Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge aus Kosovo:"Flucht ohne jeden Fluchtgrund"

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Von Sarah Kanning und Christian Sebald, München

Angesichts der dramatisch ansteigenden Flüchtlingszahlen aus dem Kosovo ist in Bayern Streit über den Umgang mit ihnen entbrannt. "Der Zustrom muss schnell eingedämmt werden", sagt der Deggendorfer Landrat und Präsident des bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU). "Dazu gehört, dass man den Kosovo zu einem sicheren Herkunftsstaat erklärt und Flüchtlingen von dort die Möglichkeit für ein Asylverfahren entzieht." Der Fürstenfeldbrucker Landrat und Sprecher der oberbayerischen Landräte, Thomas Karmasin (CSU), spricht sogar von "Winterurlaubern auf Kosten unserer Steuerzahler". Tausende Kosovaren kämen derzeit "ohne jeden Fluchtgrund", sie wollten "einzig Geldleistungen abgreifen".

Der bayerische Flüchtlingsrat übt scharfe Kritik an solchen Äußerungen. "Die CSU verfällt in einen Abwehrreflex und in rechte Parolen gegen Flüchtlinge", sagte sein Sprecher Stephan Dünnwald. Die Äußerungen seien ein Rückfall in "rassistische Debatten der 1990er Jahre." Flüchtlingen an der serbisch-ungarischen Grenze die Einreise zu verweigern, wie das Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) verlangt hatte, sei illegal. "Die CSU ruft hier zum Rechtsbruch auf." Die Staatsregierung solle lieber nach den Ursachen der plötzlichen Auswanderungszahlen forschen, "statt das Klima mit blinden Abwehrreflexen zu vergiften".

Ministerin Merk will Flüchtlingen kein Geld mehr zahlen

Huber verteidigte die Haltung der Staatsregierung. "Die Flüchtlingszahlen aus dem Balkan entwickeln sich dramatisch", sagt er. "Von den tausend Flüchtlingen, die täglich in Bayern ankommen, sind 80 Prozent Kosovaren." Landräte-Chef Bernreiter befürchtet bereits, dass der Notfallplan des Freistaats nicht ausreicht. In dessen Rahmen stellen die Landkreise ungefähr 30 000 Plätze zur Erstaufnahme für Flüchtlinge zur Verfügung. "Wenn der gigantische Zustrom anhält, sind unsere Kapazitäten bald voll", sagte Bernreiter. "Dann ist Schluss. Einen zweiten Notfallplan haben wir nicht in der Schublade."

Europaministerin Beate Merk (CSU) reist an diesem Donnerstag zu Gesprächen mit dem Premierminister Isa Mustafa in die kosovarische Hauptstadt Pristina. "Wir werden hier in Bayern überrannt - und der Kosovo verliert die Leute, die das Land wieder aufbauen könnten", sagte Merk. Auch über die kosovarischen Medien will die Ministerin informieren, "dass sie in Bayern künftig kein Geld mehr erhalten und rasch zurückgeschickt werden". Die Ausreisen seien "ein Ausbluten als politisches Mittel".

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SZ vom 12.02.2015
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