer dem Förderzweck nicht entsprechenden Mittelverwendung ein Widerruf der entsprechenden Verwaltungsakte in Betracht kommt" - sprich, dass dann die Fördermittel für die Asylsozialberatung gestrichen werden.

Dazu ist das Sozialministerium durchaus berechtigt. Und das wissen auch die Mitglieder des Arbeitskreises. Schließlich unterstützt das Ministerium die Asylsozialberatung aus freien Stücken, 2017 mit immerhin 23 Millionen Euro. Ebenso klar sei aber auch, dass die Asylsozialarbeit "kein verlängerter Arm der Regierung sei", wie es Andrea Betz von der Inneren Mission in München ausgedrückt hatte.

Genauso sieht das auch die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit, deren Vorstandsmitglieder sich in der nun ans Sozialministerium übergebenen Unterschriftenliste wiederfinden. "Politische Vorgaben jeglicher Art dürfen keinen Einfluss auf Art und Inhalt des Beratungsprozesses haben", unterstützen sie Bayerns Asylsozialberater in einer Stellungnahme. Folglich sei die Androhung, die staatliche finanzielle Förderung einzuschränken oder gar zurückzuziehen, "eine Bedrohung der fachlichen Unabhängigkeit der Sozialen Arbeit".

Seitens der Alice Salomon Hochschule in Berlin hieß es, durch eine staatliche "Beschränkung der Beratungstätigkeit" werde das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Flüchtlingen und Beratern "systematisch unterlaufen". Die Unterschriften-Überbringer des Arbeitskreises "Kritische Soziale Arbeit" bekamen indes eigenen Angaben zufolge im Sozialministerium zu hören, der Brief von Anfang März sei offenbar falsch verstanden worden.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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