Gregor Feindt sagt, er hat es schon gespürt an diesem Tag Anfang Januar. Als er - die Flüchtlinge nennen ihn "Kümmerer" - von seinem kleinen Container-Büro in die Traglufthalle trat, dachte er schon: "Heut liegt was in der Luft." In dieser Traglufthallen-Luft, die fast 300 Asylbewerber atmen, die immer bläulich zu schimmern scheint, weil das Tageslicht nur zu 70 Prozent durch die Plane dringt und die jetzt um 14 Uhr nach Kantinenessen riecht.
Etwa 300 Nigerianer, Pakistani und Senegalesen drängen sich vor der Essensausgabe. Vielleicht konnten einige den Geruch nicht ausstehen, vielleicht war auch einfach nur das Wetter schlecht oder das Gedudel und Gemurmel in der Halle besonders nervtötend an diesem Tag. Feindt weiß es nicht. Er weiß nur, dass es auf einmal losging: Der eine schiebt den andern weg, der andere regt sich auf, schiebt zurück. Plötzlich brüllen ein paar Afrikaner. "Wie Schlachtrufe", sagt Feindt. Da hat der erste schon einen der blauen Plastikstühle in der Hand, hebt ihn an einem Bein hoch über seinen Kopf. Ein Wurf, eine Platzwunde am Kopf, Blut, Schreie, Gebrüll. Stühle und Fäuste in der Luft, Menschen am Boden.
20 Polizeieinsätze in drei Monaten in Karlsfeld
Die Sicherheitsleute trommeln ihre Männer über Funk zusammen. Etwa 15 von ihnen bilden einen schwarzen Schutzschild um die 50 schreienden und schlagenden Flüchtlinge. Dann Polizeisirenen, Blaulicht, viele Beamte und vor allem Hunde. "Vor denen haben alle hier wahnsinnige Angst", sagt Feindt. Der Tumult löst sich auf, es bleiben 20 geschrottete Stühle, vier Verletzte, zwei davon so schlimm, dass sie ins Krankenhaus mussten. Und das, weil einer sein Essen schneller haben wollte als der andere.
Das letzte Mal war es ein gestohlenes T-Shirt, dann nahm ihnen einer von der Security den Kickerball weg, weil andere nicht schlafen konnten. Etwa 40 Flüchtlinge schmissen mit Steinen, einer hat einen doppelten Kieferbruch, die anderen haben eine Menge blaue Flecken. Wegen einem kleinen, weißen Ball. Oder weil einer über ein Handykabel gestolpert ist, weil das Essen nicht schmeckt. Aus solchen Kinkerlitzchen werden in Massenunterkünften Kämpfe, überall in Bayern.
Viele tun sich schwer mit der Toleranz
Jede Woche gibt es ähnliche Meldungen: eine Messerstecherei in Ingolstadt, ein um sich tretender Randalierer in Regensburg, vier Verletzte in einer Asylbewerberunterkunft in Rain. Allein in der Traglufthalle Karlsfeld gab es 20 Polizeieinsätze in nur drei Monaten. Auch wenn es selten wirklich Massenschlägereien sind, ist es doch immer das, was der Polizei gemeldet wird. Manchmal rückt sie mit 26 Streifen an, der Personalaufwand ist enorm, die Überstunden steigen. "Wir brauchen Köpfe", sagt der Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, Hans-Peter Kammerer, in Richtung Innenministerium. Denn solange Hunderte Flüchtlinge in Traglufthallen gestopft werden, solange wird es wohl nicht weniger werden mit den Polizeieinsätzen.
Fast 300 Menschen aus dem Senegal, Mali, Pakistan mit unterschiedlichen Religionen, Kulturen - in der Traglufthalle Karlsfeld führt das zu Spannungen. "Wir haben hier ein Rassismusproblem", sagt Gregor Feindt, der Kümmerer. In ihren Herkunftsländern selbst diskriminiert, tun sich manche hier schwer mit der Toleranz. Die Pakistani sagen über die Afrikaner: "die Wilden aus der Wüste"; die Afrikaner über die Pakistani: "die, die sich nicht waschen". Woanders weigern sich Afghanen, zu putzen. Begründung: Dafür gebe es doch die Schwarzen. Und dann der Frust: Ein eigenes Haus mit Mercedes davor und Blondine mit blauen Augen und roten Lippen hätten die Schlepper vielen versprochen, sagt Feindt. Und jetzt?