Neue Kulturchefin des Bezirks Oberbayern:Ein Beitrag zur psychischen Gesundheit der Menschen

Neue Kulturchefin des Bezirks Oberbayern: Im München hat Astrid Pellengahr sechs Jahre die Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern geleitet.

Im München hat Astrid Pellengahr sechs Jahre die Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern geleitet.

(Foto: Bezirk Oberbayern/Wolfgang Englmaier)

Astrid Pellengahr ist in einer neuen Doppelfunktion als Bezirksheimatpflegerin und Leiterin der Kulturabteilung des Bezirks Oberbayern nach München zurückgekehrt.

Von Sabine Reithmaier, München

Astrid Pellengahr war schon im Freilichtmuseum Glentleiten, im Bauernhausmuseum Amerang und im Agrarbildungszentrum in Landsberg. Für die nächsten Tage stehen das Zentrum für Trachtengewand in Benediktbeuern, ein Förderzentrum in Ingolstadt und die Schule für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen auf dem Programm. Auch wenn sie angesichts der zahlreichen Schulen und Kultureinrichtungen des Bezirks Oberbayern noch etliche Wochen unterwegs sein wird, bevor sie alle Außenstellen besucht hat, vermittelt sie während ihres ersten Pressegesprächs nach zwei Wochen in ihrer neuen Doppelfunktion als Bezirksheimatpflegerin und Leiterin der Kulturabteilung des Bezirks Oberbayern bereits den Eindruck, gut eingearbeitet zu sein. Sie hat jede Menge Details parat, erzählt beispielsweise ganz locker vom Kurs für Federkielstickerei, der im Benediktbeurer Zentrum für Trachtengewand der absolute Renner ist.

Die Ämterverschmelzung sei zwar eine Neuerung, aber keine Einsparung, sagt Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU). "Wir wollen Kultur und Heimat besser verbinden und die Kultur dadurch stärken." Möglich wurde diese organisatorische Neuausrichtung, weil sich die bisherige Kulturchefin Elisabeth Tworek und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler fast gleichzeitig in den Ruhestand verabschiedet haben. Beide hatten dafür plädiert, ihre Themenfelder künftig von einer Warte aus zu betrachten. Für Pellengahr eine "große, tolle Aufgabe", die sie beherzt anpackt.

München ist kein neues Pflaster für die promovierte Kulturwissenschaftlerin und Volkskundlerin. Sechs Jahre hat sie hier die Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern geleitet, kennt daher die bayerische Kulturlandschaft gut, versteht die Belange von professionellen und ehrenamtlichen Kulturschaffenden. Bevor sie seinerzeit nach München wechselte, hatte sie das Stadtmuseum Kaufbeuren geleitet, war dort auch zwei Jahre Chefin des Kulturamts gewesen. Im Jahr 2020, mitten in der Pandemie, ging sie an das Landesmuseum Württemberg nach Stuttgart, auch weil sie die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung, die Landesstelle im Rahmen der sogenannten "Heimatstrategie" nach Weißenburg zu verlagern, für falsch hielt.

Nach München kehrt sie aus vielerlei, auch familiären Gründen gern zurück. Auf sie warten hier jede Menge Baustellen. Die Kulturabteilung des Bezirks hat in den vergangenen Jahren unter ihrer Vorgängerin Elisabeth Tworek vieles auf den Weg gebracht, sei es den Ausbau des kleinen Volksmusikarchivs in Bruckmühl in ein großes Zentrum für Volksmusik, Literatur und Popularmusik oder das neue Forum für Heimat und Kultur in Benediktbeuern, das den Einrichtungen des Bezirks künftig als "Schaufenster" dienen soll, oder, gleich nebenan, die räumliche Erweiterung des Zentrums für Trachtengewand. All das ist gerade am Entstehen, weshalb die neue Chefin sich erstmal im Verstetigen übt und kurzfristig keine großen eigenen Pläne verfolgt. "Ich komme jetzt nicht und treibe alle in den Wahnsinn mit der nächsten Idee", sagt Pellengahr.

Die Themen kulturelle Teilhabe in Inklusion liegen ihr persönlich am Herzen

Der Bezirk Oberbayern hat zwar seinen Sitz in München, ist aber aufgrund seiner vielen Einrichtungen - neben der Kultur vor allem Schulen, Förderzentren, psychiatrische Kliniken - ein eher dezentrales System. Die Kunst Pellengahrs besteht daher darin, mit diesen Institutionen in Kontakt zu bleiben, deren Ideen aufzugreifen, Synergien zu nutzen und neue Entwicklungen anzustoßen. Was dem Bezirk und ihr persönlich am Herzen liegt, ist kulturelle Teilhabe und Inklusion. "Das steht keinem anderen kommunalen Träger so nah wie dem Bezirk", sagt Pellengahr, die sich dafür bereits auf ihren früheren Positionen eingesetzt hat.

Ein weiteres Thema, das sie umtreibt, ist die Digitalisierung. Schließlich versteht sich der Bezirk wegen seiner Archive und Sammlungen als kulturelles Gedächtnis Oberbayerns, und das soll auch online in einer Datenbank sichtbar werden. "Hört sich simpel an, ist aber schwierig", sagt Pellengahr. Denn die Software, die sich für alle Kultureinrichtungen gleichermaßen eignet, musste erst entwickelt werden. Erprobt wird sie gerade im Zentrum für Trachtengewand.

Als größte Herausforderung für ihre Arbeit nennt Pellengahr aber den schwindenden gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das stelle die Kultur vor die verantwortungsvolle Aufgabe, das Engagement im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen zu stärken. "Aber wir müssen aufpassen, dass uns die Kulturinitiativen nicht wegbrechen." Auch Mederer sieht in deren Arbeit einen Beitrag zur psychischen Gesundheit der Menschen. Das habe man in den Zeiten der Pandemie gespürt, als Kultur nicht mehr stattfand. "Wir sind verödet."

Für Pellengahr selbst hat Heimat viel zu tun mit dem selbstverständlichen Wissen um Normen, Wertvorstellungen, Gewohnheiten und Muster, also damit wie wir miteinander umgehen. Der Geburtsort sei nicht zwingend entscheidend, sagt sie. Sie muss es wissen. Denn geboren ist sie in Schleswig-Holstein. "Aber in mir stecken 0,0 Prozent Schleswig-Holstein", sagt sie. "Die mir vertraute Lebenswelt ist München und Oberbayern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: