Asyl:Sozialverbände stellen sich vor junge Flüchtlinge

Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge in München, 2015

Jugendliche, die allein nach Deutschland flüchten, sind besonders auf Unterstützung angewiesen. Viele werden in Einrichtungen betreut.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die bayerische Staatsregierung will die Kosten der Betreuungsmaßnahmen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge senken.
  • Das stößt bei Sozialorganisationen und Wohlfahrtsverbänden auf Widerstand.

Von Dietrich Mittler

Der jüngste Vorstoß der Staatsregierung, die Jugendhilfestandards für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu senken, stößt bei Bayerns Sozialorganisationen und Wohlfahrtsverbänden auf massiven Widerstand. Thomas Beyer, der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, wittert sogar einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. "Ich habe erhebliche Bedenken gegen diesen Vorstoß", sagt aber auch Landes-Caritasdirektor Bernhard Piendl. Dass Bayern nun beim Treffen der Regierungschefs der Länder in Rostock mit einer solchen Beschlussvorlage vorgeprescht sei, dafür habe er "überhaupt kein Verständnis", betont Piendl.

Auch andere Träger der Jugendhilfe protestierten am Freitag gegen den Versuch der Staatsregierung, der offenbar darauf abzielt, die Kosten der Betreuungsmaßnahmen zu senken. Alles in allem sei dieser kontraproduktiv. Sigrun Maxzin-Weigel, die Landesvorsitzende des Evangelischen Erzieherverbandes, erklärte, letztlich würden sogar Steuermittel "in den Sand gesetzt". Denn wenn die Integration der durch Krieg und Flucht traumatisierten jungen Menschen gelingen solle, dann müsse man "mit ihnen den Weg zu Ende gehen", sagte Maxzin-Weigel.

Damit zielte sie darauf ab, dass die Staatsregierung nicht nur die Betreuungsstandards für die meisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge "bedarfsgerecht anpassen", sprich senken will. Bayern will nämlich auch die Betreuung für jene beendet sehen, die das 18. Lebensjahr erreicht haben. Nach Angaben der Bezirke handelt es sich hierbei um gut 3400 junge Flüchtlinge.

Auch beim Paritätischen Wohlfahrtsverband stößt das auf Kritik: Minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern oder andere Verwandte nach Bayern gekommen seien, bräuchten die "Unterstützung" gemäß den gegenwärtigen Standards. Also auch jene, die während ihrer Betreuung durch die Jugendhilfe volljährig geworden seien. "Sonst besteht die Gefahr, dass sie in die Obdachlosigkeit, Prostitution oder sogar Kriminalität abrutschen oder sich radikalisieren", argumentiert der Paritätische.

Im Moment herrscht Funkstille

Landes-Caritasdirektor Piendl ist überzeugt davon, dass die derzeitigen Betreuungsmaßnahmen ein Erfolgsmodell sind: Aus Arbeitsagenturen, aber auch seitens der Polizei sei zu hören, dass sich die nach den Jugendhilfestandards betreuten Jugendlichen viel besser in den Arbeitsmarkt integrierten und offenbar auch weit weniger anfällig dafür seien, auf die schiefe Bahn zu geraten.

Allein die kirchlichen Träger der Jugendhilfe, so hat eine aktuelle Zusammenstellung ergeben, betreuen im Moment in Bayern etwa 4600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Rahmen der Jugendhilfe. Davon leben gut 1100 in kostenintensiven heilpädagogischen Wohngruppen, in denen der Betreuungsaufwand besonders hoch ist. Die dort anfallenden Kosten liegen bei 125 bis 160 Euro pro Tag. Von den anderen Trägern liegen derzeit keine konkret aufgegliederten Zahlen dazu vor.

"Gemeinsam mit den Jugendämtern schauen schon sehr sorgfältig darauf, welcher der unbegleiteten Flüchtlinge mehr und welcher weniger Betreuungsaufwand braucht", sagt Michael Eibl als Vorsitzender der Katholischen Erziehungshilfe in Bayern. Viele Jugendliche bräuchten nachweislich nur geringe Betreuungsmaßnahmen, deren Kosten sich um die 40 bis 45 Euro pro Tag bewegen. Das habe man dem Sozialministerium bereits mit fundierten Zahlen im Juni belegen können. "Beim aktuellen politischen Vorstoß Bayerns vermissen wir jede fachliche Grundlage", sagte Eibl.

Derzeit, so kritisiert seine evangelische Kollegin Maxzin-Weigel, herrsche in dieser Frage aber "Funkstille zwischen den Verbänden und der Staatsregierung". Landes-Caritasdirektor Piendl kritisiert ebenfalls die mangelnde Absprache mit den Verbänden: "Das ärgert mich außerordentlich", sagte er.

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