Unterfranken:Aschaffenburg, die unbayerischste Stadt im Freistaat

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Aschaffenburgs Identität: Das Schloss Johannisburg der Mainzer (im Bild) gehört genauso dazu wie das Pompejanum, gebaut von König Ludwig I. (Foto: dpa)

Nur ein Frankfurter Vorort oder doch ein "sehr schönes Stück Bayern"? Aschaffenburg tanzt in vielerlei Hinsicht aus der Reihe.

Von Claudia Henzler, Aschaffenburg

Die Stadt Aschaffenburg ist die wohl unbayerischste im ganzen Freistaat. Wie ein Keil trennt der Spessart sie vom restlichen Bundesland ab. Geografisch ist Aschaffenburg dem Rhein-Main-Gebiet mit dem nur 40 Kilometer entfernten Zentrum Frankfurt zuzurechnen. Auch akustisch fallen die Aschaffenburger aus der Reihe: Sie sprechen einen Dialekt, der sich deutlich vom Unterfränkischen unterscheidet, als Variante des Rheinfränkischen gilt und nach Überzeugung vieler Einheimischen vom Mainzerischen beeinflusst ist. Aschaffenburg wurde dem Königreich Bayern erst 1814 zugeschlagen, vorher zählte die Stadt jahrhundertelang zum Herrschaftsgebiet der Mainzer Bischöfe und Kurfürsten.

Diese Vergangenheit ist nicht zu übersehen, denn die Mainzer haben der Stadt das Schloss Johannisburg hinterlassen. Der große Rotsandsteinbau ist Aschaffenburgs bedeutendste Sehenswürdigkeit, auch wenn seit Ende des Zweiten Weltkriegs nur noch die Außenmauern wirklich historisch sind. Ihre Zugehörigkeit zu Bayern stellen die Aschaffenburger heute trotz Geschichte und Geografie nicht mehr infrage - und das liegt nicht nur daran, dass sie auf das Pompejanum fast genauso stolz sind wie aufs Riesenschloss. König Ludwig I. hat die schönen Villa einst im römischen Stil ans Mainufer bauen lassen.

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Oberbürgermeister Klaus Herzog (SPD) bezeichnet Aschaffenburg als "sehr schönes Stück Bayern", er macht aber auch klar: "Die Zukunftsaufgaben können wir nur meistern, wenn wir über die Stadtgrenzen und vor allem über die Landesgrenzen hinweg kooperieren." Und so ist die Stadt gemeinsam mit den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg dabei, ihre Position in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main auszubauen. Das geschieht durchaus mit dem Segen der bayerischen Staatsregierung. 2013 wurde der bayerische Teil der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main erstmals neben den beiden anderen bayerischen europäischen Zentren München und Nürnberg in das Landesentwicklungsprogramm aufgenommen. Sie alle sollen in ihrer Leistungsfähigkeit weiterentwickelt werden, heißt es dort.

Im Rhein-Main-Gebiet ist die Bevölkerung seit 2010 signifikant gestiegen. Heute leben dort 5,7 Millionen Menschen, davon etwa 370 000 in Aschaffenburg und den beiden benachbarten Landkreisen, der sogenannten Region Untermain. Zur Metropolregion gehören sieben kreisfreie Städte und 18 Landkreise in drei Bundesländern. Im Vergleich zu anderen Metropolregionen, mit denen man sich in Konkurrenz sieht, bedeutet das mehr Schwierigkeiten bei der Koordination. 2015 hatten Vertreter der Metropolregion deshalb einen Staatsvertrag zwischen Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz gefordert.

Diese Idee spielt offenbar momentan keine Rolle mehr. Stattdessen wurde Anfang 2018 ein sogenanntes Strategieforum gegründet. Neben Kommunen gehören ihm Vertreter der Landesregierungen an sowie die diversen Industrie- und Handelskammern des Rhein-Main-Gebiets. Gerade die Wirtschaftsvertreter forcieren die Zusammenarbeit mit Nachdruck. Innerhalb eines Jahres hat das Forum bereits dreimal getagt, zuletzt in der Woche vor Weihnachten. Dort wurde als Ziel formuliert, dass die Metropolregion "zur Gründerregion Nummer eins in Deutschland" aufsteigen soll.

Eine Fachgruppe will sich dafür einsetzen, dass die derzeit 32 Gründer- und Technologiezentren ihre Aktivitäten besser vernetzen. Als weitere drängende Aufgaben will sich das Strategieforum der Verbesserung des Schienen- und Straßennetze widmen, der Digitalisierung und der besseren Zusammenarbeit bei der Ausweisung von Wohngebieten und Gewerbeflächen. Wichtigstes Ziel der Plattform ist es, "die schon vorhandenen Initiativen und Prozesse besser zu verzahnen".

Von denen gibt es reichlich. Seit Jahren ist der bayerische Teil des Rhein-Main-Gebiets Mitglied in Institutionen der Metropolregion. Aschaffenburg profitiere zum Beispiel von gemeinsamen Projekten in der Kultur und in der Wissenschaft, zählt OB Herzog auf, aber auch im Tourismus oder durch einen Tarif, der es den Bayern erlaubt, mit einem Ticket den Nahverkehr im eigenen Netz und im Rhein-Main-Verkehrsverbund zu nutzen. Besonders stolz ist Herzog auf das gemeinsame Standortmarketing, das den bayerischen Untermain sogar im Ausland vertritt und die Region jährlich 80 000 Euro kostet.

Doch es sind auch noch etliche Wünsche offen. Die bayerischen Mitglieder der Metropolregion hatten 2017 als Vorbereitung für das Strategieforum gemeinsame Positionen erarbeitet. Ein Handwerker-Parkausweis wurde da beispielsweise gefordert, mit dem bayerische Betriebe ihre Fahrzeuge legal auf hessischen Straßen abstellen können, ein länderübergreifender Behördenwegweiser oder ein gemeinsames Logistikzentrum.

Verkommt Aschaffenburg so noch zu einem Frankfurter Vorort? Wie eine Pendlerstudie zeigt, macht sich zwar jeder fünfte Arbeitnehmer aus dem Raum Aschaffenburg auf den Weg nach Frankfurt, Offenbach und Hanau. Doch umgekehrt sind Aschaffenburg und das Umland auch Ziel zahlreicher Pendler aus dem Rhein-Main-Gebiet. Etwa 29 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus der gesamten Metropolregion pendeln allein in die 70 000-Einwohner-Stadt Aschaffenburg.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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