Gewaltverbrechen im Park Schöntal:Was über den Messerangriff in Aschaffenburg bekannt ist

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In einem Park in Aschaffenburg sind ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann getötet sowie weitere Menschen schwer verletzt worden. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Was ist im Park Schöntal passiert? Was weiß man über den Täter? Und wieso war der abgewiesene Asylbewerber eigentlich noch in Bayern? Die wichtigsten Antworten zu dem Gewaltverbrechen und dem Tatverdächtigen.

In Aschaffenburg soll ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan am 22. Januar 2025 mit einem Küchenmesser eine Kindergruppe im Park Schöntal in der Innenstadt angegriffen haben. Ein Mann und ein kleiner Junge starben. Drei weitere Menschen wurden verletzt. Was zu dem Fall bekannt ist.

Was ist über die Tat bekannt?

Als mutmaßlichen Angreifer hat die Polizei wenige Minuten nach der Tat einen 28 Jahre alten Afghanen festgenommen. Er soll die Kindergartengruppe gezielt und unvermittelt mit einem Küchenmesser angegriffen haben. Ein zweijähriger Junge starb. Ein 41 Jahre alter Passant soll eingeschritten und vom Täter verletzt worden sein. Der Mann starb an seinen Verletzungen.

Drei Menschen wurden außerdem schwer verletzt: ein zweijähriges Mädchen aus Syrien, das mehrere Messerstiche an Hals und Nacken davontrug, ein 72-jähriger Mann mit Stichwunden im Brustbereich sowie eine 59 Jahre alte Erzieherin, die sich den Unterarm brach. Die Frau hat das Krankenhaus inzwischen verlassen können.

Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg und die Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg wollen an Tag zwei nach der Tat keine Einzelheiten zum Ermittlungsstand veröffentlichen. „Unter anderem, weil selbstverständlich eine mögliche Beeinflussung der Erinnerung von Zeugen ausgeschlossen bleiben muss“, begründete Oberstaatsanwalt Marco Schmitt diese Entscheidung. So bleibt unter anderem offen, ob die Leichen der Todesopfer bereits obduziert wurden und an welchen Verletzungen sie starben.

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Was ist über den Tatverdächtigen bekannt?

Nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) ist der Tatverdächtige am 19. November 2022 nach Deutschland eingereist und hat am 9. März 2023 einen Asylantrag gestellt. Dieser war im Juni als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet worden, weil der Mann dort bereits Asyl beantragt hatte. Er wurde also zu einem sogenannten Dublin-Fall.

Das Bamf habe das erst am 26. Juli den bayerischen Ausländerbehörden mitgeteilt, die nicht in der Lage gewesen seien, innerhalb weniger Tage die Abschiebung nach Bulgarien zu organisieren. Am 3. August jedoch lief die sogenannte Überstellungsfrist von knapp sechs Monaten nach Eingang des Asylantrags ab. Wird diese versäumt, wird aus dem Dublin-Fall ein nationales Asylverfahren, das vom Bamf geführt werden muss. Danach sei bis zum Dezember 2024 nichts mehr gekommen, bis der Mann eben seine freiwillige Ausreise erklärt habe.

Dafür habe er sich Papiere beim afghanischen Generalkonsulat besorgen müssen, die hätten offenbar noch nicht vorgelegen, also war eine Ausreise nicht möglich. Zuletzt lebte er in einer Unterkunft in Alzenau im Landkreis Aschaffenburg.

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Der 28-Jährige, der des zweifachen Mordes verdächtigt wird, ist schon vielfach aufgefallen – und hätte zum Zeitpunkt der Tat im Gefängnis sitzen sollen. Was über ihn bekannt ist.

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Ist der Tatverdächtige früher schon aufgefallen?

Mit der bayerischen Polizei geriet der Tatverdächtige laut Herrmann mehrmals aneinander. Ende Dezember 2024 hätte er für mehr als einen Monat ins Gefängnis kommen sollen - trat diese Ersatzfreiheitsstrafe aber laut Staatsanwaltschaft Schweinfurt nie an. Grund dafür sei die gesetzliche Regel, dass ein Gericht bei zwei verschiedenen Verurteilungen unter bestimmten Bedingungen eine sogenannte Gesamtstrafe bilden muss, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Erst dann sei klar, wie lang der Verurteilte tatsächlich in Haft muss - oder wie viel Geld er zahlen muss.

