Süddeutsche Zeitung

Asylbewerber:Bamberg will die Obergrenze für Flüchtlinge

  • Bambergs Oberbürgermeister ist gegen die Erweiterung der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge auf dem Areal einer ehemaligen US-Kaserne im Osten der Stadt.
  • Derzeit können dort etwa 1500 Menschen untergebracht werden, das Sozialministerium will die Zahl auf 3400 anheben.
  • Die Polizei befürchtet, dass sich die Erweiterung auf die Sicherheitslage auswirken könnte.

Von Claudia Henzler, Bamberg

Andreas Starke hat noch nicht aufgegeben. Auch wenn die Bauzäune auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung bald verschwinden werden, hofft Bambergs Oberbürgermeister noch immer, dass er die Erweiterung verhindern kann. "Wir wollen eine Bamberger Obergrenze", sagt der SPD-Mann und spielt damit bewusst ein CSU-Schlagwort zurück in Richtung Staatsregierung.

Derzeit können auf dem Areal der ehemaligen US-Kaserne im Osten der Stadt knapp 1500 Asylbewerber untergebracht werden, die dort auf die Bearbeitung ihres Antrags warten. Dabei soll es nach Ansicht der Stadt bleiben. Doch die Regierung will demnächst weitere acht der lang gezogenen Wohnblöcke in Betrieb nehmen. Außerdem einen neuen Speisesaal in Leichtbauweise, in dem mehr als 3000 Menschen versorgt werden können. Das soll in den nächsten Wochen passieren, einen konkreten Termin gibt es aber noch nicht.

Bambergs Polizeichef warnt ebenfalls davor, die Zahl wie geplant auf 3400 anzuheben. Er sehe das "mit Sorge", sagt Thomas Schreiber, Leiter der Polizeiinspektion. Er befürchte Auswirkungen auf die Sicherheitslage und das Sicherheitsgefühl der Bamberger, aber auch auf die Akzeptanz der Einrichtung.

Es geht dabei nicht nur um die direkten Nachbarn des Areals, die gehofft hatten, nach dem Abzug der US-Streitkräfte Zugang zu dem weitläufigen Gelände mit seinen vielen Spielplätzen und Grünflächen zu bekommen. Oder um die Bewohner einer Eigenheimsiedlung, die darüber klagen, dass ihre Straßen und Vorgärten auf dem Weg Hunderter Bewohner liegen, wenn die zum Einkaufen oder in die Innenstadt wollen.

Es geht auch um die Ehrenamtlichen, die sich in der Aufnahmeeinrichtung engagieren, etwa im "Café Willkommen", und die es auf einmal mit doppelt so vielen Hilfsbedürftigen zu tun hätten. Vor allem aber geht es um die vielen Fremden in der Stadt, darunter viele junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren, aus 14 Nationen, die wenig Sinnvolles zu tun haben, während sie auf die Bearbeitung ihres Antrags warten - auch wenn die Regierung von Oberfranken kleine Hilfsarbeiten in der Küche und auf dem Gelände vergibt und neuerdings sogar einige Container mit Wlan-Zugang aufgestellt hat.

Zur Beunruhigung vieler Bamberger trägt bei, dass die Polizei einen Anstieg der Kriminalität registriert, vor allem bei Ladendiebstählen. 710 Fälle von Ladendiebstahl haben Thomas Schreibers Beamte im vergangenen Jahr bearbeitet. Fast jeder zweite sei von einem Flüchtling verübt worden. Meist gehe es dabei um Kleinigkeiten, sagt Schreiber, in Supermärkten würden Dinge des täglichen Bedarfs gestohlen, etwa Babynahrung oder Zigaretten.

Und dabei müsse man berücksichtigen, dass Ladenbesitzer bei fremd aussehenden Kunden genauer hinschauten, sagt der Polizeichef. Grundsätzlich, betont er, handle es sich bei der Mehrzahl der Bewohner um Leute, "die versuchen, hier ein neues Leben anzufangen".

Daneben gebe es aber immer wieder einzelne wirklich Kriminelle. Im Herbst etwa haben die Bamberger Beamten viel Zeit in eine Gruppe von Marokkanern investiert, die gezielt in Diskotheken und Kneipen Jacken entwendeten und Autos aufbrachen, um an Handys oder Geld zu kommen. Inzwischen sitzen etliche in Haft, andere seien untergetaucht, sagt Schreiber. Aktuell macht ihm eine Gruppe Georgier Arbeit, die an Ladendiebstählen im großen Stil beteiligt gewesen sein soll.

