Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg:Söder will „zurückweisen und zurückschicken“

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Ministerpräsident Markus Söder (rechts) spricht neben Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) bei einer Pressekonferenz zu dem tödlichen Angriff in einem Park in Aschaffenburg. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Der tödliche Angriff auf eine Kindergruppe befeuert die politische Debatte. Bayerns CSU-Spitzenpolitiker fordern wieder Verschärfungen in der Migrationspolitik. Sie sparen nicht mit Vorwürfen an die Bundespolitik.

Von Katja Auer und Max Fluder

Nach der Messerattacke in Aschaffenburg verschärft sich der Ton in der politischen Debatte. In wenigen Wochen ist Bundestagswahl, das Thema Migration wird ohnehin schon hochemotional verhandelt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte am Donnerstag erneut eine Wende in der Migrationspolitik und kündigte für die Zukunft „Null Toleranz und Null Kompromiss“ als Leitlinie an. Da sei er sich mit dem CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz einig, mit dem er nach der Gewalttat lange telefoniert habe. Faktisch werde es „eine Grenzschließung für illegale Migration“ geben.

Am Mittwoch hatte ein 28-jähriger Mann aus Afghanistan eine Gruppe von Kindern mit einem Messer im Schöntal-Park angegriffen. Ein zweijähriger Junge starb, ebenso ein 41-jähriger Mann, der den Angreifer stoppen wollte und dafür mit seinem Leben bezahlte. Dem Mann werde posthum die Bayerische Rettungsmedaille verliehen, kündigte Söder an. Das mache ihn nicht wieder lebendig, sei aber ein Zeichen der Anerkennung.

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Der Tatverdächtige war ausreisepflichtig und mehrmals wegen psychischer Probleme in Behandlung. Nun werden auch Fragen laut, ob es Fehler der Behörden gab, da der Mann noch immer im Land war. Ein Asylverfahren war vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beendet worden, da der Mann erklärt hatte, freiwillig ausreisen zu wollen, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte. Da er jedoch bislang keine Papiere hatte, die beim afghanischen Generalkonsulat in Frankfurt beantragt werden müssen, habe er noch nicht ausreisen können.

Der Tatverdächtige war Herrmanns Ausführungen zufolge am 19. November 2022 nach Deutschland eingereist. Am 3. Februar 2023 erklärte sich Bulgarien bereit, den Mann zurückzunehmen, weil dieser dort bereits Asyl beantragt hatte. Er wurde also zu einem sogenannten Dublin-Fall. Am 9. März 2023 hatte der Mann einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Dieser war im Juni als unzulässig abgelehnt worden.

Allerdings habe das Bamf dies „aufgrund welcher Fehler und Probleme auch immer“ erst am 26. Juli den bayerischen Ausländerbehörden mitgeteilt, die nicht in der Lage gewesen seien, innerhalb weniger Tage die Abschiebung nach Bulgarien zu organisieren. Am 3. August jedoch lief die sogenannte Überstellungsfrist von knapp sechs Monaten nach Eingang des Asylantrags ab. Wird diese versäumt, wird aus dem Dublin-Fall ein nationales Asylverfahren, das vom Bamf geführt werden muss. Danach sei bis zum Dezember 2024 nichts mehr gekommen, bis der Mann eben seine freiwillige Ausreise erklärt habe.

Auch nach zwei Jahren sei keine abschließende Entscheidung über den Asylantrag gefällt worden, sagte Herrmann, „die Verantwortung dafür liegt allein beim Bamf“. Und die politische Verantwortung somit bei der für das Amt zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Die wiederum kritisierte die bayerischen Behörden. Diese müssten erklären, warum der Täter trotz mehrfacher Gewaltdelikte noch auf freiem Fuß gewesen sei, sagte die SPD-Politikerin in Berlin. „Offenbar sind in Bayern dort auch einige Dinge schiefgelaufen“, fügte sie hinzu.

Mit der bayerischen Polizei geriet der Tatverdächtige laut Herrmann mehrmals aneinander, die Fälle spielten sich jeweils in unmittelbarer Nähe zum Wohnort des Verdächtigen ab, also in und vor der Asylbewerberunterkunft in Alzenau im Landkreis Aschaffenburg. In drei Fällen wurde der heute 28-Jährige tätlich.

