Aschaffenburg:Freispruch im Prozess um 40 Jahre alten Mordfall

Prozess um Mord im Jahr 1979 geht in entscheidende Phase

Das Justizgebäude in Aschaffenburg.

(Foto: dpa)

Das Landgericht folgt in seinem Urteil den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Zuvor hatte ein Gutachten das Hauptindiz des Prozesses, eine Biss-Spur, entkräftet.

Von Olaf Przybilla, Aschaffenburg

Dass Staatsanwälte in Mordverfahren auf Freispruch plädieren, ist eine Seltenheit. Immerhin haben sie den Beschuldigten eines Kapitalverbrechens angeklagt, da muss erhöhte Ermittlungssorgfalt erwartet werden. Im Prozess um den Fall Christiane J., der einen Mord aus dem Jahr 1979 aufklären sollte, plädierte die Anklagebehörde aber auf genau das: Freispruch.

Eine Überraschung war das nach der Beweisaufnahme nicht mehr. Wenig später hat die 2. Große Jugendkammer in Aschaffenburg das getan, was ebenfalls nicht anders zu erwarten war. Nach der "äußerst umfangreichen Beweisaufnahme" sei "auch nicht ansatzweise bewiesen, dass der Angeklagte" der Mörder von Christiane J. sei, begann der Vorsitzende Karsten Krebs seine mündliche Urteilsbegründung. Der 57 Jahre alte Angeklagte sei freizusprechen, es sei "sehr unwahrscheinlich", dass er der Täter gewesen sei.

Das Hauptindiz in dem Prozess war eine Biss-Spur. Diese aber, räumte die Staatsanwaltschaft ein, habe nicht das gezeigt, was sie angeblich laut einer ersten Sachverständigen habe zeigen sollen: Und zwar, dass die Spur zum Angeklagten führt. Ein zweiter Gutachter hatte die Einschätzung seiner Kollegin, die "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" eine Übereinstimmung zwischen dem Gebiss des Angeklagten und der Spur am 15-jährigen Opfer unterstellt hatte, fast komplett aus der Welt geschafft. Ausschließen könne man nicht, dass der Angeklagte mit der Spur etwas zu tun habe - weil die Spur so schwach zu erkennen sei. Ansonsten seien alle von der Erstgutachterin unterstellten Anomalien nicht existent. Ein Schuldspruch wäre unter diesen Umständen einem Skandal gleichgekommen.

Die Richter hielten das erste Gutachten nun für "grob falsch". Der Staatsanwalt plädierte für Freispruch aus Mangel an Beweisen. Die Nebenklagevertreterin hielt zwar den Angeklagten "von allen potenziellen Mördern der Christiane" für den wahrscheinlichsten, verzichtete aber auf einen eigenen Antrag. Die Verteidigung hält die Unschuld des Angeklagten für erwiesen. Alle Indizien seien "wie ein Kartenhaus zusammengefallen". Hätte der Staatsanwalt der ersten Gutachterin so kritische Fragen gestellt wie dem Zweitgutachter, wäre es "wohl nie zu dem Haftbefehl gekommen", hatte Anwalt Bernhard Zahn bereits vor der Urteilsverkündung kritisiert. Der Angeklagte hatte auch am letzten Verhandlungstag seine Aussage erneuert, mit dem Tod der Christiane J. nichts zu tun zu haben. Die Richter ordneten an, dass der Angeklagte für die fast neunmonatige Untersuchungshaft zu entschädigen ist.

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