Asylpolitik in Bayern:Land der Hoffnung

Noch nie zuvor sind so viele Menschen nach Bayern geflüchtet. Aber nur jeder Dritte erhält politisches Asyl. Ein Überblick über die komplizierte Rechtslage - mit Grafik.

Von Daniela Kuhr und Dietrich Mittler

Eigene Zentren für Flüchtlinge vom Balkan, schnellere Abschiebungen und das Streichen von Taschengeld: Derzeit übertreffen sich Politiker in Regierungsverantwortung mit Vorschlägen für rigorose Maßnahmen gegen Asylbewerber aus den Balkanstaaten. Dabei fällt es schwer, noch einen Überblick über die Fakten zu behalten. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist ein sicherer Herkunftsstaat?

Sichere Herkunftsstaaten sind im Grundgesetz als Länder definiert, in denen angesichts der Rechtslage und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort "weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet". Der Bundestag entscheidet mit Zustimmung des Bundesrats darüber, welches Land als sicher gilt. Per se gelten alle EU-Mitgliedsländer als sichere Herkunftsstaaten. Darüber hinaus wurden Bosnien und Herzegowina, Ghana, Mazedonien, Senegal und Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Asylanträge von Bürgern aus sicheren Herkunftsstaaten haben so gut wie keine Chance auf Anerkennung.

Warum werden Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern nicht sofort des Landes verwiesen?

Das Instrument, Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, dient nach Auskunft des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht dazu, "Menschen den Zugang zum Asylverfahren zu verwehren ". Das heißt, auch sie sollen ein "faires, individuelles Asylverfahren" durchlaufen können.

Was würde es bringen, Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, wie immer mehr Politiker es fordern?

Man hofft, dass die Asylverfahren dadurch schneller abgewickelt werden können und dass von vornherein weniger Menschen kommen. Allerdings: Bei den bereits zu sicheren Herkunftsländern erklärten Balkanstaaten Serbien, Bosnien und Herzegowina ist die Zahl der Asylbewerber nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht signifikant zurückgegangen, doch habe "der konstant starke Anstieg der Zugangszahlen" beendet werden können - während die Zahl der Asylanträge aus Albanien, Kosovo und Montenegro von Ende 2014 bis Juni 2015 "ungebremst um 515 Prozent" gestiegen sei.

Notunterkunft für Asylbewerber in Turnhalle

Flüchtlingskinder spielen in einer Notunterkunft bei Coburg: Bayern muss viele Asylbewerber aufnehmen.

(Foto: dpa)

Auf welche Leistungen haben Asylbewerber Anspruch?

Auf Unterkunft, Versorgung und medizinische Leistungen - und zwar auf Grundlage des sogenannten Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Höhe der Geldleistungen für die Versorgung sowie das Taschengeld werden individuell berechnet. So erhält etwa ein allein stehender erwachsener Asylbewerber, der einen eigenen Haushalt führt, derzeit ein Taschengeld in Höhe von 143 Euro. Anstelle der Geldleistungen in Höhe von weiteren 216 Euro zur Deckung des notwendigen Bedarfs für Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchsgüter können nach Angaben des Sozialministeriums "teilweise auch Wertgutscheine oder Sachleistungen" ausgegeben werden. Unterkunft und Heizung werde darüber hinaus gesondert gewährt. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben außerdem noch einen Anspruch auf Bildungsangebote.

Kann man das Taschengeld einfach kürzen, wie es nun Bayerns Finanzminister Markus Söder vorschlägt?

Laut BAMF können einzelne Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes gestrichen werden. Das gilt vor allem für Personen, die nur deshalb nach Deutschland kommen, um diese Vorzüge zu erhalten. BAMF-Präsident Manfred Schmidt plädiert dafür, im Gesetz klarzustellen, dass insbesondere Menschen aus sicheren Herkunftsländern die Leistungen gekürzt werden können.

Wer kommt für die Kosten der Unterbringung und Verpflegung auf?

Für die Unterbringung und Verpflegung muss der Freistaat Bayern aufkommen. Für diese Ausgaben, die sich aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ergeben, ist das bayerische Sozialministerium zuständig. Im Jahr 2014 flossen aus dem Haushalt des Ministeriums dafür nahezu 411 Millionen Euro. Für 2015 wird nach Angaben des Sozialministeriums "voraussichtlich eine Milliarde dafür ausgegeben werden". Künftig wird sich auch der Bund an den Ausgaben stärker beteiligen - 2015 in Bayern mit etwa 150 Millionen Euro. Von den Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung zu unterscheiden sind die Kosten des Asylverfahrens selbst. Weil für dieses das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist, muss allein der Bund zahlen.