Das Sozialministerium hält an seinen Plänen fest, auf 3400 Plätze aufzustocken. Es hatte schon vor Monaten beschlossen, sich über den Protest des Stadtrats hinwegzusetzen und sieht auch jetzt keinen Grund für eine Kursänderung. Ob und wann die Plätze tatsächlich belegt werden, ist allerdings offen. Denn die Flüchtlingszahlen sind extrem zurückgegangen, momentan sind nicht einmal die vorhandenen Betten belegt. Nur 1070 Bewohner hat die Regierung von Oberfranken aktuell in Bamberg untergebracht.

Denkbar ist jedoch, dass mit der Vergrößerung in Bamberg andere Standorte entlastet oder geschlossen werden. Das Sozialministerium schließt das nicht aus. Es teilt mit, "dass wir zur Ausschöpfung einzelner Liegenschaften, wie beispielsweise Bamberg, derzeit keine belastbare Aussage treffen können". Man werde die Kapazitäten in Bayern "lage- und bedarfsorientiert" anpassen.

"Das heißt, dass sowohl vereinzelt Dependancen geschlossen werden können, aber im Gegenzug auch neue Unterkünfte hinzukommen können. Vornehmlich werden in der Erstaufnahme derzeit vom Bund kostenfrei zur Verfügung gestellte ehemalige Kasernen genutzt."

Die Regierung von Oberfranken verteidigt die Erweiterung. "Niemand kann vorhersagen, welche Herausforderungen die nächsten Monate oder Jahre auf uns zukommen", sagt Pressesprecher Oliver Hempfling. Deshalb müsse man die Strukturen aufrechterhalten. Und immerhin sei man schon von der ursprünglich geplanten Zahl von 4500 Bewohnern auf 3400 zurückgegangen.

Oberbürgermeister Starke sagt dazu, die Verteilung dürfe sich nicht an vorhandenen Gebäuden orientieren, sondern an dem, was man einer Kommune zumuten kann. "Eine Stadt mit 70 000 Einwohnern darf nicht überfordert werden." Aus seiner Sicht ist die jetzige Größenordnung gerade so zu handhaben. Um das zu erreichen, haben Stadt und Bezirksregierung viel unternommen.

Defizite bei der Betreuung der Asylsuchenden

Es wurde ein weiterer Eingang zum Gelände geschaffen, damit die Anwohner am Haupteingang entlastet werden. Zudem verkehrt seit Februar ein Shuttlebus zwischen dem früheren Kasernengelände und der Innenstadt. Ein neuer Geh- und Radweg soll die Nachbarn weiter befrieden. Außerdem laden Stadt, Polizei und Bezirksregierung die Anwohner alle paar Monate zum Informationsaustausch.

Fast alle, die mit der Aufnahmeinrichtung zu tun haben, sind sich einig, dass sich die Situation dort deutlich verbessert hat, seit sie im Herbst 2015 überstürzt den Betrieb aufnehmen musste. Die Organisation läuft, unwürdige Zustände muss hier niemand beklagen. Defizite sehen Stadt und Polizei noch bei der Betreuung der Asylsuchenden. Hier können sich Sozialverbände und Ministerium nicht über die Höhe der Zuschüsse einigen.

Der Oberbürgermeister räumt ein, dass seine Stadt für die Sonderbelastung Zugeständnisse bekommen hat. Zum Beispiel muss Bamberg keine anerkannten Flüchtlinge aufnehmen und integrieren. Außerdem gab es von der Staatsregierung einige besondere Wohltaten, etwa die Zusage für ein digitales Gründerzentrum. Und auch die Polizei hat 20 neue Stellen zugewiesen bekommen.

Sie sollen im Laufe der nächsten beiden Jahre besetzt werden. Diese Stellen waren aus Schreibers Sicht notwendig, um den aktuellen Arbeitsaufwand - durch die Aufnahmeeinrichtung, aber auch durch das Wachstum der Stadt - zu bewältigen. Das alles ändert aus Sicht von Starke nichts an dem, was er als Belastungsgrenze sieht.

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Quelle:
SZ vom 09.06.2017/amm
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