Der Mann war an zwei verschiedenen Gerichten zu Geldstrafen verurteilt worden. Der 28-Jährige blieb bis zum 22. Januar auf freiem Fuß - was aber mit Blick auf die Gerichtsverfahren auch der Fall gewesen wäre, wenn er seine Geldstrafen wie gefordert bezahlt hätte. Seit seiner Ankunft in Bayern Ende 2022 ist er allerdings mit verschiedenen Delikten aufgefallen, unter anderem Körperverletzung, Sachbeschädigung, Betrug, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. In keinem der Verfahren seien die Voraussetzungen für einen Haftbefehl gegeben gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft mit – auch nicht für eine strafrechtliche einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Wie geht es mit dem Verdächtigen weiter?

Am Abend nach der Tat hat eine Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Aschaffenburg eine einstweilige Unterbringung des Verdächtigen in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dort befinde der Mann sich inzwischen, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Der Unterbringungsbefehl erging den Angaben zufolge auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen.

Dem Mann wird zweifacher Mord, zweifacher versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft hat er sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

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Was ist über das Motiv bekannt?

Die Ermittler gehen vor allem dem Verdacht nach, dass die psychische Erkrankung des Mannes die Ursache gewesen sein könnte. Der Afghane war vor dem Angriff mindestens zweimal – im Januar und im Mai 2024 – von der Polizei in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. Jedes Mal wurde er wieder entlassen. Bei einer Durchsuchung seiner Unterkunft hätten Ermittler zudem Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten gefunden.

Seit Dezember 2024 habe er eine gerichtlich bestellte Betreuerin, teilte eine Sprecherin des Amtsgerichts Aschaffenburg mit, „da der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage war, seine Angelegenheit rechtlich zu besorgen“. Der Beschluss sollte für drei Jahre gelten. Zu einem vereinbarten Termin mit seiner Betreuerin sei er nicht erschienen.

Hinweise auf ein islamistisches Motiv fanden die Ermittler laut Herrmann nicht.

Ob seine Schuldfähigkeit bei der Tat vermindert gewesen sein könnte oder er tatsächlich schuldunfähig war, müssen die Ermittlungen zeigen.

Warum war der Tatverdächtige noch in Deutschland?

Innenminister Joachim Herrmann teilt mit, ein sogenanntes Dublin-Verfahren sei bei dem 28-Jährigen nicht rechtzeitig abgeschlossen worden. Dieses Verfahren ist Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und dient der Klärung der Frage, welcher europäische Staat für den Asylantrag eines Schutzsuchenden zuständig ist. In den meisten Fällen ist dies der Staat, in dem der Geflüchtete zuerst EU-Boden betreten hat.

Herrmann sieht die Schuld beim Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), das dem Bundesinnenministerium untersteht. Anfang Dezember, habe der Mann dann selbst den Behörden – auch schriftlich – angekündigt, freiwillig nach Afghanistan zurückreisen zu wollen, sagt Herrmann. Er wollte sich angeblich beim Generalkonsulat Afghanistans in Frankfurt um die nötigen Papiere kümmern. Durch diesen Schritt sei sein Asylverfahren beendet worden, das Bamf habe ihn zur Ausreise aufgefordert.

Laut Herrmann war es dem Mann bis zum Tatzeitpunkt nicht gelungen, die erforderlichen Reisedokumente zu erhalten. Direktflüge nach Afghanistan gibt es zurzeit nicht, jedoch Flugverbindungen über die Türkei.

Gibt es aktuell Abschiebungen nach Afghanistan?

Nein. Laut Bundesinnenministerium wurden im vergangenen Jahr zwar 1361 afghanische Staatsbürger aus Deutschland abgeschoben. Dabei ging es allerdings fast ausschließlich um Dublin-Fälle. Ende August waren mithilfe des Golfemirats Katar 28 männliche Straftäter aus Afghanistan in ihr Herkunftsland abgeschoben worden.

Seither bemüht sich das Bundesinnenministerium – bislang allerdings ohne Erfolg – weitere Abschiebungen nach Afghanistan zu organisieren. Der Fokus liegt dabei auf Straftätern und Islamisten, die von der Polizei als gefährlich eingeschätzt werden (Stand: Januar 2025).

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