Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik in Bayern:Wie die CSU Flüchtlinge schneller abschieben will

  • Die bayerische Staatsregierung will Flüchtlinge aus Südosteuropa schneller abschieben.
  • Deshalb sollen zwei weitere Erstaufnahmeeinrichtungen entstehen. Die konkreten Standorte sind noch nicht bekannt.
  • Die Grünen kritisieren die angekündigten Vorhaben von Seehofer scharf.

Von Wolfgang Wittl, Gmund

Horst Seehofers Ankündigung von "rigorosen Maßnahmen" in der Asylfrage hatte einiges erwarten lassen, aber damit hat die Opposition offenbar nicht gerechnet. Entsprechend harsch fallen die Reaktionen aus. Eine "Schande für Bayern" sei der Beschluss der Staatsregierung, zwei neue Asylzentren für Flüchtlinge mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit einzurichten, kritisiert Margarete Bause, die Fraktionschefin der Landtagsgrünen. Seehofer folge damit nur dem rechtspopulistischen Kurs seines Finanzministers Markus Söder und seines Generalsekretärs Andreas Scheuer.

Die bayerischen Jusos fordern: "Die rechten Entgleisungen müssen enden." Die CSU müsse verbal abrüsten und sich gemeinsam mit den demokratischen Parteien für humane Lösungen in der Flüchtlingsfrage einsetzen. Doch gerade Humanität nimmt die Staatsregierung für ihren Beschluss, den sie am Montag auf der Kabinettsklausur in St. Quirin getroffen hat, in Anspruch.

Neue Aufnahmezentren - nur für Flüchtlinge aus Südosteuropa

Am Tegernsee erläuterte der Ministerpräsident erstmals, wie er sich die künftige Asylpolitik im Freistaat vorstellt. Zwei neue Aufnahmezentren sollen in Bayern entstehen - in Windeseile und für Flüchtlinge, die nur geringe Aussichten zum Bleiben haben. Vor allem Asylbewerber vom Balkan sollen dort aufgenommen werden, aus sicheren Herkunftsstaaten wie Serbien, aber auch aus Albanien, Kosovo und Montenegro. In beschleunigten Verfahren sollen sie möglichst schnell wieder in ihre Heimat zurückgeführt werden. Ihm komme es sehr darauf an, sagt Seehofer, dass das gute Verhältnis der Bevölkerung zu Flüchtlingen mit Schutzbedürfnis erhalten bleibe.

Dazu sei es nötig, Missbrauch einzudämmen. Standorte für die beiden neuen Aufnahmezentren möchte die Staatsregierung noch nicht nennen, doch die Rahmenbedingungen sind bereits abgesteckt: Die Unterkünfte sollen in Südbayern an den sogenannten Hauptbalkanrouten entstehen, möglichst grenznah. Damit kommen im Grunde nur die Landkreise Passau und Rosenheim infrage. Bis zum Herbst sollen die Einrichtungen in Betrieb genommen werden, "spätestens in drei Monaten", wie Seehofer betont. Dann sei auch wieder mit steigenden Zahlen von Asylbewerbern aus dem Balkan zu rechnen.

Zeltstädte werden nicht mehr ausgeschlossen

Um eine spürbare Entlastung zu erzielen, soll die Aufnahmekapazität zu Beginn jeweils im hohen dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Bereich liegen. Derzeit leben in Bayern laut Staatsregierung etwa 6000 Asylbewerber aus dem Balkan. Die Bevölkerung erwarte endlich Antworten, "da können Sie als Politiker nicht ausweichen", sagt Seehofer. Die Situation zu Beginn der Neunzigerjahre, als die Politik zu lange gezögert und so erst das Erstarken rechtsextremer Kräfte gefördert habe, sei für ihn ein Schlüsselerlebnis gewesen. "Eine Wiederholung will ich nicht mehr erleben."

Um die Zeitvorgabe einzuhalten, werde man bei der Errichtung der Unterkünfte alle Möglichkeiten prüfen, sagte Sozialministerin Emilia Müller. Das heißt: Auch der Bau von Zeltstädten, wie die SZ am Montag berichtete, ist nicht mehr auszuschließen. Seehofer hob hervor, dass der Stadtrat in seiner Heimatstadt Ingolstadt das Aufstellen von Zelten gerade erst einstimmig beschlossen habe. Die Pläne der Staatsregierung seien mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Manfred Schmidt, dem Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ausdrücklich abgestimmt.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann skizzierte den geplanten Ablauf in den neuen Aufnahmezentren: Nach der umgehenden Registrierung sollen Asylbewerber ihren Aufnahmeantrag sofort beim BAMF stellen. Sollte dieser abgelehnt und Klage eingereicht werden, sollen Verwaltungsgerichte entscheiden. All das geschehe an Ort und Stelle. Entscheidet das Gericht gegen den Asylbewerber, soll dieser sofort in seine Heimat abgeschoben werden. Eine freiwillige Ausreise sei zu jedem Zeitpunkt möglich, sagte Herrmann.

Neue Stellen für ein beschleunigtes Verfahren

Um die Verfahren wie vorgesehen in zwei Wochen abwickeln zu können, wird es nötig sein, die Behörden in den jeweiligen Zentren zusammenzuziehen: Polizei, Verwaltungsbeamte, Richter. Dazu wollte das Kabinett am Montagabend bei der Haushaltsklausur neue Stellen beschließen. Unklar ist noch, wie hoch die Asylkosten für dieses und kommendes Jahr ausfallen. Die kolportierten vier Milliarden seien jedenfalls deutlich zu hoch, sagte Seehofer.

Bis zu 1000 Flüchtlinge kämen täglich im Freistaat an, sagte Müller - in diesem Jahr bislang mehr als 80 000. Selbst das reiche Bayern können "nicht zusehen, wie unsere Systeme aus den Fugen geraten". Seehofer betonte, die Staatsregierung handle "außerordentlich differenziert und verantwortungsbewusst". Flüchtlinge mit Schutzbedürfnis blieben willkommen. Die öffentliche Hand könne sich aber auch eines "Organisationsversagens schuldig machen", sagte der Ministerpräsident.

Die Staatsregierung habe nichts weiter als die "Fortsetzung der Diskriminierung von Roma" beschlossen, kritisiert der bayerische Flüchtlingsrat: "Jedoch nicht mit körperlicher Gewalt und offener Anfeindung wie auf dem Balkan, sondern mit der eiskalten Gründlichkeit deutscher Bürokratie." Unterstützung bekommt das Kabinett vom Landkreistag. Man verspreche sich durch den Beschluss eine "deutliche Entlastung" der Kommunen, sagte dessen Präsident Christian Bernreiter (CSU).

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SZ vom 21.07.2015/axi
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