Mehr Rechte für Bayerische Grenzpolizei

Nach Angaben der Polizei sei der Tatverdächtige vor der Messerattacke vorwiegend mit aus ihrer Sicht eher niedrigschwelligen Vergehen aufgefallen: Beleidigung, Sachbeschädigung, einfache Körperverletzung, Widerstand gegen Beamte. Taten also, zu denen es in Asylbewerberunterkünften häufiger käme und die daher wenig besonders seien. Auch der Staatsschutz habe zu dem Verdächtigen keine Hinweise gehabt.

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In einem Park in Aschaffenburg soll ein ausreisepflichtiger Mann aus Afghanistan einen kleinen Jungen und einen 41-Jährigen erstochen haben, drei Menschen wurden verletzt. Die Tat sorgt für Entsetzen. So reagieren Politik und Kirche.

Ministerpräsident Markus Söder nannte die Messerattacke auf Kinder „mit das schäbigste und ekligste Verbrechen, das man sich vorstellen kann“. Er verstehe die Gefühle von Menschen, „die dem Täter alles Mögliche wünschen“. Bei aller Besonnenheit müsse man nun auch mehr Entschlossenheit zeigen. „Es reicht, es reicht, es reicht“, sagte Söder, solche Taten seien „die Folge einer jahrelangen falschen Migrationspolitik“. Bayern habe das immer wieder angemerkt. Es gebe kein Versagen der Bundesländer oder einzelner Behörden, sondern das „Kernversagen, dass das Recht fehlt, um es anzuwenden“. Das zu ändern habe die Bundespolitik versäumt.

Er wiederholte die schon bekannten Forderungen der CSU, etwa den subsidiären Schutz und den Familiennachzug zu stoppen, die doppelte Staatsbürgerschaft nach Straftaten wieder zu entziehen und überhaupt die deutsche Staatsbürgerschaft nur zu vergeben, wenn Menschen sehr gut integriert seien.

„Zurückweisen und zurückschicken“, gab Söder als Motto aus. Er fordert für die Bayerische Grenzpolizei das Recht, Migranten an der Grenze zurückzuweisen. Außerdem sollten nationale Ausreisezentren an den Flughäfen eingerichtet werden und es brauche wöchentlich, vielleicht sogar tägliche Abschiebeflüge. Er verwies auf die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem tödlichen Angriff auf einen Polizisten in Mannheim, vermehrt auch nach Afghanistan abzuschieben. Aber danach habe es nur einen Flug gegeben. Es brauche dringend ein Länderabkommen mit Afghanistan, um mehr Abschiebungen zu ermöglichen.

Söder will Unterbringung überprüfen lassen

Allein in Bayern seien 187 Afghanen mit erheblichen Straftaten gemeldet, sagte Herrmann. Das sei dem Bundesinnenministerium bekannt, aber eine Abschiebung sei bislang nicht möglich. Die meisten der 187 Personen sind dem Innenminister zufolge in Haft. Einige seien allerdings bereits wieder entlassen. Das Bamf habe ihre Asylanträge abgelehnt, sie wurden aber trotz negativen Bescheids noch nicht abgeschoben.

Söder will außerdem das sogenannte PsychKHG überprüfen lassen, das Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Ginge es nach dem Ministerpräsidenten, würde das Gesetz verschärft, was Beamten sowie Einrichtungen mehr Rechte einräumen würde im Umgang mit Verdächtigen beziehungsweise Patienten.

Jedes Jahr übergibt die bayerische Polizei nach Angaben von Herrmann etwa 20 000 Menschen an psychiatrische Einrichtungen, knapp 8000 von ihnen, weil sie auch für Dritte eine Gefahr darstellen könnten. Nur ein Bruchteil kann und darf derzeit für längere Zeit in den Einrichtungen bleiben.

Der Tatverdächtige von Aschaffenburg war dreimal wegen psychischer Probleme stationär in Behandlung. Jeweils wurde er mit Medikamenten zur Selbsttherapie entlassen. Seit Dezember hatte er laut Herrmann vom Gericht eine Betreuerin zur Seite gestellt bekommen. Am Donnerstagnachmittag ordnete eine Richterin des Amtsgerichts Aschaffenburg die Unterbringung des Verdächtigen in einer Psychiatrie an.

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