Muss ein Asylbewerber das Land verlassen, wenn sein Antrag abgelehnt wurde?

Im Prinzip ja. Asylbewerber, deren Anträge definitiv abgelehnt sind, werden aufgefordert, das Gebiet der Bundesrepublik innerhalb kurzer Zeit zu verlassen. In der Regel muss das nach spätestens einem Monat geschehen sein.

Wer zahlt eine Abschiebung?

Wann wird jemand abgeschoben?

Unterlässt ein definitiv abgelehnter Asylbewerber die freiwillige Ausreise, droht ihm die Abschiebung. Allerdings haben auch abgelehnte Asylbewerber Chancen, in Deutschland bleiben zu dürfen - zumindest zeitlich befristet. Derzeit haben insgesamt 9576 Personen in Bayern nach Angaben des Innenministeriums den Status der Duldung.

Was ist eine Duldung?

75 000 Asylbewerber

So viele Menschen sind derzeit in Bayern untergebracht, darunter auch solche, die hier nach abgelehntem Asylantrag nur geduldet sind, beziehungsweise noch nicht abgeschoben wurden. Insgesamt wurden in diesem Jahr bis 30. Juni in Bayern 28 083 Asylanträge gestellt - darunter 25 969 Erstanträge sowie 2114 Folgeanträge als Reaktion auf abgelehnte Erstanträge. Die Anerkennungsquote für alle Herkunftsländer liegt derzeit bei 32,4 Prozent. Das heißt aber nicht zwingend, dass die anderen 67,6 Prozent der Asylbewerber keinen Asylgrund hatten: Unter ihnen befinden sich zum Beispiel auch Menschen, die bereits in anderen EU-Staaten als Asylbewerber registriert sind.

Eine Duldung erhält, wer Deutschland verlassen muss, aber nicht abgeschoben werden kann. Die Gründe, warum das nicht geschehen kann, sind vielfältig: etwa deshalb, weil es keine Möglichkeit gibt, eine Kriegsregion anzufliegen. Auch schwerwiegende medizinische Eingriffe, die im Herkunftsland nicht möglich sind, oder etwa ein bevorstehender Schulabschluss können vor der drohenden Abschiebung schützen. Und nicht zuletzt: fehlende Dokumente wie Pass oder Ausweis.

Wie viele abgelehnte Asylbewerber in Bayern wurden seit Jahresbeginn abgeschoben? Und wie viele wurden gemäß der Dublin-Verordnung in EU-Länder überstellt, in denen sie bereits als Asylbewerber registriert waren?

Von Jahresbeginn bis Mitte Juli betrug die Gesamtzahl der aus Bayern abgeschobenen Personen rund 1770, darunter 138 Dublin-Überstellungen.

Auf welchem Weg verlassen abgeschobene Asylbewerber das Land?

Abschiebungen erfolgen in der Regel per Flugzeug. 2014 etwa wurden insgesamt 621 Menschen über den Flughafen München abgeschoben. Bei Dublin-Überstellungen in europäische Nachbarstaaten kommt aber auch die Fahrt zur Grenze per Pkw oder Bus in Betracht.

Wer ist für die Abschiebung zuständig?

Zuständig sind die Ausländerbehörden - also örtliche Kreisverwaltungsbehörden oder die Bezirksregierungen als zentrale Ausländerbehörden. Beteiligt sind außerdem Beamte der Landespolizei und - bei Abschiebungen mit dem Flugzeug - die am jeweiligen Flughafen zuständige Bundespolizei.

Werden auch Kinder und Jugendliche abgeschoben?

Im Jahr 2014 wurden nach Angaben des Innenministeriums 108 Kinder und Jugendliche von Bayern aus abgeschoben. Mit einer Ausnahme sei dies im Rahmen von Familienabschiebungen geschehen.

Wer zahlt für die Abschiebung?

Für die Kosten der Abschiebung muss der Rechtslage entsprechend grundsätzlich zunächst der betroffene Ausländer haften. Doch in der Regel kommen dabei auch hohe Kosten auf die Staatskasse zu. Allein die Flugkosten werden vom Innenministerium in sechsstelliger Höhe beziffert.

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